Medientage München: Google zieht in die Debatte ein
Auch wenn der Mediengipfel bei den Medientagen München erneut von der Gebührendebatte geprägt ist: Das Wissen um Google und Facebook als gefährliche Konkurrenz setzt sich jetzt endlich durch.
Die Elefantenrunde 2011 – vom neuen Moderator, „WiWo“-Chefredakteur Roland Tichy zärtlich „Frühschoppen“ genannt – verzettelt sich zwar auch auf den 25. Medientage München erst einmal in der Gebührenfrage. Neu ist nicht die Debatte, aber die Schärfe der Diskussion, die Tichy weniger humorvoll als sein Vorgänger Helmut Markwort dirigiert, dafür aber sehr informiert, sachlich und kritisch.
RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt sagt nach zehn Jahren Debatte auf den Medientagen zum Auftakt: „Sparen bei ARD und ZDF – das heißt, die Steigerung im Kostenbudget von Jahr zu Jahr prozentual niedriger darzustellen.“ Sie greift auch die Politik an, die es einfach nicht geschafft habe, einen Rahmen für das öffentlich-rechtliche System und deren Expansionswillen zu schaffen. Die Gerichte, die beispielsweise gerade die Klage der Verleger gegen die „Tagesschau“-App der ARD zu verhandeln hätten, würden daher keine Richtlinien vorfinden. Generell tritt sie für eine neue Medienordnung ein: "Die aktuelle Rundfunkordnung entspricht überhaupt nicht mehr der Medienwelt, in der wir heute leben."
Auffallend: Jürgen Doetz, Präses des Privatfunkverbandes VPRT und Cheflobbyist der Kommerziellen, wird dieses Jahr persönlich. In Richtung des Noch-ZDF-Chefs Markus Schächter sagt er, dass die Content Allianz der Sender und Produzenten nicht der Expansion der Öffentlich-Rechtlichen diene – und endet beim geharnischten „Du, Markus musst das akzeptieren.“ Gegen den neuen BR-Intendanten Ulrich Wilhelm schießt Doetz die Spitze ab, dass dieser sich nur „geschickter“ als seine ARD-Kollegen auszudrücken vermöge.
Der Chef des Bayerischen Rundfunks hat zuvor als Beispiel für sorgsamen Umgang mit den Rundfunkgebühren vorgeschlagen, die Talk-Show-Offensive des Ersten mit Auslaufen der ersten Verträge der inzwischen fünf Ausgaben pro Woche auf den Prüfstand zu stellen und zu analysieren, ob damit ein echter Mehrwert für den Zuschauer erzielt werde. Ein Vorschlag, dem ihm VPRT-Mann Doetz offensichtlich nicht abnimmt. Der neue BLM-Chef Siegfried Schneider bringt erneut den Vorschlag, mehr auf Sparen bei den Öffentlich-Rechtlichen zu drängen. Im Sportbereich sei Potenzial – bei Rechten ebenso wie bei den Übertragungen mit Doppelkapazitäten. Genervt schlägt Doetz schließlich vor, dass er die Politik wohl eher zum Handeln bringe, wenn er ein Zelt vor dem Kanzleramt aufschlagen würde.
Neu ist beim Mediengipfel, dass sich die Erkenntnis der neuen globalen Konkurrenz jetzt endlich durchgesetzt hat – auch wenn der angekündigte Google-Manager Philipp Schindler kurzfristig wegen seiner Beförderung und seines Wechsels in die Zentrale nach Kalifornien dieses Jahr nicht vor Ort weilt. So relativiert der ProSiebenSat.1-Manager Andreas Bartl den Wettbewerb im hiesigen Dualen System, indem er auf die neue und „unfaire“ Konkurrenz durch globale Internetkonzerne wie Google und Facebook hinweist. Er wünscht sich hier Hilfe durch die deutsche Ordnungspolitik. „Mit der bestehenden Medienordnung können wir nicht in die Zukunft gehen!“, mahnt TV-Manager Bartl an. Da der Wettbewerb schon ungleich genug sei, wäre allerdings ein Werbeverbot bei ARD und ZDF schon nötig, fügt der ProSiebenSat.1-Vorstand abschließend hinzu. Ebenso wie Schäferkordt sieht er die TV-Branche ganz gut für das Internet gerüstet - als Partner der Content-Industrie und als Anbieter diverser eigener Online-Angebote.
In einer denkbar schlechten Ausgangslage angesichts der neuen globalen Konkurrenz sieht sich Burda-Chef Paul-Bernhard Kallen. Das Printlager sei einfach nicht so locker wie andere Player, sagt er, man trage Steine im Rucksack. Er nennt das Beispiel, dass neben dem völlig unkontrollierten Internet ein deutscher Verlag beim Kauf einer Häkelzeitschrift von den Kartellbehörden gegängelt werde. Serviceplan-Chef Florian Haller teilt viele der Bedenken der Medienmanager und vergleicht Google mit einem "Bulldocer", dem man mit Regulierung nicht so einfach beikommen könne.
An der Stelle von Schindler bricht Google-Manager Stefan Tweraser mit deutlich österreichischem Unterton die Lanze für den weltweit tätigen Internetriesen. Man sei doch gar nicht so groß, versucht Tweraser zu relativieren. Dass ein Konzern wie Google nach den Spielregeln der bestehenden Medien arbeite, das passe wohl nicht ganz. Mit seiner ganz anderen Arbeitsweise kann sich der Konzern offenbar kaum das Korsett der Mediengesetzgebung überstülpen. Die Spielweise eines Internet-Unternehmens sei doch ein ganz andere. Datenschutz freilich sei wichtig - und hier spiele Google nach regionalen Regeln, versichert Stefan Tweraser.
Auf die Frage, was Google an einem übergreifenden eigenen TV-Angebot hindere, sagt der Deutschland-Manager: „Google TV ist die technische Plattform für die Settop-Box, wir sind kein Content-Anbieter.“ Es gebe kein Geschäftsmodell, dass es Sendern auf der geplanten Plattform erschweren würde, ihr Angebot zu verbreiten. Man wolle keine Werbung ausblenden – auch das sichert Tweraser den TV-Managern zu. Dankbar zeigt sich Tweraser auf Tichys Frage nach dem Konkurrenten Facebook - „da kann ich ja auch mal endlich jammern“, so der Google-Manager. Sollte Facebook sich besser vermarkten können, dann würde die Konkurrenz größer. Aber das Unternehmen wolle sich nicht am Konkurrenten orientieren, sondern vielmehr weiterhin am Bedürfnis des Users.