Würden Sie immer noch sagen, dass Cambridge Analytica das Gehirn des digitalen Trump-Wahlkampfes war und eine wahlentscheidende Rolle gespielt hat? 

Ich glaube nicht, dass wir das jemals behauptet haben (Anm. d. Red: Cambridge Analytica bewirbt laut "New York Times" in Kunden-Prospekten neben ihrem Knowhow im psychografischen Targeting auch ihre "pivotal role" im Trump-Wahlkampf). Wir sind als Experten in einem wichtigen Wahlkampf hinzugezogen worden – auf einem Spezialgebiet, das Forschung, Daten und statistische Verhaltensvorhersage mit technologisch ausgesteuertem Targeting in digitalen Medien und Fernsehen verbindet. Diese Leistung haben wir geliefert und hoffen, dass sie den Mehrwert der Kampagne gesteigert hat.

Wie sieht die Datenbasis aus, mit der Cambridge Analytica den US-Wahlkampf begleitet hat?

In den vergangenen fünf Jahren haben wir viel Zeit und Geld investiert, um in den USA eine der größten Datensammlungen in privater Hand aufzubauen. Dazu zählen sowohl direkt erhobene Daten als auch Daten, die wir bei anderen Datenaggregatoren einkaufen, beispielsweise zu Einkommen, Konsumverhalten oder Lifestyle. Wir pflegen die Daten, indem wir Dubletten aussondern, und führen alle Informationen zusammen. Die Daten­basis umfasst mehrere Tausend individuelle Datenpunkte pro Person – mit Name, Adresse, Alter und weiteren Angaben, sodass wir in der Lage sind, von jedem Erwachsenen in den USA ein Profil zu erstellen.

Sind psychografische Profile auf Basis von Facebook-Likes Teil dieser Datensammlung?

Facebook ist eine sehr wichtige Social-Media-Plattform, über die man mit Zielgruppen in Kontakt treten kann, um Primärdaten zu erheben. Wir haben Facebook und andere Social-Media-Plattformen genutzt, um über eine Reihe von Fragebögen mehr über unsere Zielgruppen herauszufinden – zu Persönlichkeit, Konsumverhalten, Lifestyle oder politischen Einstellungen. Neben digitalen Plattformen nutzen wir auch Telefon- und Face-to-Face-Interviews.

Die "New York Times" hat mit Beratern der Republikaner, Wahlhelfern der Trump-Kampagne und (Ex)-Mitarbeitern von Cambridge Analytica gesprochen. Alle sagten, die Wirkung der psychografischen Analysen und die Rolle, die Ihre Firma im Trump-Wahlkampf gespielt habe, sei völlig überschätzt.

Die Tatsache, dass die "New York Times" ausgerechnet andere Berater der Republikaner nach ihrer Meinung über Cambridge Analytica befragt hat, ist an sich schon eine Demonstration ihrer Voreingenommenheit. Fakt ist: Der Markt für politische Beratung in den USA ist extrem wettbewerbsintensiv. Wenn eine britische Firma in den Markt eintritt und in kurzer Zeit einen beträchtlichen Marktanteil erobert, regt das einige der etablierten Firmen auf, die in den Jahren zuvor den Markt für sich alleine hatten. Wir pitchen um dieselben Kunden und Verträge. Es ist also keine Überraschung, dass diejenigen, die am wenigsten davon haben, wenn wir erfolgreich sind und am meisten zu verlieren haben, auch am meisten davon profitieren, wenn sie uns in den Medien schlecht machen. Es gibt nur eine Handvoll Microtargeting-Firmen auf republikanischer Seite, die auf einem vergleichbaren Niveau arbeiten. Und nur zwei oder drei Firmen haben Erfolge außerhalb der USA vorzuweisen.

Den großen Parteien in Deutschland stehen für Wahlkampagnen um die 20 Mio. Euro zur Verfügung – für alle Kommunikationsmaßnahmen. Müsste man die Budgets erhöhen, um sich Microtargeting leisten zu können?

Nein, es verhält sich vermutlich eher umgekehrt. Das meiste Geld wird bei Kampagnen für den Mediaeinkauf ausgegeben, unabhängig davon, ob sie politisch oder kommerziell sind. Heute fließt das Gros der Ausgaben noch ins Fernsehen, das im Vergleich zur ­Digitalwerbung ziemlich teuer ist. Verfolgt man im Gegensatz dazu einen datengetrie­benen Microtargeting-Ansatz, kann man sehr wahrscheinlich die Wirksamkeit der Kampagne steigern und gleichzeitig die Gesamtkosten reduzieren.

Cambridge Analytica als pure Luftnummer abzutun wäre nach Recherchen der angelsächsischen Presse wohl  doch etwas zu einfach - es gab irreführende Digital-Botschaften, um potenzielle demokratische Wähler vom Urnengang abzuhalten und widersprüchliche Aussagen zu der Rolle der Microtargetingfirma im Brexit. Im Interview in der aktuellen W&V-Ausgabe (W&V 36/2017, EVT 04.09.2017)  stellt sich CEO Alexander Nix den Widersprüchen rund um die Datenfirma mit den Verbindungen in die Alt Right-Szene und der Frage, welchen Auftrag Cambridge Analytica bei weiteren Wahlen in Europa verfolgt.

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Autor: Judith Pfannenmüller

ist Korrespondentin für W&V in Berlin. Sie schaut gern hinter die Kulissen und stellt Zusammenhänge her. Sie liebt den ständigen Wandel, den rauhen Sound und die thematische Vielfalt in der Hauptstadt.