
Werbemedium TV:
3 Gedanken zu den Screenforce Days
TV vs Google und Facebook, der richtige Rahmen fürs Bewegtbild, was der Werbekunde will: Worüber die W&V bei den Screenforce Days nachdenkt.

Foto: W&V
Halbzeit bei den Screenforce Days 2017, Tag 2 beginnt. Die Premiere am Mittwoch hat vielen der rund 2500 Besuchern offensichtlich Spaß gemacht, sie interessiert. Doch nicht nur Philosoph Richard David Precht, der Tag 1 des TV-Gattungsevents im Kölner Coloneum mit einer sehr digital-kritischen Schlussrede beenden durfte, macht sich Gedanken. Einiges dürfte dem Screenforce-Gast durch den Kopf gehen.
Erstens. TV fürchtet Facebook und Google.
Keine Keynote verging, ohne dass die bedrohliche Übermacht von Facebook und Google thematisiert wurde. Sowohl "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo als auch Werber Jean-Remy von Matt und erst recht der eingangs erwähnte Precht skizzierten die Macht der US-Internetkonzerne bei Nutzern und Werbekunden.
Di Lorenzo will mit wichtigen und seriösen Inhalten sowie qualitativ hochwertigen Werbeumfeldern kontern. Ihn ärgert, dass die Kunden bei den Netzriesen viel nachsichtiger seien als bei klassischen Medien, an die sie viele Forderungen stellen würden. Screenforce-Chef Martin Krapf packt fürs Werbemedium TV Stichworte wie "Brand Safety" in die Kampfansage an die Werberiesen Facebook und Google.
Precht macht sich erst gar keine Mühe, den Stand der Dinge zu beschönigen: Es gab aus seiner Sicht noch nie jemanden, der so viel Macht auf sich vereinte wie Facebook oder Google. Ein Mark Zuckerberg sei mächtiger als Julius Caesar. "Google und Facebook dringen in unsere Weichteile ein", so der Philosoph.
Zweitens. "Endlich wieder richtig groß".
So hat W&V-Chefredakteur Jochen Kalka seine Eindrücke vom ersten Tag der Screenforce Days zusammengefasst. Klar, so manch einer wurde ans Vorgängermodell Telemesse erinnert, das irgendwann mit Riesenscreenings und branchenfremden Besucherströmen ausuferte und auf Eis gelegt wurde. Aus dem Forschungs-lastigen TV-Wirkungstag wurde nun auf Wunsch vieler Vermarkter und Werbekunden der 2-tägige Screenforce Day.
Aber dieser Schuh passt der Gattung, die nach wie vor das größte Stück vom Werbekuchen abbekommt: große Bühne, viele Trailer, Lean-Back-Situation für Agenturen und Werbekunden, Emotionen, der unmittelbare Vergleich der TV-Marken auf einen Schlag. Aber auch das Eingeständnis durch Gastgeber Krapf, dass er sich doch mehr TV-Zuschauer für alle Zielgruppen wünschen würde.
Vielleicht passt das Motto von Jean-Remy von Matt ganz gut zu den Screenforce Days: "Relevanz und Firlefanz". Was der Werber heutzutage braucht, um mit Reklame aufzufallen, kann auch der Gattung TV im Kampf gegen die übermächtige Bewegtbildkonkurrenz nicht schaden.
Drittens. Was wollen eigentlich die Werbekunden?
Die erwartete Schelte der werbungtreibenden Wirtschaft im Vorfeld des Gattungstreffens blieb auch dieses Jahr nicht aus. Neben der allgemeinen Reichweitenschmelze bei steigenden Kampagnenkosten kritisierte die OWM vor wenigen Tagen bei W&V auch die Zusammensetzung der Werbeblöcke. Sie seien überfüllt mit Eigenwerbung und TV-Spots, die Sender für ihre Startup-Beteiligungen im Rahmen von Media-for-Equity-Modellen ausstrahlen. Kurzum: Der Werbebranche ist das Fernsehen zu selbstbewusst, zu teuer, zu wenig steuerbar.
Das mag alles stimmen. Aber warfen nicht auch Werbungtreibende Print auf unzähligen Veranstaltungen vor, nicht selbstbewusst genug zu sein und Zeitschriften sowie Zeitungen durch niedrige Anzeigenpreise zu entwerten? Auch will die OWM Fernsehen zukünftig auf Basis der tatsächlich erreichten Kontakte abrechnen, Dinge, die Digitalwerbung selbstverständlich gemacht hat. Aber selbst hier reiben sich die Unternehmen zunehmend, weil ihre Werbung in unsichere Umfelder entgleiten oder gar nicht erst sichtbar sein könnte.
Was wollen denn eigentlich die Werbekunden? Unklar. Aber offensichtlich Druck aufbauen bei den verschiedenen Gattungen. Und um Konditionen pokern.
Weitere Eindrücke von den Screenforce Days finden Sie hier in unserem Liveblog.