Mindshare/Deloitte:
Was die mobile Medienzukunft für die Mediaplanung bedeutet
Über einen Sensor im Smartphone könnte man Joggern Werbung für Fruchtsaft ausliefern. Zukunftsmusik? Die Mediaagentur Mindshare erklärt die Mediaplanung von Morgen. Und Deloitte hat untersucht, wie sich der mobile Markt entwickelt.
Die Zeitung, das Fernsehgerät und der PC haben viele und vor allem mobile Geschwister bekommen. "Multiscreen" verwirrt aber nicht nur so manchen Nutzer. Auch die Werbewirtschaft sieht sich mit den neuen Herausforderungen des Überall-Medienkonsums konfrontiert und stellt sich die Frage: Was bedeutet es für Marketing und für Mediaplanung, wenn die Medienkonsumenten künftig nahtlos zwischen den unterschiedlichen Devices und Plattformen hin- und herspringen?
Die Mediagentur Mindshare hat in einer Zukunftsbetrachtung drei Trends für die kommenden 20 Jahre herausgearbeitet, die die Mediaplanung verändern werden:
1. Medien werden Multi-Touch
Will heißen: Text, Video, Audio und andere interaktive Kanäle werden zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Medienlandschaft. Visuelle Elemente und Text werden sich zunehmend vermischen. Wir werden umgeben sein von Multitouch-Medien, wobei hochentwickelte Displays und "Begleit-Technologien” zum Einsatz kommen. Mindshare verweist hier unter anderem auf High-Tech-Gläser, die schlichte gläserne Oberflächen (Fenster, TV-Bildschirme, Spiegel, Tischplatten usw.) ersetzen und "uns ohne Device-Wechsel oder Medienbruch Realtime-Informationen liefern und uns stets vernetzt halten", so die Prognose.
2. Medien werden mobil
Die Mediennutzung über mobile Geräte steige sprunghaft an. Nun müssten die Medien selbst nachziehen. "Hier ist Umdenken angesagt, um die Medienerstellung maßgeblich auf mobile Devices auszurichten, wie Smartphones, Tablets und entsprechende andere mobile Geräte", fordert die Frankfurter Mediaagentur. "Und wir müssen uns Gedanken darüber machen, dass die Informationen künftig von den unterschiedlichsten Menschen in den unterschiedlichen Situationen genutzt werden", so Mindshare. Die Agentur stimmt Zukunftsmusik an - und beschreibt neue Technologien wie "Ohr-zu-Auge"-Displays, Blickrichtung-Tracking, 3D-Audio oder 3D-Video, Gestik und Berührung, die einen "neuen Typus der sozialen Vernetzung schaffen". Dadurch könnten die Menschen auf innovative Art und Weise zwischen physikalischer und digitaler Welt in Verbindung treten.
3. Medien werden datengetrieben
Marketers, postuliert Mindshare, brauchten einen "datenbasierten Ansatz und müssen ihre Aktivitäten auf die Interessen und Bedürfnisse der Verbraucher ausrichten". Die Herausforderungen dabei seien das Herausfiltern der richtigen Daten, deren intelligente Auswertung sowie die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Ein Beispiel führt Mindshare an: Das US-Trend-Institut MIT nutzt bereits Daten aus Mobiltelefonen, um die Bewegungsmuster für die Städteplanung einzusetzen.
Und die Folgen fürs Marketing? Mindshare hebt erst einmal die Chancen hervor: "Marken können ihre Konsumenten realtime mit personalisierten Botschaften ansprechen. In welchem Ausmaß, das hängt von der Art, der Qualität und der Quantität der verfügbaren Daten ab." Im Vordergrund steht für die Agentur deshalb das "Adaptive Marketing", das konsequente und stete Ausrichten der Produkte und Marken auf den Geschmack der Konsumenten. Das Bedeutende an "Adaptive Marketing” sei, dass diese Anpassungen dank der verfügbaren Technologie "nun in Echtzeit" möglich seien. Marketer müssten künftig kontinuierlich lernen, sich permanent an die sich verändernden Parameter anzupassen und immer "always on” zu bleiben.
Mindshare: "Es geht darum, die Momente zu identifizieren, in denen der Konsument besonders aufnahmebereit für die Markenbotschaften ist, beispielsweise wenn er beim Joggen stehen bleibt, um die Richtung zu überprüfen. Über einen Sensor im Smartphone könnte man ihm nun theoretisch Werbung für eine Fruchtsaftmarke ausliefern – mit der Richtungsangabe zum nächsten Händler." Der Schlüssel zum Erfolg seien Inhalte, die dem Verbraucher einen echten Mehrwert bieten. Die neuen Technologien könnten Marken dabei helfen, dem Medienwandel und dem sich ändernden Konsumenten auf der Spur zu bleiben.
Im vergangenen Herbst hat W&V Online über eine weltweite Studie der Agenturgruppe berichtet. Mindshare hat dabei soziokulturelle Trends analysiert und daraus Handlungsempfehlungen für Markenartikler abgeleitet. Aus der Tatsache zum Beispiel, dass Fernsehen und "Daddeln" mit dem Tablet verschmelzen, rät Mindshare, den Second Screen zur Interaktion mit dem Konsumenten zu nutzen. "Entertainment und Social Media wachsen mehr und mehr zusammen und werden von bestimmten Zielgruppen bereits als eins verstanden", erklärte der deutsche CEO Christian Scholz im Interview mit W&V. "Die Herausforderung an die Media-Agenturen besteht darin, diese unterschiedlichen Kanäle richtig zu orchestrieren und paid, owned und earned media im richtigen Verhältnis zueinander einzusetzen", so der Manager. Die Entwicklung gehe daher "weg von einer linearen Planung, hin zu einem adaptiven Planning-Ansatz".
Apropos Mobile: Zeitgleich zur neuen Mindshare-Analyse hat die Unternehmensberatung Deloitte mit "TMT Predictions" die Trends des Jahres für den Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbereich vorgelegt und postuliert: Der Markt für Smartphones, Tablets oder Konsolen sei weitgehend gesättigt – das starke Umsatzwachstum werde schon bald der Vergangenheit angehören. Einzig kleinformatigere Tablets und Wearables, also smarte Uhren und Brillen mit Navigations- und Augmented Reality-Funktionen, legen demnach noch zu – allerdings auf niedrigerem Niveau. Insbesondere Smart Glasses würden aller Voraussicht mittelbar einen Milliardenmarkt erschließen.
Nachdem die "Öllampen" quasi verteilt sind, sieht Deloitte neue Erlöse nun eher auf der Seite des "Öls": Premium-TV-Angebote. Immer mehr Verbraucher nutzten solche Dienste von mehreren Anbietern. Ende 2014 würden es weltweit 50 Millionen Haushalte sein. Das durch zusätzliche Abonnements generierte Umsatzvolumen liege schätzungsweise bei etwa fünf Milliarden US-Dollar. "In Deutschland verfügen in diesem Jahr rund zehn Prozent der TV-Premium-Kunden über mindestens zwei Abonnements, Ende des kommenden Jahres werden es 15 Prozent sein", so Deloitte. Die DVD sei dagegen auf dem Rückzug. Zwei weitere Prognosen für 2014: Eine Erfolgsgeschichte bleiben mobile Instant Messaging-Dienste wie WhatsApp. Weltweit durchsetzen würden sich 2014 virtuelle Arztbesuche.