Das Problem ist: Qualitätsstandards werden durch übertriebene Profitstrategien vernachlässigt. Und auch Businesspläne brauchen deutlich mehr Fantasie, besonders im Hinblick auf den Betrachtungszeitraum. Es ­fehlen nachhaltige Strategien, um neue ­Geschäftsfelder zu erschließen beziehungsweise es werden keine Budgets für die Erschließung neuer Erlösquellen bereitgestellt.

So geht der Prozess einer zukunftsorientierten und zielführenden Markenweiterentwicklung verloren. Dazu kommt: Sogenanntes Risikokapital existiert in der Verlagswelt eigentlich nur noch für digitale Projekte. Die unzähligen Fälle, die bis heute jegliche Kapitalrendite vermissen lassen, bleiben sehr gern unkommentiert. Es geht natürlich um die Weichenstellung der Zukunft, das gilt aber auch oder ganz besonders für die Sicherung der Marken, nämlich den Wert der Marke zu schützen.

Neue Erlösquellen ­aufzubauen ist gerade für Printmedien unverzichtbar. Zu stark entwickeln sich die Vertriebsmärkte zurück. Sich heutzutage auf eine Renaissance zu verlassen ist gewagt.

Fokus auf Kundenbindung

Damit ist aber nicht gemeint, Inhalte digital kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber auch Paid Content ist nicht realistisch, und ebenso tragen die digitalen Vermarktungserlöse wenig zu einer vielversprechenden Zukunft bei.

Die Basis ist ganzheitliches Denken. Und die Gleichung ist einfach: ­Sicherung der Bestandskunden und Gewinnung von Neukunden bedeutet Wachstum. Eine Kundenbindungsplattform sollte dabei ein geschlossenes System sein, das viele Werte vereint. Dazu gehören der Content, der E-Commerce-Shop mit speziellen Kondi­tionen für Mitglieder, verschiedene Angebote und Services sowie Merchandising und individualisierte Inhalte.

Gerade die Sicherung der Bestandskunden wird gnadenlos unterschätzt. Nach wie vor werden Neuzugänge stärker prämiert als treue Langzeitkunden. Bloß nicht aufwecken, sonst kündigen diese treuen Kunden Ihren Vertrag, warnen die Direct-Marketing-Profis.

Prinzipiell ist Kundenbindung aber wichtiger als das Neugeschäft. Nur wenn die Kundenzufriedenheit hoch ist, kann das Neugeschäft die Ergebnisse relevant verbessern. Natürlich ist das vorhandene Markendehnungspotenzial die Basis, aber die Chancen der Kundenbindung werden meist eher unterschätzt. Obwohl es hier unzählige Anreizsysteme gibt – von der Bonus- bis zur Kundenkarte, Punktesysteme als Kaufbelohnung und vieles mehr.

Mehrwert für den Kunden schaffen

Zweifelsohne ist das Medienprodukt schwer mit anderen Branchen vergleichbar. Denn Medien sind nicht zwingend lebensnotwendig, aber sie sind faszinierend und haben ein großes Renommee. Im Verlagsbusiness muss der Begriff "Abonnement" verschwinden. Abos sind ohne Zweifel die wichtigste Säule und können durchaus auch zukünftig von sehr relevanter Bedeutung sein. Dabei darf dieses Tool aber nur ein Zugang zu vielen relevanten Services sein.

Bei allen Kundenbindungsprogrammen lautet die wesentliche Frage: Was ist relevant, was bindet, was schafft Mehrwert? Und was ist für den Kunden von entscheidender ­Bedeutung, auch im Vergleich zum Wett­bewerb? Tatsächlich ist der unmittelbare Treiber, nämlich der objektive Nutzen, nur ein Teil davon. Ebenso entscheidend sind Statussymbole – wenn sie nicht sogar den Unterschied ausmachen. So sind Lufthansa-Meilen gut, oder dass Vielflieger ihre Meilen in Produkte umwandeln können. Die Senator Card an der Aktentasche macht Freude.

Ein Konzept zu schreiben und eine technische Plattform anzubieten ist inzwischen Standard. Die Herausforderung liegt aber in der Umsetzung. Das heißt in der Akquisition der Partner, die ein solches System zum Leben erwecken und unverzichtbar machen. Medien haben hier einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Oftmals bestehen ­bereits durch das Werbebusiness Verbindungen, die genutzt werden können.

Die Grundlage muss aber auf der Kern­kompetenz der Marke bestehen. Im Medienbereich können redaktionelle Kompetenzen genutzt werden. Qualitätsunterschiede sind bekannt und können differenziert werden. In diesem geschlossenen System geht es nicht um verbilligte Angebote, es geht vielmehr darum: "Was kann ich nicht sowieso kaufen?" Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. In diesen Zeiten wollen sich Marken mehr denn je unterscheiden und von der Masse abheben. Entsprechend muss das Angebot ausgerichtet sein.

Das gilt auch für bereits bestehende Tools. So bietet zum Beispiel das Eventprogramm vieler Medienkonzerne, wo sich meist Topentscheider allein unter Ihresgleichen langweilen und Compliance-Richtlinien die Teilnahme oftmals verhindern, durchaus große Attraktivität für die Kundenansprache. Ebenso können Lizenzmodelle sehr spannende Merchandising-Produkte liefern, die ebenfalls ohne Risiko einen Mehrwert versprechen.

Aus der notwendigen Investition kann sich schnell ein vielversprechendes Erlösmodell entwickeln, von dem wichtige Marktpartner und der Handel ebenso profitieren können.

Neue Erlösquellen, um zu überleben

Die potenziellen Verkaufsaussichten sind groß und können bei konsequenter Anwendung schnell Rendite bringen. Insgesamt wird so der Markenkern gestärkt, der Kunde vertraut seiner Produktwelt und liebt sie ­idealerweise. Sogenannte Trackingsysteme können in einem geschlossenen System eine sehr zielgenaue Aussteuerung vornehmen und interessensnah dem Mitglied sein individuelles Angebot zuspielen.

Wenn die Verleger also nicht unverzüglich ihr Markendehnungspotenzial analysieren und daraus eine neue zukunftsweisende ­Erlösstrategie entwickeln, werden sie mittelfristig der digitalen Transformation Tribut zollen müssen. Vertriebs- und Anzeigen­erlöse werden sich rückläufig entwickeln. Es braucht also nicht viel Weitsicht, um zu ­erkennen, dass neue Erlösquellen mit höchster Priorität dringend aufgebaut werden müssen.


Autor: W&V Gastautor:in

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