ZIELE, ZIELGRUPPE
Wir sind Astra. Astra definiert seine Verwender sowohl situativ und psychologisch als auch klassisch soziodemografisch. Natürlich hat die Kommunikation einen jungen Fokus (18–39 Jahre) und einen geografischen Schwerpunkt (Hamburg + Umland). Aber viel wichtiger ist die emotionale Heimat: Astra spricht Menschen an, die tolerant, bodenständig, lebensbejahend und durchaus fähig zur Selbstironie sind. Was sie mit der Marke Astra verbindet, ist ein Lebensgefühlt des „Sich-nicht-verstellen-Müssens“. Astra-Trinker sind eben sehr direkt, manchmal etwas schroff, aber immer herzlich. Das differenziert sie von der Scheinwelt, die andere Marken kreieren und mit der sie sich nicht identifizieren können. Situativ gehören Astra nicht die feinen Genuss-Anlässe mit abgespreiztem Finger am schlanken Stielglas. Dafür umso mehr die kernigen und volumenintensiven Feier-Anlässe mit Drittelliter-Knolle auf die Hand.

Ziele: Es darf (fast) überall ein bisschen mehr sein!

  1. Durch mehr Kenner (Steigerung der gestützten Marken-Bekanntheit um 5 Prozentpunkte)
  2. Mit mehr Überzeugungskraft (die Werbewirkung soll mindestens 10 Prozentpunkte über dem deutschen Werbedurchschnitt liegen)
  3. Und mehr Lust (Verwendungs- und Kaufbereitschaft für Astra Urtyp durch den gesamten Brand Funnel hindurch um 5 Prozentpunkte erhöhen)
  4. Zu mehr Bindung (Anteil der Bedarfsdeckung mit Astra auf über 20 % steigern)
  5. Und mehr Absatz (Steigerung der gesamten Absatzmenge im Aktionszeitraum um mindestens 3 %. Der Absatzzuwachs soll in erster Linie über Gewinne von den regionalen Hauptwettbewerbern kommen)
  6. Bei weniger Ausgaben (Ziel: Spendings pro Hektoliter (HL) um 20 % senken)

KREATIVSTRATEGIE

Aus Prinzip dagegen!
Astra hat seit 1998 weit über 100 Motive und jedes Jahr diverse Aktionsideen lanciert. Immer nach der Leitlinie "Was dagegen?". Die Herausforderung liegt auf der Hand: dem Konzept, dem Layout und der Haltung treu bleiben und dennoch jedes Mal wieder überraschend genug sein, um eine aktive Auseinandersetzung mit der Marken-Botschaft herbeizuführen.

Die Idee: Astra bleibt analog. Was dagegen?

Der Web-Wahnsinn greift um sich: Wir gehen online einkaufen, arbeiten online, flirten online und treffen online Freunde. Alles wird digital. Wo bleibt da noch das wahre Leben, fragen sich viele. Gut, dass es Astra gibt. Denn Astra hat ein Herz für alle, die sich im World Wide Web verheddert haben. Astra setzt als Gegenpol zum Mainstream genau auf das andere Extrem. Astra macht das Digitale analog. Auf die gewohnte, charmante Astra-Art.
Die Umsetzung: Analog ist besser!
Unter dem Motto "Astra bleibt analog" nimmt Astra den Internet-Hype auf die Schippe und zeigt sich ganz "postdigital"! Geläufige Begriffe (z. B. Windows, Touchscreen, GHz, Web-Design u. Ä.) und Phänomene (z. B. Twitter, expandable Banner u. Ä.) der Netzgemeinde werden in typischer Astra-Manier uminterpretiert. Außerdem werden aus digitalen "Dingen" kurzum analoge Versionen gemacht. (Näheres siehe Media-Strategie!)

MEDIASTRATEGIE
Wer nur kleckern kann, muss klotzen!
Ein kleines, aber feines Budget erlaubt Astra keine ganzjährige Präsenz. Deshalb muss jeder Flight deutlich größer wirken, als er eigentlich ist, jedes Thema zugleich verkaufen und Markensubstanz aufbauen. Das galt auch für die "Astra bleibt analog"-Kampagne:

- Für Stadtpräsenz sorgte der bewährte Einsatz von CLPs. Ganz wichtig in Zeiten von QR-Codes, Augmented Reality und Responsive Design: Sogar ein "interaktives" CLP-Motiv (quasi ein Tatsch-Screen) war dabei; das Visual eines "wohlgeformten Hinterns" lud zum "Antatschen" ein, was die "Touch-O-Manie" der heutigen Smartphonenutzer persiflierte.

