Magazinjournalismus im Wandel:
Das Zeit Magazin zieht die Bilanz einer Dekade
Magazinjournalismus lebt, sagt Zeit-Magazin-Macher Christoph Amend. Sein persönlicher Rückblick auf die letzten zehn Jahre des Titels - und warum er inzwischen Social-Media-freie Sonntage braucht.
Der Neustart des wiederbelebten Zeit Magazins begann mit einem Schock. Zumindest für Chefredakteur Christoph Amend. Er erinnert sich, dass ihn Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo im Herbst 2006 zu einem Essen in einem japanischen Restaurant eingeladen hatte. Und ihm dabei wie nebenbei erklärte, dass das Lifestyle-Ressort "Zeit Leben" – das Amend damals leitete – eingestellt werden sollte. Als Amend vor Schreck fast den Suppenlöffel fallen ließ, erklärte ihm di Lorenzo auch den Grund: "Wir wollen das Zeit Magazin zurückholen."
Im Mai 2007 war es dann soweit: Das Zeit Magazin, das von 1970 bis 1999 erstmals erschien und dann pausierte, kehrte zurück. Jetzt, zehn Jahre nach dem zweiten Start, zieht Amend Bilanz – über wegweisende Ereignisse, die im Heft seither thematisiert wurden, aber auch über die Veränderungen im Magazin-Journalismus an sich.
Internationale Magazin-Klassiker
Die soeben erschienene Jubiläums-Ausgabe verknüpft beide Aspekte: Sie ist nicht, wie üblich, mit zwei Coverseiten ausgestattet, sondern mit zehn. Jedes zeigt das Cover eines anderen internationalen Magazins, das ein wichtiges Thema in einem der Jahre anteasert, beispielsweise das Time Magazine mit seiner Ankündigung des ersten iPhones im Jahr 2007.
Gerade das Smartphone hat eine starke Veränderung des Mediennutzungsverhaltens eingeläutet. Die klassische Magazinlektüre hat sich auch dadurch stark verändert, so Amend: "Wenn ich heute ein Magazin lese, mache ich etwas ganz bewusst: Ich lege das Smartphone weg."
Ohne Social-Media-freie Sonntage geht es nicht
Trotzdem sei die Magazinkultur keineswegs, wie so viele behaupten, am Ende, sagt der Blattmacher, der sich mittlerweile selbst "Social-Media-freie Sonntage" verordnet. Eine "so großartige Szene von Indie-Magazinen" habe es früher beispielsweise gar nicht gegeben. Man müsse aber stets am Ball bleiben.
"Wir fragen uns immer wieder: Können wir in Segmente gehen, in denen sich gerade viel verändert? So sind zum Beispiel unsere Stadtmagazine für Hamburg und München entstanden." Zugleich wird viel schrittweise getestet. "Beispielsweise unsere Männerspecials, die so gut ankamen, dass wir aus ihnen den Zeit Magazin Mann als eigenständigen Kiosk-Titel entwickelt haben."
Gefühl für neue Entwicklungen ist aber nicht alles. Auch ein Händchen für die richtigen Geschichten ist wichtig. Zu den Beiträgen, die in den letzten zehn Jahren am besten ankamen, zählen etwa "die Lebensgefühl-Reportage über den Bionade-Biedermeier, die Wiederentdeckung der 'Metropolis'-Originalfassung bis hin zur Dokumentation über Frauen, die Opfer der Terrororganisation Boko Haram wurden", so Amend. Was die Geschichten eint: "Sie treffen bei unseren Lesern einen Nerv."