"Deutschland hat eine Sonderstellung in der westlichen Welt", so Huggers. Er ist seit 2014 im Aufsichtsrat von ProsiebenSat.1 und hat seitdem "sehr viel über den deutschen Werbemarkt und den deutschen Konsumenten gelernt", findet er. Mit Erstaunen blickt er auf einen Free-TV-Markt, der noch immer steigende Umsätze mit Werbung macht, im Gegensatz zu vielen anderen Märkten im internationalen Vergleich. 2015 gab es ein Plus von sechs Prozent und auch für 2016 sind die Erwartungen positiv. "Unglaublich! Praktisch jeder andere Markt verliert", sagt Huggers.

Gleichzeitig haben es Unternehmen wie Netflix nicht so leicht Boden zu gewinnen, wie in anderen Märkten, glaubt Huggers. "Die kostenlosen, werbefinanzierten Angebote sind scheinbar so gut, dass Konsumenten in Deutschland nicht so leicht dazu zu bewegen sind, für Inhalte zu bezahlen", so seine Schlussfolgerung. Gleichzeitig sei Deutschland auch der einzige Markt, in dem physische Musik-Verkäufe noch immer außergewöhnlich hoch seien. 2015 schaffte es der Musikmarkt erstmals wieder auf das Niveau von 2009. Auch deshalb ist Deutschland für Vevo interessant.

In den USA und den anderen Märkten, in denen Vevo dank der Kooperation mit Youtube auf beachtliche Video-Reichweiten kommt, will Huggers Vevo unabhängiger von der Google-Tochter machen. Denn obwohl gerade in den USA jeder, der Musikvideos auf Youtube sucht, irgendwann bei Vevo landet, ist die Marke selbst relativ blass.

Doch das soll sich ändern, ein erster Schritt dazu ist eine neue iOS App. "Sie ist nur das erste Prozent dessen, was unsere Ambitionen sind", so Huggers. Die größte Änderung, die er herbeiführen will, ist ein neues Selbstverständnis: Vevo soll ein Tech-Unternehmen werden und es bei der Analyse des Nutzungsverhaltens mit anderen Diensten aufnehmen. Spotify etwa arbeitet bereits daran, die ausgespielte Musik an den Kontext anzupassen, in dem sie der User hört.

Das Verhalten der Nutzer besser kennenlernen, voraussagen und monetarisieren, das sind die Ziele. Kürzlich übernahm Vevo das Unternehmen Showyou und hat damit genau das technische Know-How eingekauft, das für diesen Kurswechsel gebraucht wird. Dass Showyou als Spezialist für Abo-Modelle gilt, weckt Spekulationen zur Zukunft Vevos. Weitere Aquisitionen sollen folgen.


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.