In 2012 wurden in Deutschland bereits acht Prozent der gesamten Online-Spendings über Real-Time-Advertising (RTA) ausgeliefert (130 Millionen Euro). Für 2013 prognostiziert der Markt eine Steigerungsrate von jährlich etwa 75 Prozent. In der intelligenten Kombination von Technologien und Daten entstehen deutliche Mehrwerte für Kunden und Publisher. Real Time Advertising führt unbestritten zu effizienteren, schnelleren und transparenteren Planungs,- Preisfindungs- und Buchungsprozessen. Der deutsche Display Markt hat sich im internationalen Vergleich bisher zwar nicht als First Mover gezeigt, was den Einsatz von Real Time Advertising angeht, aber wir könnten schon bald ein Vorbild für andere Märkte sein, was das automatisierte Handeln von Premium-Inventar angeht."

Der deutsche Markt im Vergleich zu den USA

Thomas Promny, Internet-Investor (Velvet Ventures) und Veranstalter der d3con –Data Driven Display Advetising.(20. Februar in Hamburg)

"Das Thema bewegt Publisher und Advertiser in Deutschland derzeit sehr stark. Der echte Stand der Branche hinkt aber - wie immer - dem Enthusiasmus und den US-Vorbildern deutlich hinterher. Auf der Publisherseite sind mit Spiegel Online und Axel Springer erst seit kurzem die ersten größeren Player dabei, Erfahrungen mit automatisierter Vermarktung zu sammeln.

Auf der Advertiserseite sind ebenfalls die meisten Agenturen und auch Advertiser selbst noch kaum übers Retargeting hinaus gekommen. Da gibt es noch viel aufzuholen. Das grundsätzliche Interesse ist jedoch immens. Ich sehe das selbst nicht zuletzt auch daran, dass die diesjährige dritte d3con Konferenz mit 800 Teilnehmern so groß ist wie nie zuvor."

Die Rolle von Real-Time-Advertising in Deutschland. 

Katharina Meran, Country Manager Germany der amerikanischen Supply-Side-Plattform PubMatic.

"Die Nutzung von Real-Time-Bidding (RTB) und des automatisierten Marktes für die Vermarktung von Restplatz-Inventar ist ja bereits viel diskutiert. Entsprechend steigt die Nutzung. Für 2013 sagen wir allerdings auch ein starkes Wachstum der automatisierten Kaufabwicklung von Premium Inventar voraus, des sogenannten "Programmatic Premium". Der Handel solcher Werbeplätze kann auch innerhalb von Private Market Places stattfinden. Im Gegensatz zum offenen automatisierten Markt, können Publisher innerhalb eines solchen Private Market Place mit ausgewählten Käufern verhandeln und im Detail definierte Auktionen oder Deals aufsetzten, die dann auch Inventar mit einem höheren TKP beinhalten. Besonders von Premium-Publishern spüren wir hier sehr viel Nachfrage. Hier ist es besonders wichtig, dass es die Supply-Side-Platform (SSP) dem Publisher ermöglicht, seine allgemeine Verkaufs-und Preisstrategie, mit sämtlichen dazu gehörenden Business-Rules, so genau und granular wie möglich in den automatisierten Markt zu übersetzen. Programmatic Premium wird für viele Premium-Publisher der erste Schritt in den automatisierten Markt werden.

Gleichzeitig steigt auch der Anteil des Mobile Inventars massiv – auf der PubMatic-Platform haben wir zum Beispiel ein Wachstum an Mobile Ad-Impressions von 700 Prozent zwischen Q1 und Q3 2012 verzeichnet. Es ist daher für Publisher wichtig, dass sie jedes Werbemittel über alle Bildschirme hinweg mit nur einer Plattform optimieren können. Die Reichweite für Mobile Kampagnen wird erlangt indem man das Audience Targeting über Netzbetreiber, Gerätetyp-und Hersteller und Verbindungsart hinweg aufsetzen kann. Eine höhere Monetisierung wird ermöglicht indem man Private Market Places mit einer exklusiven Käufergruppe aufsetzen kann und auch dadurch, dass man Rich Media-und Videoformate schalten kann."

Die Zurückhaltung der deutschen Werbungtreibenden

Oliver Hülse, Managing Director DACH von Rocket Fuel, einem der großen US-Anbieter für Programmatic Media-Buying-Platforms auf der Nachfrageseite – sprich ein Anbieter für komplexe DSP- und Data-Lösungen mit 300 Mitarbeitern an 15 Standorten.

