Die Modejournalistin Carola Niemann will das ändern. Sie legte im Juni 2017 mit dem Onlinemagazin The Curvy Magazine los. Davor war sie für Modethemen unter anderem bei Playboy, Maxim, Allegra, Cover und Musikexpress-Style verantwortlich.

Ihr Onlinemagazin für kurvige Frauen hat so gut funktioniert, dass sie nun ein Hochglanzheft bringen kann - gemeinsam mit dem Kieler Verlag Ocean Global. Dahinter steht Alexander Lehmann, der den Verlag im Oktober 2001 gründete und sich mit seinen ersten Magazinen Nischensportarten (Kitesurfen, Segeln, Windsurfen) widmete.

2016 kam der Titel Materialist dazu (zusammen mit Thomas Garms), voriges Jahr schließlich lege Ocean Global das Männermagazin Matador neu auf (einst bei Bauer).

Am 9. Mai wird die erste Ausgabe der Curvy Magazine mit einer Druckauflage von 110.000 Exemplaren herausgebracht (Kiosk-Auflage: 80.000). 20.000 Exemplare werden über Kooperationen mit Onlineshops direkt an Kundinnen geliefert.

Das Plus-Size-Heft hat 164 Seiten und kostet 5 Euro. Niemann: "Ein wenig wollen wir die Vogue für die Plus-Size Zielgruppe sein." Untertitel des Hochglanztitels: #celebratethedifference.

Für Bekanntheit sollen Maßnahmen auf Facebook, Instagram und dem eigenen Magazin-Blog sorgen. Obendrauf kommen Kooperationen mit Curvy Influencern, Plus-Size-Marken und korrespondierenden Online-Plattformen sowie PR-Maßnahmen in TV und Print.

2018 sind drei Ausgaben geplant, ab Anfang Februar 2019 soll der Titel dann alle zwei Monate erscheinen. Rund 5000 Abonnenten möchte Ocean Global bis Ende 2018 gewinnen. Den Vertrieb übernimmt die VU Verlagsunion KG, eine Tochter der Bauer Media Group, die auch das Männermagazin Matador verteilt.

Was die Macher auszeichnet

Herausgeber Alexander Lehmann, Ocean Global.

Herausgeber Alexander Lehmann, Ocean Global.

Alexander Lehmann ist ein Afficionado: Er glaubt an Print. Obwohl die Rahmenbedingungen nicht einfacher werden. Er setzt auf die Nische, "auf Special-Interest mit relevanten Inhalten für die jeweilige Zielgruppe". Dieses Rezept möchte Lehmann nun mit The Curvy Magazine umsetzen.

Als Frauen- bzw. Modetitel gehört das Magazin nur bedingt in die Nische - weshalb der Verleger hier überdurchschnittliches Potenzial hinsichtlich der Vermarktung sieht.  

Denn: Schmale Frauen mit Kleidergröße 34 finden sich zwar zuhauf in den Medien - Frauen mit Kleidergrößen ab 42 sind es dann, die die vorgeführten Kleidungsstücke kaufen sollen. Laut Statista haben über 60 Prozent der deutschen Frauen eine Kleidergröße ab 42.  Auch jüngere Frauen: Die Onlineleserinnen des Curvy Magazine sind überwiegend 25 bis 34 Jahre alt (37 Prozent), je gute 20 Prozent steuern die Altersgruppen 18 bis 24, 35 bis 44 und 45 bis 65 Jahre bei.

Lehmann: "Rund 10,2 Millionen Frauen zwischen 20 und 49 tragen die Kleidergröße 42+. Da kann man kaum von Nische sprechen."

Die wirtschaftliche Seite

Mitbewerber im Segment gibt es - zumindest in Print - praktisch keinen. Darum meldet Ocean Global hinsichtlich der Vermarktung "äußerst positive Resonanz".

Erste Plus-Size-Marken sowie "vertikale Key-Accounts, die Plus-Size-Mode führen", sind bei der ersten Ausgabe dabei (1/1 4c kostet 17.800 Euro). Lehmann: "Wir sind auf offene Ohren gestoßen. Nicht selten kam als Reaktion: 'Na endlich'."

"Ein Kritiker meinte etwas abschätzig zu mir, ob ich jetzt die Vogue für Dicke mache. Ich empfand das als Kompliment."

Zitat: Carola Niemann, Chefredakteurin The Curvy Magazine

Möglichen Anzeigenkunden sei die Lücke im Zeitschriftenregal ebenfalls aufgefallen; daher ist Herausgeber Lehmann optmistisch, "dass das Konzept angenommen wird. Die Einzigartigkeit macht es deutlich einfacher. Und es gibt mittlerweile nicht wenige Marken, die sich auf Plus-Size-Größen spezialisiert haben, jedoch ohne Printmedium darstehen."

Die Verlagsankündigung macht das Bekenntnis zu üppigeren Formen deutlich: "Das, was man im Heft sieht, können Frauen mit einer Konfektionsgröße bis 62 tragen. Es soll nichts verhüllt, sondern in Szene gesetzt werden." Dafür steht unter anderem Covermodel Angelina Kirsch, die die Erstausgabe schmückt. Weil Frauen keine Lust mehr haben, sich in ein Mode-Korsett zu zwängen, sagt Chefredakteurin Niemann.

