Verkauf, Teilschließung oder Schließung – der G+J Vorstand war zu all diesen Lösungen bevollmächtigt. Welche Strategie würden Sie für ein Blatt bevorzugen, das in seiner gesamten Geschichte nur Verluste eingefahren hat?

Das muss der Verlag entscheiden. Allerdings bin ich der Meinung, man sollte, wenn möglich, von Anfang an auf die Finanzierung durch Werbung verzichten. Bei cashkurs.com gibt es keinerlei Anzeigen. Die User zahlen monatlich eine Gebühr für ihr Abonnement und bekommen dafür unabhängig recherchierte Inhalte geboten. Ehrlich gesagt habe ich dieses kostenlose Modell nie verstanden – ich habe doch lieber nur 10.000 zahlende Kunden als im Endeffekt gar nichts im Geldbeutel, weil ich meine Leistung verschenke.

Welche Zukunft prophezeien Sie der deutschen Wirtschaftspresse?

Ich sehe eine große Gefahr für diesen Sektor. Auch andere Blätter werden es in Zukunft noch schwerer haben, sich zu finanzieren. Bei solchen Einschlägen – wie dem Ende einer Zeitung – steigt nun mal die Macht der Werbetreibenden. Eine Kürzung der Budgets geht immer zu Lasten der redaktionellen Beiträge.

Die "Frankfurter Rundschau" ist insolvent, der Jahreszeiten Verlag gibt sein Stadtmagazin "Prinz" auf, nun die Krise bei den G+J Wirtschaftsmedien – ist es überhaupt noch sinnvoll in Medienhäuser zu investieren?

Das kommt auf die Aufstellung des jeweiligen Hauses an und darauf, ob die einzelnen Publikationen auch noch wirklich im Interesse der Leser gemacht werden. Entgegen aller Kritik, dass man den Leser nicht zur Kasse bitten soll, habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Leser sehr wohl bereit ist, für gute Inhalte zu bezahlen. Beim Start von cashkurs.com 2009 bekamen wir viel Gegenwind der etablierten Profis, die Bezahldienste für nicht machbar hielten, doch ich war von dem Projekt überzeugt, und es funktioniert. Ich mache doch auch keine Kneipe auf, um dann mein Bier zu verschenken.

Setzen Sie überhaupt noch auf das gedruckte Medium oder beziehen Sie Nachrichten hauptsächlich online?

Bei mir hat sich eine Mischform durchgesetzt. Ich bin nach wie vor Zeitungsabonnent, aber aktuelle Informationen beziehe ich aus dem Netz. Kurze Berichte lese ich ganz gerne online, für längere setze ich eher auf Print. Meiner Ansicht nach hält sich eine solche crossmediale Nutzung auch langfristig.

Es habe zahlreiche Alternativen - reine Online-Ausgabe, umfangreichere Print-Ausgabe freitags und samstags - im Umgang mit der "FTD" gegeben, so heißt es. Wie sehen für Sie zukunftsfähige Konzepte aus?

Wenn ich dem Leser hochwertige Informationen zur Verfügung stelle, die ihm einen Mehrwert bieten, dann kann ich dafür durchaus einen Preis festlegen, schließlich ist dies auch ein hochwertiges und sehr zeitaufwendiges Produkt. Ich bin davon überzeugt, dass es sich in Zukunft in diese Richtung entwickeln wird - "Welt" und "Bild" machen es vor. Paid Content wird akzeptiert werden. Ein Konzept von freiwilligen Bezahlschranken wie bei der "taz" finde ich nicht realistisch. Anzunehmen, dass sich eine solche Lösung trägt, ist idealistisch. Außerdem halte ich das für einen ungerechten Ansatz. Was ist daran fair, wenn nur die gewissenhaften Leser für die Beiträge zahlen und andere nach wie vor die Informationen gratis beziehen?

Dirk Müller zählt zu Deutschlands bekanntesten Finanzexperten. Zu medialer Aufmerksamkeit und dem Spitznamen "Mister DAX" verhalf ihm sein langjähriger Arbeitsplatz an der Frankfurter Börse direkt unter der Anzeigentafel des Deutschen Aktienindex. Müller sieht sich selbst als "Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse". Als Buchautor und Betreiber der Plattform cashkurs informiert er allgemeinverständlich über das aktuelle Geschehen an der Börse und interessante Hintergründe des Wirtschaftssystems.

Das Ende der "FTD" und den Arbeitsplatzverlust bei 364 Kollegen hat auch der W&V-Schwestertitel "Kontakter" in seiner aktuellen Printausgabe (EVT: 26.11.) umfangreich begleitet. Beim Blick auf den harten Einschnitt zeigt sich dem Blatt zufolge, dass auch DuMonts Druckbereich unter dem Aus des Wirtschaftsblattes leiden dürfte. Für die Magazine "Impulse" und "Börse Online", die wie die "FTD" zu den G+J Wirtschaftsmedien zählen, könnte dem "Kontakter" zufolge ein Management-Buy-Out bevorstehen. Und: Das Magazin "Capital" indes könnte von Berlin aus zusammen mit dem "Business Punk" entstehen.... Mehr dazu im "Kontakter".