Kreativität:
Adobes Mann mit Mission
Scott Belsky will Kreativität neuen Raum verschaffen – und die Rolle von Design als Wirtschaftsfaktor verdeutlichen. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen.
Dieser Mann ist ein (im durchaus positiven Sinne) Getriebener. Getrieben von den eigenen Ideen, getrieben von dem Glauben an die Kreativität des menschlichen Geistes und dem Wunsch, genau dieser Kreativität mehr Raum zu verschaffen. Der Ordnung halber muss man erwähnen: Aus profanen Gründen wie der Sicherung des Lebensunterhalts müsste Scott Belsky wohl nicht mehr arbeiten. Der heute 38-jährige US-Amerikaner hat wahrscheinlich schon zu Beginn seines Arbeitslebens, damals bei Goldman Sachs, ein paar Dollar mehr als der Durchschnittsverdiener bekommen – spätestens aber mit dem Verkauf seines eigenen Start-ups Behance an Adobe für geschätzte 150 Millionen Dollar sollte Belsky das sein, was man wirtschaftlich unabhängig nennt.
Es ist auch eher nicht das Geld, das Belsky den Ruf einbrachte, einer der kreativen Rockstars dieses Planeten zu sein oder ihn schon 2010 auf der Liste der „100 Most Creative People in Business“ erscheinen ließ. Es ist Belskys innerer Antrieb, etwas zu erschaffen, zu bewegen, der ihn heute genau dorthin brachte, wo auch seine Kreativplattform Behance landete: zu Adobe. Dort trägt er den schönen Titel „Chief Product Officer and Executive Vice President for Creative Cloud“ und beschäftigt sich an zentraler Stelle mit seinen Lieblingsthemen Kreativität und Design. Auch wenn Scott Belsky eher zurückhaltend wirkt, nicht unbedingt wie ein Rockstar daherkommt – sobald er seinen Gedanken zu diesen Aspekten Lauf lassen kann, ist das Leuchten in seinen Augen zu sehen, brennt das Feuer. Seine Aufgabe bei Adobe (und damit auch die der Produkte, für die er verantwortlich ist) beschreibt Belsky ohne besondere Ausschmückungen: „Es ist meine Aufgabe, die Probleme der kreativen Menschen in der Welt zu verstehen und zu helfen, Produkte zu entwickeln, die sie befähigen, ihre Ideen ans Tageslicht zu bringen.“ Spannend wird es aber, wenn es darum geht, was eine entscheidende Rolle bei der Lösung genau dieser Aufgaben spielen muss. Denn natürlich sind die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz, des Machine-Learnings, da ganz vorn in der Startreihe zu finden.
KI und Kreativität stehen nicht in Konkurrenz
Für Belsky stehen KI und Kreativität auch nicht in Konkurrenz zueinander, eher im Gegenteil. Sein Ansatz ist da ziemlich pragmatisch. Für ihn gehe es darum, „unsere Kunden produktiver zu machen, ihnen Dinge zu ermöglichen, die sie vorher einfach nicht konnten. Mit KI fangen wir an, uns neu vorzustellen, was unsere Tools für unsere Kunden tun können und wie sie den kreativen Prozess, wie wir ihn kennen, nur verändern können“. Es sei einfacher zu verstehen, wenn man sich den Tag der Designer anschaue. Man müsse sehen, was sie von morgens bis abends machen, wie viel Prozent des Tages für lästige Arbeit aufgewendet werden müsse und wie viel Prozent echte Kreativität einnehme. „Und dann beginnen sie zu realisieren, dass 30 Prozent des Tages mit dem Verschieben von Dateien und ähnlichen Tätigkeiten verbracht werden.“ Gerade an dieser Stelle will Belsky ansetzen, zeitaufwendige Aufgaben automatisieren, die Effizienz steigern. Das sei schon deshalb nötig, weil die gewonnene Zeit für echte Kreativität benötigt werde, um sich veränderten Plattformen widmen zu können, den Designprozess auf Virtual und Augmented Reality auszuweiten und vor allem auch auf dem Sektor Voice aktiv zu werden. Belsky ist sicher, dass die meisten Produkte eines Tages eine Sprachschnittstelle haben werden. Der Weg dorthin sei klar vorgezeichnet. „Zuerst sagst du: wofür soll ich das benutzen? Und dann fängst du an, Alexa zu fragen, wie das Wetter wird. Dann sagst du, Alexa soll dir Batterien besorgen, und dann fängst du einfach an, es immer und immer wieder zu benutzen. Es fängt einfach an, Teil deines Lebens zu werden. Und ich denke, das Gleiche wird zunehmend im Arbeitsumfeld, bei den Mitarbeitern geschehen.“
Dies sei auch eine Generationensache. Für Kinder sei diese Art der Nutzung völlig natürlich, weiß Belsky aus eigener Erfahrung. „Ich habe kleine Kinder, die nicht einmal alt genug sind, um einen Musikplayer zu benutzen. Aber sie sagen Alexa einfach, welche Musik sie gern hören wollen.“ Professionell betrachtet handle es sich also um eine Schnittstelle, die noch zugänglicher ist als herkömmliche Interfaces. Für Belsky ergibt sich daraus ein logischer Schluss: „Wir müssen es Designern ermöglichen, diese Schnittstellen für ihre Kunden zu entwerfen. Denn das wird einfach ein Teil jedes Produkts sein. Und die Frage ist, wie die Menschen sie herstellen werden. Deshalb investieren wir in diesen Bereich, damit beispielsweise Designer, die eine I-Phone-Applikation entwerfen, auch eine Sprachapplikation entwerfen können.“ Designer müssten diese Aspekte wie eine neue Disziplin berücksichtigen. „Ich denke, es ist eine Erweiterung des aktuellen Ansatzes. Wenn man Designer einer I-Phone-Applikation ist, dann weiß man, dass beispielsweise der Bildschirm drei Optionen hat und dass es eine Verbindung geben muss. Künftig werde es hier auch Sprachbefehle geben. Diese Sprachbefehle führen zur nächsten Option oder Frage. Es ist also eigentlich eine sehr ähnliche Logik, auch wenn sie nicht visuell ist.“ Ähnlich verhalte es sich bei Lösungen im AR-Bereich. Auch hier gebe es zusätzliche Optionen, die beim Design berücksichtigt werden müssten. Am Ende würden Kunden keine Produkte kaufen, sondern Erfahrungen, sagt Belsky – eine Überzeugung, die wie ein Mantra immer wieder bei Adobe auftaucht. Es geht um „Experiences“, so die Losung.
Kreativitätsfreak Scott Belsky hat hier aber auch einen Ansatzpunkt, um die aus seiner Sicht stetig wachsende Bedeutung von Design als entscheidendem Wirtschaftsfaktor für Unternehmen hervorzuheben. Entscheidend auch für das eigene Unternehmen: „Was mir als die größte Chance von Adobe erscheint, ist die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit seiner Produkte, um Produkte wie Photoshop und Premiere Pro zugänglicher, effizienter und kollaborativer zu machen und neue Designmedien wie UX/UI, AR/VR und Voice auf ihr volles Potenzial zu bringen, so wie es Photoshop für die digitale Bildbearbeitung getan hat“, schreibt Belsky auf der Digitalplattform Medium. Der Getriebene hat also noch einiges vor.