Erste Studien:
Corona: Steigt oder sinkt das Vertrauen in die Medien?
Ist seit Beginn der Krise die Wertschätzung des Journalismus gewachsen? Die Reichweitengewinne vieler News-Sites könnten dies nahelegen. Möglicherweise handelt es sich aber um einen Trugschluss.
Gleich zu Beginn der Coronakrise verzeichneten die Nachrichtenmedien einen enormen Reichweitenanstieg. Insbesondere Fernsehsender sowie die Websites von Tageszeitungen und Zeitschriften profitierten vom plötzlich gestiegenen Informationsbedürfnis vieler Menschen: Die Zuschauer- beziehungsweise Nutzerzahlen schnellten in die Höhe, mehrere Verlage meldeten einen signifikanten Anstieg bei der Zahl der Digital-Abonnements, zum Teil zusätzlich beflügelt durch günstige Einstiegsangebote.
Doch wer den enormen Reichweitenanstieg mit einer wiederkehrenden Wertschätzung des Journalismus gleichsetzt, unterliegt möglicherweise einem Trugschluss, geboren aus dem Wunschdenken mancher Journalisten. Denn die gegenwärtige Corona-Berichterstattung könnte – berechtigt oder nicht – sogar das Vertrauen in die redaktionelle Berichterstattung weiter erschüttern.
Zwei erste Umfragen, die zwar begrenzte Aussagekraft besitzen und eher Momentaufnahmen darstellen, deuten jedenfalls in diese Richtung. So eine Online-Erhebung des britischen Branchendienstes Press Gazette. Die Frage hierbei lautete: "Glauben Sie, dass seit Beginn der Covid-19-Pandemie das Vertrauen in den Journalismus zugenommen hat?"
1068 Personen haben im Zeitraum vom 7. bis 14. April an der nicht repräsentativen Befragung teilgenommen. 513 Teilnehmer (48 Prozent) antworteten mit "Nein, es hat abgenommen". Ein Drittel (353 Teilnehmer) waren der Meinung "Ja, es hat zugenommen" und 198 Teilnehmer (19 Prozent) antworteten mit "Nein, es hat sich nicht verändert".
Dieses Ergebnis ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Website des Branchenmagazins fast ausschließlich von Beschäftigten der Medienindustrie frequentiert wird. Offenbar sehen viele Medienleute die redaktionelle Berichterstattung zur Coronakrise selbst durchaus kritisch.
Medien eine "eklatante Ausnahme"
Die zweite Umfrage stammt von der zur Publicis Group gehörenden Beratungsfirma für strategische Kommunikation Kekst CNC mit jeweils tausend Befragten in den USA, Deutschland, Großbritannien und Schweden. Durchgeführt wurde sie im Zeitraum vom 30. März bis 3. April, die Fehlerquote liegt bei plus/minus 3,3 Prozent.
"Während die Menschen es eher positiv sehen, wie verschiedene Branchen und Organisationen auf den Ausbruch der Pandemie reagiert haben, gibt es mit den Medien eine eklatante Ausnahme. Wir haben seit Beginn der Krise einen substanziellen Rückgang beim allgemeinen Vertrauen gegenüber den Medien in allen untersuchten Ländern beobachtet", heißt es in einer Mitteilung zu der Studie.
An deutlichsten ist dieser Vertrauensverlust in Großbritannien und Schweden ausgeprägt mit einem Minus von jeweils 21 Prozent, in den USA sind es minus 14 Prozent. Deutschland schneidet mit einem Minus von "nur" acht Prozent dabei noch am besten ab.
News-Müdigkeit setzt ein
Zudem zeichnet sich noch ein weiterer Trend ab: Vor allem in den USA nimmt bei den Onlinenutzern das Interesse an Berichten zu Covid-19 wieder merklich ab. Anfang März machten die Corona-Berichte ein Viertel aller Page Views auf amerikanischen News-Websites aus. Inzwischen, so zeigen Daten der New Yorker Werbefirma Taboola, ist der Traffic auf den Sites nahezu wieder auf den Level vor Ausbruch der Krise zurückgekehrt.
"Dieses Muster haben wir schon zuvor beobachtet", heißt es in einem Beitrag zu diesem Phänomen auf der amerikanischen Journalismus-Site Niemanlab, so beispielsweise im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Klimakrise. "Dauerhaft hohe Aufmerksamkeitswerte sind nur schwer über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, wie wichtig das Thema objektiv ist."