"Der Real-Time-Bidding (RTB) basierte Mediaeinkauf nimmt in Deutschland immer mehr an Fahrt auf. Trotzdem finden wir in vielen Fällen auf Agentur- sowie Direktkundenseite fehlendes Wissen vor und sind somit in der Entwicklung noch deutlich hinter US oder auch UK zurück. Derzeit werden die Möglichkeiten einer auf RTB basierenden Demand Side Platform (DSP) einschließlich Data Mining Plattforms (DMPs) nur eingeschränkt genutzt, so dass führende Unternehmen wie Rocket Fuel ihren vollen Mehrwert nur eingeschränkt aufzeigen können. Ich kann nur jeden digitalen Werbetreiber auffordern, sich mit den Möglichkeiten dieses Segmentes noch mehr auseinander zu setzen. Der immer gehegte Wunsch nach Transparenz, Zielgruppenanalysen, Effizienz ist nun gegeben - dies gilt es auch zur Optimierung von offline Maßnahmen zu nutzen."

Die derzeitigen Auswirkungen von Real-Time-Prozessen auf die Mediaplanung

Julian Simons, Geschäftsführer der Performance-Agentur Mediascale, München

"Real-Time-Advertising (RTA) wird in den kommenden 24 Monaten signifikant an Bedeutung für Agenturen und deren Kunden gewinnen. Vor allem wenn branding-orientierte Kampagnen über automatisiert angebotene Reichweiten gebucht werden. Dafür muss eine Anbindung an agentureigeneTargetingsysteme erfolgen, die auf unterschiedliche profilbasierte Zielgruppen aussteuern können und damit in den angebotenen Reichweiten streuverlustfrei selektieren können.

Heute passiert das nur sehr bedingt, weil die Qualität der Reichweiten in Bezug auf angebotene Formate und Umfelder in keiner Weise dem über direkten Einkauf gängigen Standards entspricht. Mit anderen Worten, die Qualität der Werbeplätze ist im Moment zu gering. RTA eignet sich daher im Moment nur als unterstützender Kanal für Targetingkampagnen oder als Quelle für überwiegend geringwertige Standardreichweiten für Kunden, denen die Art der Umfelder weitgehend egal ist.

Erster richtiger Ansatz in Deutschland ist das Angebot von Private Exchanges grosser qualitativ hochwertiger Publisher und Vermarkter wie etwa Interactive Media. Der Telekom-Vermarkter bietet bereits Reichweiten in einer geschützten Umgebung direkt den Agenturen an und verknüpft so den Vorteil des automatisierten und sogenannten Programmatic Buyings mit der Sicherheit der kontrollierten Reichweiten. Solche Modelle können durchaus dafür sorgen, dass RTA ein absolut relevanter Kanal für alle Agenturen und Kunden wird.

In Summe spielt die RTB-Mechanik heute noch kaum eine Rolle. Erst wenn die Nachfrage nach bestimmten Reichweiten über das Angebot hinaus geht, wird der RTB-Mechanismus relevant. Bei Standardreichweiten ist dies auf absehbare Zeit nicht der Fall und exklusive Reichweiten werden heute fast nicht angeboten. Der direkte Verkauf ist noch immer das für Publisher erlösträchtigere Modell. Hier kann in den nächsten 24 Monaten ein Shift hin zum Bidding erfolgen, jedoch nur, wenn Publisher hierdurch eine höhere Wertschöpfung als durch direkten Einkauf erwarten."

Die Zurückhaltung der deutschen Werbungtreibenden

Sacha Berlik, General Manager Europe von DataXu - eine sogenannte Programatic Marketing Platform, die auch über eine integrierte Demand-Side-Platform (DSP) und eine Data-Management-Platform (DMP) verfügt.

"Real-Time-Advertising (RTA), oder besser, Programmatic Marketing, verändert die Möglichkeiten der Agenturen massiv. Einerseits geht es um die Vereinfachung des Einkaufs aller digitalen Medien über ein einzelnes Dashboard (Display, Mobile, Video). Eine stand-alone Demand-Side-Platform (DSP) reicht eigentlich nicht aus – es geht nicht mehr nur um Einkauf. Es dreht sich um integrierte Plattformen, die DSP-Funktionalitäten aber auch DMP, also Data-Management, beinhalten. Die Vorteile wie Einsparungen und Effizienzsteigerungen liegen auf der Hand. Andererseits geht es um den effizienten Einsatz aller Datenpunkte, die vom Kunden im Laufe seiner vielen Kampagnen generiert werden. Sprich: Datamanagement. Beides zusammen, der Einkauf durch über eine DSP und das Data-Management durch die DMP revolutionieren den Mediaeinkauf, die Mediaplanung und auch die Marktforschung radikal. Diese Systeme werden nicht nur schnell komplex, sie erfordern auch ein Umdenken aller in der Wertschöpfungskette beteiligten Parteien."


Autor: Leif Pellikan

ist Redakteur beim Kontakter und bei W&V. Er hat sich den Ruf des Lötkolbens erworben - wenn es technisch oder neudeutsch programmatisch wird, kennt er die Antworten. Wenn nicht, fragt er in Interviews bei Leuten wie Larry Page, Sergey Brin oder Yannick Bolloré nach.