Gespräch mit Vevo-Chef Erik Huggers:
Wie Vevo die Marke stärken will
Weltweit hat Vevo 16 Milliarden Videostreams pro Monat. Trotzdem ist die Marke selbst relativ blass. Wie Vevo-Chef Erik Huggers das ändern will, erklärte er im Gespräch mit W&V.
Wenn ein Star wie Adele bei einem neuen Album ankündigt, Streaming-Dienste zu boykottieren, wird das breit in verschiedenen Medien analysiert und gar als Fehler angesehen. Auf einer Plattform aber lässt sich zumindest die Single "Hello" – sogar in Deutschland – ganz legal kostenlos hören und auch sehen. Innerhalb kürzester Zeit knackte das Musikvideo den Rekord an Views auf Vevo, wo das Video exklusiv läuft.
Von solchen exklusiven Deals profitiert die Plattform, die ihre Musikvideos überwiegend auf Youtube ausspielt. Die Distribution stand bis jetzt im Vordergrund. Zu den Eigentümern gehören Sony, Universal und Google. Der neue CEO Erik Huggers aber will aus Vevo ein Unternehmen machen, das stärker als eigenständige Lifestyle-Marke angesehen wird. "Wie bekommen wir junge Leute dazu, ein Vevo-T-Shirt anzuziehen?", fragt Huggers. Er ist seit April 2015 Chef der Musikplattform und ist gekommen, um Innovationen anzustoßen und die Marke zu stärken.
In Deutschland muss Vevo ohnehin seit dem Start Anfang 2013 eine eigene Plattform bespielen und versuchen, die Marke unabhängig von Youtube aufzubauen. Eigene Formate und Events hierzulande sollen in Zukunft verstärkt dazu beitragen. Weltweit kommt die Plattform auf sechzehn Milliarden Videostreams pro Monat. Deutschland hat daran aber nur einen verschwindend geringen Anteil von weniger als einem Prozent (160 Mio Streams pro Monat). Ein Grund dafür ist die fehlende Einigung zwischen Youtube und der Gema, weshalb Vevo in Deutschland nicht auf die Reichweite von Youtube setzen kann.
"Deutschland hat eine Sonderstellung in der westlichen Welt", so Huggers. Er ist seit 2014 im Aufsichtsrat von ProsiebenSat.1 und hat seitdem "sehr viel über den deutschen Werbemarkt und den deutschen Konsumenten gelernt", findet er. Mit Erstaunen blickt er auf einen Free-TV-Markt, der noch immer steigende Umsätze mit Werbung macht, im Gegensatz zu vielen anderen Märkten im internationalen Vergleich. 2015 gab es ein Plus von sechs Prozent und auch für 2016 sind die Erwartungen positiv. "Unglaublich! Praktisch jeder andere Markt verliert", sagt Huggers.
Gleichzeitig haben es Unternehmen wie Netflix nicht so leicht Boden zu gewinnen, wie in anderen Märkten, glaubt Huggers. "Die kostenlosen, werbefinanzierten Angebote sind scheinbar so gut, dass Konsumenten in Deutschland nicht so leicht dazu zu bewegen sind, für Inhalte zu bezahlen", so seine Schlussfolgerung. Gleichzeitig sei Deutschland auch der einzige Markt, in dem physische Musik-Verkäufe noch immer außergewöhnlich hoch seien. 2015 schaffte es der Musikmarkt erstmals wieder auf das Niveau von 2009. Auch deshalb ist Deutschland für Vevo interessant.
In den USA und den anderen Märkten, in denen Vevo dank der Kooperation mit Youtube auf beachtliche Video-Reichweiten kommt, will Huggers Vevo unabhängiger von der Google-Tochter machen. Denn obwohl gerade in den USA jeder, der Musikvideos auf Youtube sucht, irgendwann bei Vevo landet, ist die Marke selbst relativ blass.
Doch das soll sich ändern, ein erster Schritt dazu ist eine neue iOS App. "Sie ist nur das erste Prozent dessen, was unsere Ambitionen sind", so Huggers. Die größte Änderung, die er herbeiführen will, ist ein neues Selbstverständnis: Vevo soll ein Tech-Unternehmen werden und es bei der Analyse des Nutzungsverhaltens mit anderen Diensten aufnehmen. Spotify etwa arbeitet bereits daran, die ausgespielte Musik an den Kontext anzupassen, in dem sie der User hört.
Das Verhalten der Nutzer besser kennenlernen, voraussagen und monetarisieren, das sind die Ziele. Kürzlich übernahm Vevo das Unternehmen Showyou und hat damit genau das technische Know-How eingekauft, das für diesen Kurswechsel gebraucht wird. Dass Showyou als Spezialist für Abo-Modelle gilt, weckt Spekulationen zur Zukunft Vevos. Weitere Aquisitionen sollen folgen.