- Die Flaschenetiketten wurden im wahrsten Sinne des Wortes im Webdesign gestaltet, um auch hier das Kampagnenmotto zu stützen. Das sind gleich 24 Millionen kleine Werbeflächen, die man für fast kein Geld bekommt.

- Für die Internet-Gemeinde gab es die erste analoge Website der Welt. Die normale Marken-Seite wurde kurzerhand abgeschaltet und unter der bewährten Domain www.astra-bier.de ersetzte das von einer Webcam übertragene Bild der Hamburger Szene-Bar "freundlich + kompetent" im Kampagnenzeitraum (1 Monat) komplett den eigentlichen Webauftritt.

- Wer wollte, konnte sich in voller Lebensgröße in diese „Website“ hineinbegeben, persönlich und ohne Avatar: Im "freundlich + kompetent" fanden jeden Abend Veranstaltungen unter dem Motto "Astra bleibt analog" statt. Die Öffnungszeiten der Website wurden mit denen der Bar synchronisiert. Es gab also nur dann auf der Website einen Livestream aus der Bar zu sehen, wenn dort auch etwas los war.

- Astras Analog-Fans konnten – als kleines Paradoxon – auf der eigens eingerichteten Facebook-Motto-Seite über Kampagneninhalte und die analogen Aktionen diskutieren, natürlich mit dem Ziel, sich in der Kneipe analog auf ein Astra zu treffen.

- Als Guerilla-Maßnahme sorgte der Astra-Zwitscherer für allerlei erstaunte Reaktionen: Ein mürrischer Mann im Kostüm, dem blauen Twitter-Vogel nachempfunden, fuhr U-Bahn, saß in der Kneipe, lief die Straßen entlang und sonderte jede Menge trockener "Tweets" (= Sprüche) ab. Aus den Erlebnissen wurden noch Videos für den Einsatz in den sozialen Netzwerken gemacht.

ERGEBNISSE

1. Mehr Kenner. Ziel: Steigerung der gestützten Marken-Bekanntheit um 5 Prozentpunkte. Erster Schritt zur Neuverwendung ist die Erhöhung der Bekanntheit. Und der Anspruch des Platzhirsches muss sein, dass nahezu jeder einen kennt. Trotz der bereits hohen Basis wurde das Ziel von plus 5 Prozentpunkten auf die stolze Zahl von 97 % gestützte Marken-Bekanntheit erreicht.

2. Mehr Überzeugung. Ziel: Die Werbewirkung soll mindestens 10 Prozentpunkte über dem deutschen Werbedurchschnitt liegen. Bekanntheit allein reicht bekanntlich nicht. Markenfacetten, die Bevorzugung begünstigen, müssen gestärkt werden, schließlich geht es um Verdrängung! Als wesentliche Indikatoren für die erfolgreiche Werbewirkung wurden die Präferenz (klarer Markenfit und Interesse) sowie 8 Key-Items der Werbereaktion herangezogen. Die Wirkung sollte jeweils mindestens 10 Prozentpunkte über dem deutschen Werbedurchschnitt liegen. Als Vergleichsmaßstab für den deutschen Werbedurchschnitt diente die deutsche Norm laut Millward-Brown. Die Kampagne hat zur Präferenzbildung beigetragen, denn sowohl in Millward-Brown-Wirkungsparametern als auch in den positiven Reaktionen wurden überdurchschnittlich gute Werte im Vergleich zur Norm erreicht. Klarer Markenfit (um 28 Prozentpunkte höhere Markenbezogenheit) und hohes Involvement der Konsumenten (um 22 Prozentpunkte höheres Interesse) belegen die Auseinandersetzung mit der Werbung. Die im Schnitt um 18 Prozentpunkte höher ausfallenden positiven Reaktionen bestätigen die präferenzbildenden Inhalte der Kampagnenmotive. Lediglich ein Item blieb mit +9 Prozentpunkten knapp unter dem Ziel von +10 Prozentpunkten.

3. Mehr Lust. Ziel: Verwendungs- und Kaufbereitschaft für Astra Urtyp durch den gesamten Brand Funnel hindurch um 5 Prozentpunkte erhöhen. Bekanntheit und Präferenzsteigerung, schön und gut. Aber die Nagelprobe ist nicht die Einstellung, sondern bleibt das Verhalten: Der Weg zum Stammverwender geht über das In-Betracht-Ziehen, das Probieren und die Gelegenheitsverwendung. Die Zahl derjenigen, die sich unverständlicherweise immer noch nicht vorstellen können, ein Astra zu trinken, wurde durch die konsequente Überzeugungsarbeit erfreulich verringert. Die Kampagne hat in allen Bereichen des Brand Funnel eine deutliche Steigerung gebracht. Alle Zuwächse lagen über den anvisierten 5 Prozentpunkten. Besonders erwähnenswert dabei: Die echte, direkte Absatzwirkung der Kampagne (Recent Trial = "Verwendung innerhalb der letzten 6 Monate") hat mit einer Steigerung um 9 Prozentpunkte das beste Ergebnis.

