
Mitarbeiterbindung:
Agenturleute: Warum das ständige Jobwechseln der Branche schadet
Spätestens nach zwei Jahren muss man wechseln, sonst gilt man als unflexibel. Eva-Christin Putz von Philipp und Keuntje hält dagegen. Es braucht dringend hellhörigere Führungskräfte.

Foto: Philipp und Keuntje
Eva-Christin Putz, Executive Client Service Director bei Philipp und Keuntje, regt sich über das schnelle Wechseln der Branche auf. Die Führungskultur in den Agenturen gehört dringend umgekrempelt, fordert sie.
Sie sind unglücklich mit der schnellen Wechselkultur in den Agenturen. Warum?
Seit einem meiner letzten Bewerbungsgespräche beschäftigt mich diese Frage. Eine Bewerberin saß vor mir und rechtfertigte sich ausführlichst dafür, dass sie nun mittlerweile 'schon' drei Jahre in der gleichen Agentur gearbeitet hat und 'erst jetzt' wechseln möchte. 'Schon' und 'erst jetzt'. Wow. Da stehen wir also.
Nehmen die Gepflogenheiten der Branche etwas zu selbstverständlich hin?
Tatsächlich, es scheint relativ normal, dass man nach 1 bis 2 Jahren die Agentur wechselt. Wenn man länger bei der gleichen Station bleibt, wird einem eher Behäbigkeit, fehlende Flexibilität und eine gewisse Gemütlichkeit attestiert als Loyalität und Beständigkeit. In anderen Branchen undenkbar. Bei uns gang und gäbe.
Was spricht eigentlich gegen die Wechselkultur?
Kaum ein Wechsel in Teams oder auf Kunden hilft der Effizienz, Wirtschaftlichkeit oder stabilisiert unser ohnehin fragiles Geschäft in irgendeiner Art und Weise.Es gibt zig gute Gründe dafür, dass wir versuchen sollten, unsere Leute möglichst lange zu halten. Mitarbeiter, die einer Agentur über längere Zeit verbunden sind, sind nicht nur unser wichtigstes Kulturgut, sondern auch auf der Arbeitsebene unabdingbar.
Neben der Tatsache, dass sie das Leben und Arbeiten in der Agentur mehr als jede Weihnachtsfeier oder jedes Sommerfest prägen, kennen sie eben auch unsere Kunden, die internen Strukturen und Abläufe wie niemand anderes.
Haben Sie es schon mal anders erlebt?
Als ich damals bei PUK meine ersten Gespräche hatte, haben mich Kollegen interviewt, die damals 6, 8, 15 und 16 Jahre da waren. Das hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Diese Tatsache hat mich aber nicht abgeschreckt, sondern eher darin bestärkt, für die Agentur arbeiten zu wollen. Und nicht etwa, weil ich dachte, dass ich es mir hier schön bequem machen könnte.
Vielmehr war es die Ahnung, dass hier irgendetwas anders sein könnte als in vielen anderen Agenturen.
Fragen wir mal ganz persönlich: Was hat Sie denn dann gereizt, länger zu bleiben als nur ein paar Jährchen?
Flexibel in der Beständigkeit und in einem sicheren Raum. Für mich persönlich ist das die perfekte Mischung, um nicht unruhig zu werden und gerne in der Agentur zu bleiben. Ich glaube, dass dieses Gefühl so relevant ist, dass es herzustellen eine unserer wichtigsten Führungsaufgaben ist, wenn wir unsere Mitarbeiter binden wollen.
Es ist unsere Aufgabe, Strukturen zu ermöglichen, die Ihnen beides – Beständigkeit und Sicherheit UND Flexibilität und Wachstum – ermöglichen. Was sich dann einstellt, sind die Ruhe und das gute Gefühl auch länger bleiben zu können, ohne auf der Stelle zu treten.
Was muss anders werden in der Branche?
Die Veränderung muss bei uns anfangen. Indem wir uns reflektieren und nicht einfach hinnehmen, dass die Werbung da "nun mal so tickt". Dann müssen wir uns ehrlich damit auseinandersetzen, warum es anderen Branchen so viel besser gelingt ihre Mitarbeiter langfristig zu binden.
Die Lösung dafür liegt nicht in einem Feierabendbier oder Obstteller.
Worin dann?
Sie liegt bei uns und in unserem Verständnis von Führung. Und darin, dass wir besser hinhören müssen. Mit ehrlichem Interesse an unseren Leuten und an dem, was sie treibt und bewegt. Die Zeiten, in denen wir über Bedürfnisse und Pläne einfach hinweghören konnten, weil schon der nächste Top-Kreative in der Schlange stand, sind lange vorbei.
Der Kampf um gute Leute wird immer härter, das spüren wir vermutlich alle. Voraussetzung für all das ist allerdings, dass wir uns damit überhaupt ernsthaft auseinandersetzen wollen. Und dass uns nicht egal ist, welche Nase nächsten Oktober an dem Platz rechts am Fenster sitzt, wenn Felix (oder wie hieß er noch gleich, der blonde?) nach einem Dreiviertel Jahr schon wieder weg ist.