So einfach, so durchschaubar. Nachdem heftig.co als erster deutscher Nachahmer der amerikanischen Seite buzzfeed.com Ende 2013 an den Start ging, folgten in Blogs und Branchendiensten schnell die ersten Beiträge, die die "Erfolgsformel" hinter dem Clickbaiting (Klicks ködern) entschlüsselten. Es dauerte nicht lange, da warben auch deutsche Medien mit "heftigen" Teasern:

 "Falls ihr mal mutterseelenallein am Flughafen festsitzt – dieser Mann zeigt, was man da alles anstellen kann. Mit einer Handykamera, einem Rollstuhl, einer Rolle Klebeband und - Celine Dion. Ganz großes Kino!", kündigt bild.de ein Video an.

"Was macht man mit der Freiheit und den großen Talenten? Erfahrungen sammeln, auf Reisen gehen, das Leben auskosten. Das alles tat Valerian, und dann ging er einen Schritt zu weit", so beginnt der "Tagesspiegel" einen Nachruf.

Unter dem Hashtag #heftigstyle machen sich Twitter-User längst lustig über die durchschaubare Art der Klick-Schinderei: "Ein Mädchen besucht seine Großmutter. Du wirst nicht glauben, welche lebensbedrohliche Überraschung es da erlebt. #rotkäppchen #heftigstyle", twittert User Stefan Krombach. Und die Seite nervig.co ist sogar von A bis Z reine Parodie auf heftig.co – reißerische Teaser führen zu sinnlos-albernen Beiträgen.

Warum nervt der Heftigstyle? Aus zwei Gründen.

Erstens: Die Methode ist nicht gerade subtil – anders gesagt, sie ist allzu durchschaubar. Daher wirkt sie unglaubwürdig, wie eine billige Masche  – und das ist sie auch. Während professionelle Texter lernen, Superlative und emotionale Adjektive ("unglaublich", "hinreißend", "umwerfend") äußerst sparsam einzusetzen, gehören sie bei heftig.co zum Standard-Repertoire und nutzen sich schnell ab.

Zweitens: Häufig werden die Rezeptionsversprechen nicht eingelöst. Die behauptete – emotionale – Wirkung stellt sich nicht ein.

Trotzdem: Klick-optimierte Überschriften und Teaser funktionieren grundsätzlich. Wohl jeder hat sich schon zu solchen Klicks animieren lassen. Das beweist der Erfolg: "Heftig.co fast so stark bei Facebook & Co. wie Spiegel und Bild zusammen", titelt  der Branchendienst meedia.de im Mai. Mit nur 90 Beiträgen erreichte Heftig im April mehr als zwei Millionen Likes, Shares und Tweets und setzte sich damit an die Spitze der Liste "Deutschsprachige Medien nach Social-Media-Resonanz". 

Darum ist es kein Wunder, dass Social Media-Verantwortliche vom Kosmetiksalon bis zum Industriekonzern nun versuchen, auf den Zug aufzuspringen: Das müsste doch auch für unsere Zielgruppe, für unsere Kunden funktionieren?

Natürlich, das tut es. Der Heftigstyle ist schließlich nur eine Art der Verpackung, die fast jedem Inhalt übergestülpt werden kann. Nun wirkt es aber unfreiwillig komisch, Inhalte derart zu verpacken, die vermutlich beim Gros der Rezipienten keinerlei starke Emotionen auslösen.

Ein Beispiel: Eine Werbeagentur hat ein Kochbuch gestaltet und möchte das via Facebook verkünden. Also postet man einen Film vom Fotoshooting mit folgendem Teaser:

"Dieser Film ist unglaublich schön! Wer diese phantastischen Hors d’oeuvres in der Hauptrolle gesehen hat, wird nie wieder Geschmack an Fast Food finden!"

Wer dann auf den Link klickt, sieht einen professionell gedrehten Film, der aber eher nicht in der Lage ist, das Essverhalten der Rezipienten nachhaltig zu beeinflussen.

Zugegeben, das Beispiel war ausgedacht. Es gab aber tatsächlich ein Posting der Werbeagentur zu besagtem Film – und das driftet ins komplette Gegenteil. Es lautet schlicht:  

Making-of zum Fotoshooting für „KIKILLUS – das Kochbuch“ – dahinter folgt der Link.

Langweiliger geht es kaum mehr: Wieso sollte jemand auf diesen Hinweis hin Lebenszeit opfern und den Film anschauen? Wer sich auf den Facebook-Seiten vieler Unternehmen umschaut, entdeckt jedoch eine Vielzahl solcher Teaser: Beiträge, die erkennbar nur den Zweck haben, fürs Unternehmen zu werben und die Interessen der Nutzer völlig außer Acht lassen. Wo „heftig.co“ zu viel Wirbel um seine Links macht, machen viele Social Media-Beauftragte in Firmen zu wenig – selbst in Werbeagenturen, wie man am Kochbuch-Beispiel sieht.

Es gilt, einen eigenen Weg zu finden: Die Botschaft so verpacken, dass sie neugierig auf mehr macht, ohne die Nutzer dabei zu sehr mit Euphorie und Ekstase einzulullen. Wie geht das?

  1. Versetzen Sie sich in den typischen Nutzer. Was an Ihrem Inhalt interessiert ihn vermutlich am meisten? (Achtung: Das wird sich nicht unbedingt mit Ihrer Hauptbotschaft decken.)        
  2. Beginnen Sie Ihren Beitrag mit diesem Aspekt, oder konzentrieren Sie sich gleich ganz auf ihn.
  3. Verpacken Sie ihn verführerisch. Das englische „Teaser“ bedeutet nicht etwa "Vorspann" oder "Einleitung" – sondern "Lockmittel" oder "Aufmerksamkeitserreger". Aufmerksamkeit erregen Sie zum Beispiel mit einem Signalwort, mit einer Frage oder auch mit einem Versprechen, etwa der Aussicht auf eine nützliche Information, ein Schmunzeln oder unterhaltsame Bilder.
  4. Verraten Sie noch nicht alles, deuten Sie an.
  5. Geizen Sie mit Ausrufezeichen, emotionalen Adjektiven – und duzen Sie Ihre Leser nur dann, wenn Ihre Zielgruppe aus Kindern besteht oder das Du zur Unternehmensphilosophie gehört.

Wie könnte das im Falle des Making-of-Films zum Kochbuch funktionieren? Zum Beispiel so:

"Mit Essen verführen? Dieser Koch kann’s ... Sehen Sie selbst! Der Film entstand beim Shooting für unser neues Projekt: 'KIKILLUS – das Kochbuch'. Ab xx im Handel."

Auf diese Weise erreichen Sie Ihr Kommunikationsziel und machen die Nutzer neugierig. Sie versprechen etwas, aber nicht zu viel. Sie bauen einen persönlichen Draht zum Leser auf, ohne ihm plump-vertraulich zu begegnen.

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* Bernd Weber ist Diplom-Journalist und Gesellschafter und Geschäftsführer des Dortmunder Media Consulting Teams (MCT). Er coacht seit vielen Jahren Fach- und Führungskräfte in Kommunikationsaufgaben wie Texten, Reden schreiben, Rhetorik, Social Media und Öffentlichkeitsarbeit.


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Autor: W&V Redaktion

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