4. Mehr Bindung. Ziel: Die Bedarfsdeckung mit Astra auf über 20 % steigern!
Wenn irgendeine Marke weiß, wie wichtig es ist, Konsumenten zu loyalisieren, dann Astra. Vor 14 Jahren war die Verwenderschaft auf einen harten Kern zusammengeschrumpft, es drohte der sichere Markentod. Um nicht nur durch kurzfristige Promotionmaßnahmen Verwender zu generieren, wird bei Astra auch auf die Bindungsqualitäten der Kommunikation geachtet! Und auch hier sieht man, dass die Kampagne die Markenbindung erhöht.

5. Mehr Absatz. Ziel: Steigerung der gesamten Absatzmenge im Aktionszeitraum um mindestens 3 %. Der Absatzzuwachs soll in erster Linie über Gewinne von den regionalen Hauptwettbewerbern kommen. Astra schaffte es, mit einem Wachstum von 5 % das Ziel deutlich zu übertreffen. Die Kraft des Erfolges zeigt sich aber vor allem daran, dass der Biermarkt gerade einmal um 0,8 % im gleichen Zeitraum zulegte. Mit der Kampagne konnte sich Astra vom Markttrend abkoppeln und überproportional wachsen. Am liebsten wächst man durch Gewinne von Wettbewerbern: Es konnten viele Verwender der regionalen Biere Dithmarscher Urtyp (Mengenanteil 23 %) und Holsten Edel (Mengenanteil 4,5 %) dazugewonnen werden.

EFFIZIENZ
Dagegen sein heißt effizienter sein! (Ziel: Spendings pro HL um 20 % senken)
Bei Astra sind Provokation und Anti-Verhalten nicht bloß Selbstzweck, sondern Strategie. Das Besetzen von bis dato unbesetzten – aber relevanten und sympathiebildenden – Gegen-Positionen bringt schlicht mehr Wirkung für weniger Geld. Astra bleibt auch bei der "Analog-Kampagne" seinem David-Status treu, um den Goliaths unter den Bieren eins auszuwischen. Konkret bedeutet das für Astra eine Verringerung der Werbeausgaben in der ersten Jahreshälfte 2011 zum Vorjahreszeitraum um ein gutes Viertel. Trotzdem stieg der Absatz um 5 %. Unterm Strich konnten die Spendings somit um knapp 50 Cent/HL verringert werden. Damit zeigt Astra erneut, dass auch mit geringem Budget eine Steigerung des Absatzes gegen den Markttrend möglich ist und "dagegen sein" sich für diese Marke lohnt.

KONTINUITÄT
Astra – immer was dagegen, aber am Puls der Zeit.
Die Astra-Kampagne geht 2012 in ihr 14. Jahr. Sie ist also mitten in der Pubertät – und es ist nicht zu erwarten, dass sie sich jemals richtig erwachsen benehmen wird. Denn die Kampagne funktioniert aus einem einfachen Grund: eine klare (Anti-)Haltung und das erklärte Ziel, niemals Routine einkehren zu lassen. So kann Astra innerhalb eines formal extrem eng gesteckten Rahmens (der für sofortige Wiedererkennbarkeit und Markenzuordnung führt) immer wieder aufs Neue für Gesprächsstoff sorgen. Die Vielfalt der Geschichten und Emotionen sorgt dafür, dass sich die heterogene Zielgruppe in der Kommunikation der Marke wiederfindet. Mit den manchmal provokanten Aussagen und dem Claim „Was dagegen?“ verlangt Astra von seinen Kunden auch immer ein Bekenntnis zur Marke. Astra ist mehr als nur Bier. Astra verkörpert ein geradliniges Lebensgefühl und bietet damit eine Identifikationsfläche, die umso attraktiver wird, je konformistischer unsere Welt wird.


Lena Herrmann
Autor: Lena Herrmann

hat bei der W&V ihr journalistisches Handwerkszeug gelernt und dort viele Jahre lang hauptsächlich markenstrategische Themen verantwortet, bevor sie sich als freiberufliche Journalistin und Podcast-Redakteurin selbstständig gemacht hat. Zudem hat sie die Podcast-Formate der W&V maßgeblich entwickelt und betreut. Sie ist Podcast-Host und steht regelmäßig als Moderatorin auf der Bühne.