Die Rechnung geht auf: Tübingens Bürgermeister ist heute in allen Medien und im Social Web auf und ab vertreten. Er erntet viel Zustimmung - und ebenso viel Gegenwind. Die Darstellung von sechs Menschen, die mit der Bahn reisen, von denen er keinen kenne und nur einer "keinen Migrationshintergrund zu haben" scheint, ist für Palmer "erklärungsbedürftig", legt er in einem weiteren Facebook-Beitrag nach.

Die Deutsche Bahn regierte zunächst mit einen Tweet sowie in weiteren Social-Media-Kanälen:

Darüber hinaus heißt es: "Übrigens arbeiten bei der DB Menschen aus 100 Nationen. Das sind wir und dazu stehen wir."

Marketing- und PR-Chefin Antje Neubauer ergänzt die offizielle Postion der Bahn als Privatperson, unter anderem via Linkedin: "Herr Palmer, Sie machen mich sprachlos."

Auch Testimonial Rosberg hat sich geäußert.

Die Agentur Ogilvy schließt sich an - kurz und knapp mit der Forderung "no racism".

Testimonial Nelson Müller schreibt, er sei "tief bestürzt":

Die Vorlage Palmers nutzen unter anderem die Partei AfD und die Bild-Zeitung. Eine Zusammenfassung der Empörungswelle gibt der Politikberater Johannes Hillje (Grüne EU):

Die Parteispitze der Grünen distanziert sich von Palmers Aussagen. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner lobte die Kampagne der Bahn: "Die Bahn ist für alle da, und dass sie mit Vielfalt wirbt, begrüße ich", sagte er der dpa.

Boris Palmer ficht das nicht an. In einer ausführlichen Erklärung nimmt er zu seiner Kritik und der Welle der Aufregung Stellung. Mit Aussagen wie "Ich habe übrigens die Themen Herkunft und Hautfarbe gar nicht angesprochen. Das waren meine empörten Kritiker.".

Würde sich Boris Palmer die komplette Startseite der Bahn ansehen, hätte er übrigens feststellen können, dass die "weißen Männer" (und Familien scheinbar ohne Migrationshintergrund), die er im Sinne der Vielfalt vermisst hat, reichlich vertreten sind. (Motiv unten/Markierungen mit grünen Sternen von der Redaktion W&V montiert).

Komplette Webseite der Bahn.

Komplette Webseite der Bahn.

Die Bahn-Testimonials übrigens sind ungeachtet ihrer Hautfarbe gewöhnliche, wenn auch prominentere deutsche Staatsbürger. Was komplett egal wäre - in diesem Fall aber zeigt, dass Palmers optische Einordnung von Menschen nach ihrer Haut- und Haarfarbe einfach nur rassistischen Mustern folgt.

Fernseh- und Sternekoch Nelson Müller (im Bild ganz links zu sehen), Moderatorin Nazan Eckes (Mitte) und Rennfahrer Nico Rosberg (ganz rechts) - der einzige, den Boris Palmer offenbar als Testimonial ohne Migrationshintergrund identifizieren konnte, ist der Sohn einen Finnen und einer Deutschen und hat beide Staatsbürgerschaften.

Nach welchen Kriterien die Bahn sie ausgewählt hat? Kann Palmer im Bahn-Forum nachlesen. Da heißt es zum Beispiel (am 16. April) "Wieso arbeitet die Deutsche Bahn im neuen Werbespot mit Nazan Eckes zusammen? Als deutsche Fernsehmoderatorin und Mutter von zwei Kindern steht Nazan Eckes sowohl für Entertainment, als auch für Familie. Beides Eigenschaften, die auch für die Deutsche Bahn von hoher Wichtigkeit sind."

Antwort auf die gleiche Frage zu Nico Rosberg: "Nico Rosberg ist jung, sympathisch, bodenständig und verkörpert glaubwürdig das Thema Schnelligkeit. Damit ist Nico Rosberg ein authentischer Markenbotschafter und Sympathieträger für die Bahn."

Und zu Nelson Müller: "Nelson Müller ist ein kompetenter und erfolgreicher deutscher Gastronom. Er steht für gutes, qualitatives Essen und kann damit die neue Bordgastronomie sowie den neuen Service in den Zügen der Deutschen Bahn glaubwürdig präsentieren."

Nachtrag: Beim schwäbischen Sternekoch Müller hat sich Palmer per Facebook entschuldigt  - dafür, dass er ihn nicht erkannt habe. "Ich fühle mich als Schwabe wie Sie und mache da keinen Unterschied bei Herkunft oder Hautfarbe. Wir gehören alle dazu."

 


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.