Neben Autogramm- und Selfiestunden mit Influencern gab es für die rund 12.000 Besucherinnen und Besucher an den Ständen der rund 80 Marken reichlich Goodies abzustauben. Showacts wie "Marcus und Martinus", ein norwegischer Verschnitt der "Lochis", oder Model Stephanie Giesinger sorgten für obligatorische Kreischkonzerte.

Allgegenwärtig sind Smartphones und Kameras, mit denen die Besucher ihr Wochenende auf der Glow live im Netz dokumentieren. Allein auf Instagram finden sich zum Hashtag #Glowcon schon mehr als 18.000 Beiträge. Heiko Hebig, Partnerships Manager Nordeuropa bei Instagram, nutzt die Veranstaltung, um mit den Topstars der Plattform direkt ins Gespräch zu kommen: "Ein großes Thema ist nach wie vor Branded Content. Transparenz in der Zusammenarbeit von Marken und Content-Erstellern wird immer wichtiger und darum haben wir unser Tool für Branded Content ausgerollt, dass sehr gut angenommen wird. Darüber und über viele andere Dinge sprechen wir mit den Künstlern hier vor Ort."

Den Fans sind die abstrakten Diskussionen der Marketing- und Social Mediaprofis natürlich egal. Sie sind für das Erlebnis gekommen. Und ein solches Erlebnis ist Influencer Marvyn Macnificent (sic!), der an einem der Stände sich und seine Frisierkünste vorführt. Bunte Haare, knallenge Jeans, eine Jacke in Hippiefarben, lila geschminkte Lippen, es fällt einem leider kein anderes Adjektiv als "schrill" zu Marvyn ein, dessen Videos auf Youtube immerhin von mehr als einer halber Million Abonnenten geschaut werden.

Während Mädchen, die kaum das Teenageralter erreicht haben, begeistert ihre Smartphones zücken, versteckt eine Mutter ihre Fassungslosigkeit nur mühsam hinter dem Satz: "Guck’ dir diese Fingernägel an!" Die Zurechtweisung erfolgt prompt durch ihre empörte Tochter: "Mama! Es gibt eben noch Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein." Dass Marvyn gerade mit gesundem Selbstbewusstsein Haarpflegeprodukte präsentiert, spielt in diesem Moment keine Rolle.

Es sind diese kleinen Begebenheiten, die zeigen, wie vielschichtig die Beziehungen zwischen Fans, Influencern und Marken sind. Um genau das zu erleben und zu beobachten, dafür ist Thorsten Mühl auf der Glow. Der Mann mit dem Zungenbrecher-Jobtitel "Director Digital Marketing Disney Deutschland" beobachtet das Treiben, als Dagi Bee und Co. vor den Fotografen über den Roten Teppich flanieren. Auch wenn Beauty und Lifestyle nicht zum Kerngeschäft des Unterhaltungskonzerns gehören, will er live spüren, welchen Sog die Glow entwickelt: "Das ist mehr als bemerkenswert, was hier bewegt wird. Es ist digital,  es ist schnelllebig und durch die Influencer wird es emotional. Ich denke, jeder, der im Marketing tätig ist, sollte genau beobachten, was hier passiert."

Aus der Rolle des Beobachters ist Christoph Werner, Geschäftsführer Marketing und Beschaffung bei DM, schon raus. Als neuer Mitveranstalter der Glow setzt der Drogeriehändler ein deutliches Zeichen, wie er die Zielgruppe in Zukunft erreichen will. "Die Kommunikation mit dem Kunden muss sich zeitgemäß weiterentwickeln", begründet Werner den Einstieg bei der Beauty-Veranstaltung. Für Werner vollzieht sich damit eine Entwicklung, die schon vor ein paar Jahren begonnen hat: "Es wurde immer davon geredet, dass sich durch Soziale Medien die Deutungshoheit über Marken vom Marketing zum Kunden verschiebt. Jetzt sehen wir erst, was das wirklich bedeutet. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen die Influencer, die mit ihren Empfehlungen die neuen Orientierungspunkte für die Kunden sind."

Wenn das aufgeht, kann Werner schon mal die Regale in seinen Märkten neu befüllen lassen. Es könnte sein, dass demnächst häufiger Fragen nach grüner Haarfarbe kommen werden.


Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.