Linkedin-Chefin Alexandra Kolleth:
Das Ende der Berufe, wie wir sie kennen
"Wir müssen nicht alle Programmierer werden", sagt Linkedin-Chefin Alexandra Kolleth, aber es lohnt sich zu überlegen, wie sich die Anforderungen für die Kreativbranche ändern.
Heute hat das Karriere-Netzwerk Linkedin eine Studie veröffentlicht, welche Qualifikationen und Kompetenzen in Zukunft bei Personalverantwortlichen und Chefs begehrt sind. Aus diesem Anlass kommentiert Alexandra Kolleth, Mitglied der Linkedin-Geschäftsleitung, die Ergebnisse unter dem Titel "Skills für Morgen: Marketer trifft Maschine":
Der technische Fortschritt bringt uns viele Vorteile – wirft aber auch elementare Fragen auf: Jeder einzelne muss sich beispielsweise damit auseinandersetzen, wie sie oder er im Wettbewerb mit Mensch und Maschine konkurrenzfähig bleibt. Welche Qualifikationen, die heute relevant sind, braucht der Marketer auch morgen noch? Welche Skills werden erst dann wichtig, wenn CMOs noch mehr mit smarten Technologien arbeiten? Linkedin hat sich vorgenommen, allen Branchen in Bezug auf diese Fragen Hilfestellung zu bieten. Unsere Vision eines Economic Graph, einer globalen Echtzeitanalyse von Arbeitsangebot und Nachfrage, wird helfen, Transparenz und ökonomische Chancen für alle Beteiligten zu schaffen.
Unsere Bildungssysteme können mit dem technischen Fortschritt nicht mehr mithalten. Bis Programmiersprachen in den Schulen unterrichtet werden, programmieren sich Computer längst selbst. Mehr Verantwortung ruht deshalb auf unseren eigenen Schultern – wir alle müssen lebenslang hinzulernen, müssen uns die Fähigkeiten aneignen, die heute notwendig sind und gestern noch nicht absehbar waren.
Ich bin mir sicher, dass viele Menschen dieser Tatsache positiv gegenüberstehen: Viele Jobs werden einfacher werden, vielfältiger, es werden sich Möglichkeiten auftun, von denen unsere Vorgänger nicht zu träumen wagten. Ich verstehe allerdings auch die Unsicherheit, die das mit sich bringt. Für das lebenslange Lernen gibt es keinen Lehrplan. Keine Autorität gibt die Richtung vor, niemand sagt uns, ob wir auf das richtige Thema setzen. Wir sind für unser Skillset selbst verantwortlich.
Wir müssen nicht alle Programmierer werden
In welche Richtung sollten wir uns also weiterbilden? Nun, niemand kann vorhersehen, was die Jobs der Zukunft konkret erfordern – doch es gibt Anhaltspunkte: So gehen die Autoren des letzten großen Human-Capital-Report des World Economic Forum davon aus, dass die meisten neuen Jobs eine technologische Komponente haben werden. Die wenigsten von Ihnen werden sich mit der Programmierung von CRMs, Social-Analytics- oder Cross-Channel-Marketing-Tools beschäftigen – doch sollten Sie bzw. Ihre Teams die Fertigkeiten mitbringen, die Sie befähigen, das Beste aus der Software herauszuholen.
Datenanalyse- und -interpretationskompetenzen gehörten nachvollziehbarerweise auch zu den gefragtesten Fähigkeiten einer aktuellen LinkedIn-Umfrage. Gerade CMOs dürften Teammitglieder mit diesem Wissen suchen – im Rahmen der Zielgruppenbestimmung stehen immer mehr Daten zur Verfügung. Auch Wissens- und Projektmanagement-Disziplinen, bei denen Menschen das große Ganze im Blick behalten müssen – schneiden in der Linkedin-Umfrage gut ab.
Technologien verstärken unsere Stärken
Andrew McAfee und Erik Brynjolfsson weisen in ihrem Bestseller "The Second Machine Age" und kürzlich wieder in "Machine, Platform, Cloud", auf sogenannte Soft Skills hin, die aus ihrer Sicht in Zukunft noch gefragter sein werden: Die Erkennung komplexer Muster fällt Maschinen immer noch schwer und uns leicht. Die daraus resultierenden Fähigkeiten der Ideenfindung oder Kreativität bleiben mittelfristig uns vorbehalten – gute Nachrichten für die Kreativbranche.
Auch Empathie kann kein Computer auf absehbare Zeit empfinden. Teamwork- und Führungsfertigkeiten, die sowohl im Bildungsbereich als auch in Unternehmen gefragt sind, stellen uns also ebenfalls gut für die berufliche Zukunft auf. Technologien werden uns hier eher unterstützen, als dass sie uns Konkurrenz machen.
Profile ersetzen Jobtitel
Haben Sie bemerkt, dass ich bislang nicht davon gesprochen habe, welche "Berufe" in Zukunft wichtiger oder weniger nachgefragt werden? Berufe sind aus meiner Sicht als Konzept zu unflexibel für die Zeit des lebenslangen Lernens. Früher änderte sich wenig im Berufsalltag einer Buchhalterin, eines Lehrers oder einer Ärztin. Heute kann, ja, sollte jede dieser Rollen mindestens einmal im Jahr eine Schulung zu den neuen technischen Möglichkeiten im jeweiligen Feld machen und sich neues Wissen aneignen.
Ich bin sicher, viele tun genau das. Sie tragen dann dieselben Titel, verfügen aber über sehr unterschiedliche Skillsets. Überlegen Sie mal, welche Disziplinen im Marketing heute spannend sind: SEO, Content- und Influencer Marketing, Growth Hacking, tausende Möglichkeiten in Paid, Earned und Owned. Ich behaupte: Sie finden schon heute keine zwei CMOs mehr, welche die gleichen Fähigkeiten haben.
Die Bedeutung der Weiterbildung
Bei Linkedin kann jeder seine Fähigkeiten angeben und bestätigen lassen. Diese Angaben werden Personaler in Zukunft sehr viel intensiver nutzen. Auch sie verstehen, dass ein Jobtitel eine immer geringere Aussagekraft hat. Beispielsweise ergibt die Linkedin-Suche nach "Datenanalyst" weltweit nur unter 100.000 Treffer.
100.000 sind wenig, wenn man eine halbe Milliarde Mitglieder weltweit hat. Aber: 600.000 Mitglieder verfügen über fünf oder mehr Fähigkeiten, die sich Unternehmen von Datenanalysten wünschen. Smarte Personaler finden mit einer Skills-Suche also Menschen, die sie vielleicht mit nur geringem Fortbildungsaufwand zu genau den Spezialisten weiterentwickeln können, die sie brauchen.
Alexandra Kolleth ist Mitglied der Geschäftsleitung und Head of Marketing Solutions bei Linkedin Deutschland, Österreich und Schweiz. In dieser Funktion verantwortet sie den Bereich Marketinglösungen für Unternehmenskunden und leitet, gemeinsam mit Barbara Wittmann, die Geschäfte des weltweit größten Karrierenetzwerks im deutschsprachigen Raum.