
Ältere in Agenturen:
Ist das Alter auch bei Freelancern ein Handicap?
Je älter, desto schwerer wird's mit einer Bewerbung in der Marketingbranche. Aber gilt das auch bei der Akquise von freien Aufträgen? Wir haben nachgefragt.

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Die magische Grenze liegt bei 42 Jahren, ab da wird es schwierig mit der Jobsuche im Marketingbereich. Viele ältere Semester arbeiten deshalb lieber als Freie in der Branche.
W&V wollte wissen, ob auch im Freelancer-Bereich das Alter ein Problem darstellt. Unser Interviewpartner, der nach vielen namhaften internationalen Stationen, bislang vergeblich nach einer Festanstellung sucht, möchte anonym bleiben.
Wie sind Ihre Erfahrungen, als Jahrgang 1968 in der Marketingbranche auf Jobsuche zu gehen?
Zwei Dinge sind mir nach 69 Bewerbungen, Headhunter-Gesprächen und Absagen bewusst geworden: Nicht nur das Alter ist abschreckend. Vielmehr ist es die Tatsache, dass Firmen und Headhunter nicht mit einem sprechen wollen, weil sie der Meinung sind, man sei gehaltstechnisch nicht flexibel. Für den richtigen Job würden viele auch weniger verdienen. Und außerdem gibt es doch auch kreativere Gestaltungskomponenten als nur der ausbezahlte Lohn.
Glauben Sie: Ist man als Non-Digital-Native auf dem Arbeitsmarkt im Nachteil?
In den letzten 12 bis 15 Monaten ist mir aufgefallen, wie sich die Jobbeschreibungen gedreht haben. Gab man sich damals zum Beispiel bei einem Marketingdirektor damit zufrieden, einen Marketer mit digitalem Know-how anzuwerben, ist es heute ein Digital Native, der auch Marketing beherrscht.
In den Gesprächen, die ich geführt habe, sind sich die Unternehmen oftmals selbst nicht ganz im Klaren, was sie eigentlich benötigen. Auch das führt dazu, sich auf Jüngere zu konzentrieren. Denn die sind formbar und machen mehr mit.
Gibt es konkret eine Bewerbungssituation in Erinnerung, bei der sie das Gefühl hatten, das Alter steht Ihnen im Weg?
Kürzlich hatte ich ein Interview mit einem Headhunter in Luxemburg über Skype. Die letzte Frage, die er mir stellte, war nach meinem Geburtsjahr. Als ich ihm das sagte, meinte er erstaunt: "Oh, fifty!".
Daraufhin ruderte er mit dem "nächsten Termin", der wegen seines italienischen Auftraggebers ursprünglich noch hätte im Juli stattfinden sollen, zurück. Und jetzt soll es Ende August/Anfang September weitergehen. Das ist offen für Interpretation. Aussprechen darf das ja niemand wegen Diskriminierung, aber man spürt es.
Wie überbrücken Sie die Wartezeit bis zum neuen Job?
Ich arbeite als Freelancer. Ich mache das nicht unfreiwillig, aber eine feste Anstellung wäre mir schon lieber, alleine wegen des Team-Gedankens.
Haben Sie den Eindruck, dass das Alter auch bei der Verteilung von Freelancer-Aufträgen eine Rolle spielt? Oder sind die Auftraggeber bei freien Aufträgen entspannter?
Hier habe ich den Eindruck, dass die Erfahrung und die damit einhergehende Flexibilität im Vordergrund stehen. Das Praktische an einem Freelancer ist ja, dass er in der Regel sofort loslegt - ohne groß "Betreuung" zu benötigen.
Allerdings reagieren die jüngeren Mitarbeiter manchmal etwas irritiert, wenn sie einem älterem Kollegen Aufgaben geben sollen.
Gibt es auch als Freelancer Honorareinbußen wegen des Alters?
Einbußen konnte ich bisher nicht feststellen. Grundsätzlich ist es aber so, dass viele Firmen über ihre Einkaufsabteilung ein Limit gesetzt haben, was sie als maximalen Tagessatz bereit sind zu zahlen.
Trauen die Unternehmen Ihren Weiterbildungsangeboten eigentlich nicht zu, die Lücke im Know-how ihrer Non-Digital-Natives zu schließen?
Das ist eine gute Frage, zu der ich eine zweigeteilte Antwort geben mag.
Einerseits sind die Weiterbildungsangebote breit gefächert und recht teuer. Die Firmen haben - dadurch, dass sie nicht recht wissen, was sie benötigen - keinen Durchblick und kein Gespür für die richtigen bzw. notwendigen Maßnahmen.
Zum Zweiten traut man dem Digital Native zu, dass er all das mitbringt, was man einem älteren Mitarbeiter nicht vermitteln kann.
Ihnen ist Ähnliches passiert? Sie können uns Ihre Geschichte erzählen: anja.janotta@wuv.de