Wie kommen Sie an neue Aufträge?

„Kalte Klinke“ funktioniert bei uns weniger. 80 Prozent meiner Aufträge sind Folgeaufträge, der Rest erfolgt durch Weiterempfehlung. Mitunter kommen auch Anfragen über Unternehmensberater, Anwälte oder Wirtschaftsprüfer, die eng mit Unternehmern arbeiten. Diese Berufsgruppen sind Multiplikatoren für mich.

Wo finden Sie die geeigneten Leute?

Jede große Suche teilt sich in drei Bereiche: Zunächst einmal nutze ich bestehende Kontakte im inzwischen mittleren fünfstelligen Bereich. So eine Anzahl kommt nicht von heute auf morgen zustande, das wächst über die Jahre. Die Qualität der Kontakte zeichnet sich durch ihren Informationsgehalt aus. Neben privaten Kontaktdaten finden sich dort Infos, die Xing garantiert nicht kennt. Welchen Eindruck haben wir aus bisherigen Projekten und Interviews? Wie sind die Gehaltsvorstellungen?  Würde der Kandidat für den Job umziehen?,  und so weiter. 

Der zweite Bereich sind die Empfehlungen und unsere Watchlist. Wenn man ein und denselben Namen mehrfach hört, dann kann man auch davon ausgehen, dass der was taugt. Der dritte Bereich ist die Suchbrille, also die Identifizierung  von neuen Kandidaten.

Welche weiteren Recherchemöglichkeiten nutzen Sie dafür?

Wertvolle Quellen sind für mich als Headhunter im Medienbereich auch Artikel und Impressi von Zeitungen und Zeitschriften. Außerdem hinterlassen Menschen Spuren im Netz. Über wichtige Menschen wird geschrieben, sie halten Vorträge, sitzen auf Panels. Mitgliederverzeichnisse von Verbänden helfen auch, Zielfirmen und Zielpersonen zu finden. 

In Ihrem Netzwerk befinden sich mehrere zehntausend Namen. Wie hält man denn da den Kontakt?

Berater sind Besucher mit hoher Reiseerfahrung (lacht). Ich bin jede Woche mehrmals in allen Teilen der Republik unterwegs. Ich reise meist nicht nur für einen einzigen  Termin an, sondern checke gleich, wen ich vor Ort außerdem für ein kurzes Gespräch treffen könnte.

Wie viel Zeit vergeht von der ersten Kontaktaufnahme durch das Unternehmen bis zum Abschluss?

Meine schnellste Vermittlung hat 30 Minuten gedauert. Aber üblicherweise dauert ein Vermittlungsprozess etwa zwei bis sechs Monate. Es kann aber auch passieren, dass sechs bis 12 Monate bis zur Vertragsunterzeichnung vergehen. Vor allem dann, wenn der Kandidat im letzten Moment doch absagt und die Suche von vorne beginnt.

Einmal hatte ich einen Zwölfender, einen so genannten Topkandidaten, bei dem alles gepasst hat. Der wurde neunmal zum Gespräch eingeflogen, unter anderem weil ein Abendessen auch mit der Verlegergattin gewünscht war, ein andermal sollte der Kandidat eine Bergwanderung mitmachen. Da hilft dann nur noch cremig halten.

Wie bitte?

Das heißt nichts weiter, als den Kandidaten bei Laune zu halten.

Diskretion gilt in Ihrem Job als das höchste Gebot. Wie gewährleisten Sie diese?

Wir arbeiten zum Beispiel ausschließlich mit Festangestellten. Solch sensiblen Daten und Vorgänge kann man nicht nach draußen geben. Außerdem beschäftigen wir nur Vollakademiker. Denn schon die erste Kontaktaufnahme muss sitzen. Der Angesprochene soll nicht das Gefühl haben, mein Mitarbeiter hätte vor kurzem noch in einem Callcenter gesessen und Handyverträge verkauft.

Wie klopfen Sie die fachliche Qualifikation der Kandidaten ab?

Es gleicht einem Mosaik mit vielen Steinchen: Wir checken natürlich den Lebenslauf nach Inhalt und Aufbereitung. Wichtig sind auch die Referenzen und der persönliche Eindruck. Die Sprüchlein aus den Jobratgebern, die jeder kennt, verfangen nicht. Und kein Kandidat kann sich durch das ganze Gespräch durchlügen.

Die Diskussion über das Scannen des privaten Facebook-Accounts dagegen finde ich oft übertrieben. Früher gab es noch kein Fotohandy. Da haben Vertriebsleiter an der Bar auch Dinge getan, die besser niemand erfahren hat. Da sollte man die Kirche im Dorf lassen. 

Dagegen wundere ich mich schon, wenn unsere Researcher oder Kollegen am Empfang sagen: Komisch, bei dir ist der Kandidat Zuckerschnute, bei mir war er Schnösel. Entscheidend ist letztlich das Gesamtbild.

Wie häufig kommt es vor, dass Sie Kandidaten für einen Posten suchen, dessen aktueller Inhaber noch nicht weiß, dass er ersetzt wird?

Die Hälfte meiner Suchen läuft verdeckt. Dazu gehört auch, dass ich für das Unternehmen anonym vorfühle, ob es überhaupt geeignete Nachfolger gibt.

Headhunter haben im Allgemeinen keinen so guten Ruf. Manche gelten als zynisch und nur auf ihren Profit aus.

Die Berufszeichnung ist nicht geschützt und so tummeln sich in dem Revier auch ein paar komische Gesellen. Es kommt nicht so selten vor, dass einer mit 55 aus dem Job aussteigt und sich denkt, ach, da kann ich noch schön zehn Jahre als Headhunter überwintern. Es ist wie beim Fußball: Die Regeln kapiert jeder, aber es ist schon ein Unterschied, ob ich in der Champions League oder in der Kreisliga spiele.

Wer seinen Job ordentlich machen will, muss mehr haben als ein gut gefülltes Telefonbuch. Ich habe damals beispielsweise noch einen internationalen MBA in Organisationsberatung aufgesattelt. Erfahrung und Bauchgefühl helfen viel, dürfen aber Professionalität in Methodik und Diagnostik nicht ersetzen.

Und am Ende jeder Suche winkt das große Honorar. Wie viel lassen sich Unternehmen Ihre Arbeit kosten?

Wir nehmen einen bestimmten Prozentsatz des ersten Bruttogesamtjahresgehalts. Und unsere Suchen beginnen für Positionen ab ca. 120.000 Euro. Bezahlt wird in Tranchen. Bei der Vergabe und Abstimmung der Longlists, bei der Vorstellung der Kandidaten und schließlich nach der Vermittlung. Wir arbeiten auf Wunsch auch mit einem Festhonorar.

Das bietet sich an, wenn ein neues Geschäftsfeld erschlossen wird und man noch nicht weiß, ob der Markt diese Kandidaten im Moment überhaupt hergibt. Deshalb setzen wir immer ein Mindesthonorar an, um die Grundkosten für einen professionellen Search zu decken.

Rein erfolgsabhängig arbeiten wir dagegen nicht. Denn hier besteht die Gefahr, dass ein Kandidat plötzlich doch viel besser wird, als er eigentlich ist.


Autor: Lisa Priller-Gebhardt

Sie schreibt als Autorin überwiegend für W&V. Im Zentrum ihrer Berichterstattung steht die geschwätzigste aller Branchen, die der Medien. Nach der Ausbildung an der Burda Journalistenschule schrieb sie zunächst für Bunte und das Jugendmagazin der SZ, Jetzt. Am liebsten sind ihr Geschichten der Marke „heiß und fettig“.