
Interview:
"Markenführung ist nicht rein Chefsache"
Markenführung heißt für viele, blindlings Buzzwords hinterherzujagen. Dabei sei gerade jetzt eine im ganzen Unternehmen einheitliche Strategie wichtiger denn je, so Experte Florian Bausch im Interview mit W&V.

Foto: Florian Bausch
Florian Bausch ist „Marketing-Mann“ durch und durch. Wichtige Stationen seiner bisherigen Laufbahn waren Positionen bei McCann-Erickson, Japan Tobacco International, Hilti, Rosenthal und Villeroy & Boch. Seit 2015 arbeitet Florian Bausch als Mitglied des Management Board bei Vorwerk flooring in Hameln und verantwortet als Chief Marketing Officer das Marken-Management, das Marketing sowie die Produktentwicklung. Zusammen mit Florian Bausch als Hauptautor hat W&V gerade den neuen W&V Report Markenführung veröffentlicht, wo Bausch seine umfassenden Praxiserfahrungen einbringt. Wir sprachen mit Florian Bausch, warum Markenführung nicht nur Chefsache ist und woran es bei vielen Unternehmen derzeit hakt.
Herr Bausch, Corona ist das beherrschende Thema. Auch in Unternehmen. Haben die Unternehmen gerade überhaupt Nerven, sich mit Markenführung zu beschäftigen?
Florian Bausch: Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Welt, so wie wir sie bisher kannten, ist durch Corona und die damit verbundenen Konsequenzen aus den Angeln gehoben worden. Die Menschen und deren Zugang zu kommerziellen Angeboten verändert sich, vor allem auch getrieben durch die voranschreitende Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten, alles und überall mit Computer, Tablet und Smartphone zu erhalten und erledigen zu können. Unsere Welt produziert in immer kürzerer Zeit immer mehr Angebote. Da den Überblick zu behalten ist unmöglich. Circa acht Millionen Markenanmeldungen im Jahr 2019 sowie rund sechs Milliarden Google-Suchen jeden Tag sprechen eine deutliche Sprache. Marken, die das begriffen haben, besitzen eine konsequente Markensignatur und sind ihren Zielgruppen darüber hinaus heute in einer authentischen Weise sehr nahe – analog wie digital. In dieser Situation sind glaubhafte Wettbewerbsdifferenzierung und täglich gelebte Konsequenz für mich die Schlüsselwörter.
Gelebte Konsequenz findet sich aber beileibe nicht überall. Woran hapert es in Unternehmen, wenn es um die Markenführung, die digitale Markenführung geht?
Florian Bausch: So, wie ich das wahrnehme, hapert es am perfekten Zusammenspiel aller Handlungen und Maßnahmen eines Unternehmens, vor allem aber am Zusammenspiel aus analogen und digitalen Handlungen. Markenführung heißt ja, dass sich das gesamte Unternehmen einer Strategie oder besser einer Markengeschichte konsequent verschrieben hat. Das bedeutet, dass wir in diesem Fall nicht nur über Marketing oder Vertrieb sprechen, sondern auch über die anderen Bereiche des Unternehmens. Markenführung ist nicht nur ein Thema für die Chefetage – Markenführung, die Markengeschichte, muss in der kleinsten Abteilung ankommen, heißt, sie muss auch überall im Unternehmen kommuniziert werden.
Klingt zumindest in der Theorie sehr einleuchtend. Nochmal nachgehakt: Woran scheitert es dann in der Praxis?
Florian Bausch: Anstatt erst einmal diese zu hundert Prozent funktionierende Markenstrategie bereit zu stellen, beschäftigen sich die Unternehmen mit zusätzlichen Themen, bestehend aus Modewörtern – Kunden-Zentrierung nur mal als Beispiel genannt –, welche viel versprechen, letztlich das grundsätzliche Thema – nämlich, wie spreche ich wirkungsvoll neue Kunden an oder baue bestehende aus – nur weiter verkomplizieren.