"Ein entspanntes und vielfältiges Körperbild vermitteln"

Carola Niemann, Chefredakteurin des Curvy Magazine.

Carola Niemann, Chefredakteurin des Curvy Magazine.

Chefredakteurin Carola Niemann zum Heftkonzept: "Das Potenzial sehen wir ganz klar darin, dass wir das modische Angebot für kurvige Frauen lektorieren und sie beraten. Die Frauen wollen heutzutage mehr Vielfalt sehen und die Nachfrage ist sehr groß. Daher wird es Zeit, dass es auch ein entsprechendes Magazin dazu gibt." Einige Fragen seien ihr gestellt: 

Wie lief es mit dem Onlinemagazin The Curvy Magazine?

Wir haben The Curvy Magazine im Juni 2017 als Onlinemagazin gestartet. Zum Launch hatten wir im ersten Monat noch nicht einmal 1000 Nutzer. Mittlerweile haben wir über 215.000 Seitenaufrufe pro Monat. Zudem besuchen unsere Leser im Durchschnitt fünf Seiten pro Sitzung und wir können eine Absprungrate von 0,33 Prozent vorweisen.
 
Was ist der Vorteil eines "curvy" Frauenmagazins für Frauen, die nicht Konfektionsgröße 36 tragen?

In erster Line wollen wir ein entspanntes und vor allem vielfältiges Körperbild vermitteln. Frauen mit Kurven empfinden sich oft als ungenügsam. Doch sie sind genau richtig, so wie sie sind. Es gab schon immer von Natur aus schlanke Frauen und es gibt eben auch Frauen, die von Natur aus runder sind. Diese haben trotzdem das Gefühl, dass sie sich immer einem vorgegebenen Modediktat beugen müssen, oder sogar hungern sollten, um diesem zu entsprechen.

Wir zeigen Frauen, die ihren Körper so akzeptieren, wie er ist, und diesen als Model bereits in der Öffentlichkeit präsentieren. Das unterstreichen wir mit einer positiven, optischen wie inhaltlichen Umsetzung. Und wir wollen die Vorurteile aufheben, dass dicke Frauen faul und unsportlich sind.

Was sagen Sie Kritikern, die einwenden, dass auch kurvige Frauen lieber schlanke Models in Magazinen sehen, und sich am Kiosk vielleicht nicht trauen, durch den Kauf eines "curvy" Heftes auf ihre Rundungen aufmerksam zu machen?

Ganz einfach: Die Zeiten haben sich geändert und solche Aussagen sind gestriges Denken. Es gibt schon länger die #bodypositive-Bewegung, wie man in den sozialen Netzwerken sehen kann. Diese bezieht sich nicht nur auf verschiedene Körperformen, sondern auch auf die Hautfarben und das Alter. Dadurch ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden. Frauen haben keine Lust mehr auf das bestehende Mode-Korsett und wollen sich lösen und die Vielfältigkeit feiern. Wir machen ein Magazin, das absolut positiv belegt ist und genau dieses Gefühl vermittelt.

Wie setzen Sie das konkret im Heft um?

Das schaffen wir durch hochwertige Bildsprache. Zudem haben unsere Models im Durchschnitt all Größe 44 und wir glauben, dass eine Frau mit einer größeren Größe sich eher darin sieht als bei einer Frau mit Kleidergröße 36. Wir sorgen also für eine realistische Spiegelung des Idealbildes, das erstrebenswerter ist, und ermutigen dazu, dieses Selbstbewusstsein zu präsentieren.
 
Das Heftkonzept sieht Themen vor, die nicht zwingend mit der Kleidergröße zu tun haben, etwa Reise, Wohnen, Interviews, Psychologie. Wie ist die Haltung des Magazins zu diesen Themen im Unterschied zum klassischen Frauentitel?

Kurvige Frauen sind normale Frauen. Emotionale Themen sind bei allen Körpergrößen gleich, egal ob Beauty, Reise oder Wohnen. Im Bett unsicher sein ist kein Monopol von kurvigen Frauen! Wir wollen das Rad ja auch nicht neu erfinden und sind grundsätzlich ein klassisches Frauenmagazin - nur eben mit ein paar Kilos mehr.

Unsere Leserinnen sollen sich inspiriert und unterhalten fühlen, Tipps in allen Lebenslagen bekommen – nicht nur, was das Gewicht betrifft. Bei den Servicethemen - vor allem in der Mode - gehen wir natürlich eher darauf ein. Wollen aber zeigen, dass auch kurvige Frauen alles tragen können, was es in den herkömmlichen Magazinen zu sehen gibt. Den Unterschied sieht man nur in der kurvigeren Bildsprache.   
 

"Herzblut und Leidenschaft"

Das kündigt Niemann an. Das braucht es aber auch, denn das Kernteam hinter The Curvy Magazine ist erst einmal ein kleines, bestehend aus vier Machern. Hinzu kommen aber freie Redakteure. Niemann: "Mit der Printausgabe ist unser Team mittlerweile um zehn Mitarbeiter gestiegen. Darauf sind wir sehr stolz!" 

Worauf genau, das sehen Sie auf diesen Beispielseiten in der Bildergalerie.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.