Arbeitsrecht:
Air Berlin kündigt E-Commerce-Chef wegen Geheimnisverrats
Nach der Sammel-Bewerbung des E-Commerce-Teams kündigt Air Berlin dem Teamleiter offenbar fristlos. Rechtsanwalt Christian Oberwetter hat sich den Fall näher angeschaut.
Mit ihrer Stellenanzeige für das gesamte Team sorgte die E-Commerce-Abteilung von Air Berlin für Aufsehen und erste Reaktionen. Ein Angebot kam etwa von FischerAppelt. Doch dem Noch-Arbeitgeber missfällt die Aktion. Dem Leiter E-Commerce wurde offenbar fristlos gekündigt, wie die "Berliner Morgenpost" berichtet. Vorwurf: Die Anzeige, die auch noch während der Arbeitszeit erstellt wurde, habe interne Informationen über Air Berlin enthalten, die Rückschlüsse auf die Vermarktungsstrategien des Unternehmens erlaube. Darin sieht die Personalabteilung geschäftsschädigendes Verhalten. Die Original-Bewerbungswebsite wurde inzwischen abgeschaltet, die Informationen deutlich reduziert.
Der Berliner Rechtsanwalt Christian Oberwetter hat sich für das Portal Anwalt.de mit dem Fall und der Rechtslage beschäftigt. Für ihn sind noch viele Fragen offen. Geschäftsschädigendes Verhalten, der Verrat von Geschäftsgeheimnissen sowie Arbeitszeitbetrug seien durchaus Gründe für eine fristlose Kündigung. Allerdings müsste man sich jeden Vorwurf genau anschauen und überprüfen.
Für die Bewerbung an sich hat Oberwetter Verständnis: "Die E-Commerce-Abteilung wird vermutlich abgewickelt werden, insofern ist es nicht verwunderlich, wenn die Beschäftigten laut über ihre Zukunft nachdenken", schreibt er. Auch in Krisenzeiten dürften Beschäftigte jedoch keine Unternehmensinterna ausplaudern. "Insbesondere vom Chef einer Abteilung kann ein Unternehmen eine gesteigerte Loyalität erwarten." Ausschlaggebend sei jedoch die Frage: Handelt es sich überhaupt um ein Geschäftsgeheimnis? "Das wäre nur dann so, wenn sich aus der Anzeige tatsächlich Rückschlüsse auf interne Vermarktungsstrategien ergäben. Das muss Air Berlin beweisen", so der Rechtsexperte.
Air Berlin muss Geheimnisverrat und Arbeitszeitbetrug beweisen
Eine fristlose Kündigung sei außerdem die "ultima ratio", das letzte Mittel. "Der Arbeitgeber muss prüfen, ob es nicht mildere Maßnahmen gibt, die den gleichen Effekt erzielen." Etwa eine Abmahnung. Darauf könne das Unternehmen nur "bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen des Beschäftigten" verzichten, so Oberwetter.
Air Berlin müsse außerdem beweisen, dass wirklich Arbeitszeitbetrug vorliegt und nachweisen, ob und in welchem Umfang der E-Commerce-Chef während der Arbeitszeit an der Anzeige gearbeitet hat. "Eine nur kurzfristige anderweitige Verwendung der Arbeitszeit wird für eine fristlose Kündigung nicht ausreichen, in solch einem Fall wäre eine Abmahnung das mildere Mittel gewesen." In diesem Zusammenhang sei auch wichtig, wie Air Berlin ermittelt hat, dass der E-Commerce-Chef die Anzeige während der Arbeitszeit erstellt hat. "Wenn bei Air Berlin die Nutzung dienstlicher Rechner zu – auch nur gelegentlichen – privaten Zwecken erlaubt wäre, könnte sich möglicherweise ein Verwertungsverbot der gewonnenen Beweise ergeben, wenn das Unternehmen den Rechner des Beschäftigten gecheckt hätte."
Ein Verdacht alleine reicht nicht für eine Kündigung, so der Rechtsexperte. Auch eine vorherige Anhörung des Beschäftigten zu den Vorwürfen sei erforderlich. In die Waagschale gehört außerdem, wie lange der E-Commerce-Leiter im Unternehmen arbeitete und ob sein Verhalten bisher beanstandungsfrei war.