„Markengeschichte konsequent in allen Unternehmensbereichen praktizieren“
Sie haben bei Vorwerk den gesamten Prozess der digitalen Markenführung begleitet und Ihre Erfahrungen in den neuen W&V Report Markenführung eingebracht. Welche Antworten geben Sie und Ihre beiden Co-Autoren Michael Meier und Michael Ruhe auf die Frage nach der richtigen Markenführung?
Florian Bausch: Uns als Autoren war es zunächst erst einmal wichtig, dass nicht irgendein weiteres Fachbuch für das Thema Markenführung entsteht. Uns war es wichtig, dass wir einen verständlichen Leitfaden an die Hand geben, wie man Marken aufbauen und auch führen kann. Dabei kommen wir alle aus der Praxis mit langjährigen Erfahrungen bei national wie international bekannten Unternehmen. Der W&V Report Markenführung begreift das Thema ganzheitlich. Es geht nicht nur um das Führen einer Marke durch das Marketing, sondern vielmehr um das Führen einer Marke aus einer Markengeschichte heraus, welche sich, ich wiederhole mich hier sehr gerne, konsequent in allen Bereichen des Unternehmens auf strategischer und auf operativer Ebene abbildet. Der Report schlägt hierzu eine Vorgehensweise vor, weist aber auch deutlich darauf hin, dass alles Schall und Rauch ist, wenn sich die Vorgaben nicht in Regeln und Prozessen im Tagesgeschäft in allen Bereichen des Unternehmens wiederfinden. Ich kann nur sagen: Letztlich entscheiden sich Erfolg oder Misserfolg nicht in tollen Strategie-Charts, sondern vor allem im reellen Leben – und das jeden Tag.
„Interne Grabenkämpfe kann sich kein Unternehmen mehr leisten“
Über jeder Strategie sitzt ein Controller. Wie lässt sich Markenführung messen?
Florian Bausch: Wir haben hier eine einfache logische Kette aufgebaut, welche diesen Gedanken verdeutlicht: Jedes Prozent Abweichung von der Markenstrategie führt in der Folge zu Unschärfe. Unschärfe führt zu Wettbewerb, Wettbewerb zu Preiserosion, Preiserosion zu Margendruck, Margendruck zu Kostendruck. Letztlich ist wirkungsvolles Marken-Management gelebte Konsequenz – und das jeden Tag! So einfach ist das, aber auch so anstrengend.
Stichwort Praxis: Im W&V Report finden die Leser jede Menge Tipps und Beispiele, wie sie ihre Markenführung optimieren können. Haben Sie abschließend einen Tipp, was Unternehmen sofort ändern können und sollten?
Florian Bausch: Ich habe sogar zwei Tipps. Erstens: Leben Sie Ihre Marke konsequent in allem, was Sie tun. Das heißt, entwickeln Sie für alle verbindliche Regeln und handeln Sie ohne Ausnahme danach. Und das jeden Tag. Unternehmen müssen verstehen, dass in einer digitalen wie auch transparenten Welt jede Handlung jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Abteilung das Image des Unternehmens beeinflusst. Und zweitens: Arbeiten Sie zusammen und ermutigen Sie sich gegenseitig, die Markengeschichte des Unternehmens jeden Tag bestmöglich zu leben. In jeder Rolle, in jeder Abteilung. Die Welt ist zu komplex geworden, als dass sich die Unternehmen Leistungsverluste durch interne Grabenkämpfe noch leisten können. Alle müssen an einem Strang ziehen, um in einem sich stark verändernden Wettbewerbsumfeld langfristig erfolgreich agieren zu können.
Tipp: Sie interessieren sich für analoge und digitale Markenführung? Sie wollen Ihre eigene Markengeschichte überdenken? Unser neuer W&V Report Markenführung will Ihnen dabei wie ein Coach zur Seite stehen. Schauen Sie einfach mal rein! Mehr Infos finden Sie hier.