
Medientage:
Audio-Gipfel: "Voice ist das nächste große Ding"
Voice, Text to Speech, Audio on Demand, Audio goes Video und Social Audio. Das sind die Trends, die die großen Branchenvertreter auf dem diesjährigen digitalen Audiogipfel ausriefen. Doch in erster Linie ging es um den Podcast-Boom.

Foto: MTM
Im Mittelpunkt des diesjährigen Audiogipfels der digitalen Medientage München standen Podcasts. Das Format hat dank Corona erheblich an Zulauf gewonnen. Dazu gab Tom Webster von Edison Research einen kurzen Überblick zum US-Markt. Demnach hat die Corona-Krise den Podcast-Konsum gewaltig gesteigert:
Lag der Podcast-Konsum im ersten Quartal diesen Jahres noch bei sechs Stunden, 15 Minuten wöchentlich, stieg die Hörzeit im zweiten Quartal um eine halbe Stunde auf sechs Stunden, 45 Minuten. Die steigende Beliebtheit lässt sich an der Zunahme des non linearen digitalen Audio-Konsums feststellen. Vor Covid hörten 45 Prozent der Amerikaner digital Audio, seit Covid sind es 53 Prozent.
Vertrieb über Drittanbieter, Betonung der Marke als Absender, Verzahnung mit dem Radioprogramm, automatisierte Werbevermarktung, Marken als Medien und Pluralität sind die Trends im deutschen Podcast-Markt. Das ergab die Diskussion auf dem Audiogipfel. Im folgenden die Positionen im Detail:
NDR will Audioinnovationen bündeln
Im deutschen Markt ist vor allem der Drosten-Podcast des NDR ein Wegbereiter des Formats. Hörfunkdirektorin Katja Marx will deshalb künftig beim NDR den Think-Tank-Bereich rund um Audioinnovationen enger in ihre Intendanz einbinden. "Wir wollen Innovation und Strategie bündeln und nach vorne bringen, um zukunftsfähig zu sein."
Für den Erfolg eines Podcasts ist vor allem eine klare Distributionsstrategie wichtig. Die Frage sei, wie kommen wir mit unseren Inhalten an das Publikum heran. Eigene Plattformen spielten dabei eine Rolle, reichten aber nicht aus. Der Drosten-Podcast sei zum Beispiel am besten auf Youtube gelaufen. Umso entscheidender ist die Absenderkennzeichnung. Die Hörer müssten erkennen wer der Absender ist. "Hätten wir Drosten nur über unsere Plattformen vertrieben, hätten wir nicht den Erfolg gehabt". Auf der anderen Seite sei der Podcast immer als NDR-Podcast erkannt und wahrgenommen worden.
Antenne Bayern fokussiert auf digitale Inhalte
Hier äußert Antenne Bayern-Chef Felix Kovac seine Bedenken. Rundfunkgebühren einzusetzen, um internationale Player zu stärken, die private Anbieter daran hinderten ihre Reichweite zu entwickeln, sei problematisch. Denn auch Antenne Bayern setzt mehr denn je auf digitalen Content: Der Sender hat die Unit Sound Garage gegründet zur Produktion von digitalem Content wie Webstreams und Podcasts. "Wir wollen unsere Digitalreichweite massiv ausbauen, um stabile Werbeerlöse erzielen zu können", so Kovac. Dabei soll aber auch das klassische Radioprogramm nicht zu kurz kommen. Den Podcast Oktoberfest Attentat hat der Sender auch im Radio ausgestrahlt. An Halloween plant Antenne Bayern den Podcast Dunkle Heimat über sieben Stunden im Radio zu senden.
Neue digitale Vermarktungsmöglichkeiten
RMS-Chefin Marianne Bullwinkel glaubt an eine realistische Chance, dass die analoge wie digitale Audiowelt den Werbemarktanteil deutlich in Richtung zehn Prozent ausbauen könnte. "Liveradio ist das Medium der Stunde in der Krise", sagt Bullwinkel. Das würden auch Werbungtreibende wahrnehmen. Image-und Haltungskampagnen liefen jetzt auch im Radio.
Bei Podcasts setzt RMS nach wie vor auf Adserver basierte Vermarktung. "Programmtisch ist der Trend. Daten ermöglichen spezielle Zielgruppen zu erreichen, darin liegt die Zukunft." Das gelte für alle digitalen Inhalte auch für Podcasts. Natives Advertising biete für Podcasts keine ausreichende Überlebenschance. Außerdem verweist Bullwinkel auf den Mega-Trend Voice und die dortigen Vermarktungsmöglichkeiten.
DAB+-Anbieter Antenne Deutschland als digitale Audio-Company
Die digitalen Vermarktungsmöglichkeiten will auch Joe Pawlas, Geschäftsführer Antenne Deutschland abschöpfen. Antenne Deutschland sendet seit 5. Oktober nationales DAB+-Radio über ein neues Multiplex. Pawlas sieht Antenne Deutschland aber nicht als reines DAB+-Unternehmen, sondern als 360 Grad digitale Audio-Company mit eigenen Sendern. Dafür spricht, dass das Unternehmen auch On-Demand-Produkte gemeinsam mit Online-und Außenwerbevermarkter Ströer aufbauen und vermarkten will.
Die gemeinsame Firma heißt Ad Audio zur 360 Grad-Audio-Vermarktung. "Wir sehen uns auch als Inhalteanbieter", sagt Pawlas. Entscheidend sei das Thema Marke. "Marken werden Medien", prognostiziert Pawlas als künftigen Trend. Marken hätte zunehmend eigene Sendemedien. Beispiel Podcasts: Podcasts seien erfolgreich als Personen- oder als Absender-Marke.
Auch ProSiebenSat.1 will neuerdings den Audio-On-Demand-Markt mit der Tochter FYEO aufmischen. Das Geschäftsmodell: Audio-on-Demand im Free-und Premiumbereich. Entscheidend sei es eine gute Geschichte für den Nutzer zu erzählen, sagt Benjamin Risom, Vice President FYEO. Er sieht seine Plattform auch als Anlaufstelle und Unterstützung für Künstler, die gute Geschichten erzählen zu haben, aber nicht die nötigen Mittel. "Wir tragen einen Teil des Risikos mit", so Rinsum. Denn schließlich geht es um Pluralität. Auch in der Meinungsvielfalt.
Audio hat integrative Rolle in der Gesellschaft
"Vertraut den Inhalten, habt keine Angst vor Länge, traut euch etwas auszuprobieren, alle Formate gehen und seid nah an der Zielgruppe und den Hörern", appelliert deshalb NDR-Chefin Marx am Schluss noch einmal an die Podcast-Macher. Nicht nur der merkantile Anteil des Formats entscheidet. Vielmehr sei die gesellschaftliche Rolle von Audio gerade wichtig. Die zeichnet sich durch Zuhören aus.
In einer Gesellschaft die sich aktuell verändert und wo die, die am meisten schreien, polarisieren und spalten, die meisten Klicks bekommen, habe Audio eine verbindende integrative Rolle. Denn Audio bedeutet Zuhören und das sei mit Respekt für den Sprechenden verbunden. Ein wichtiges Gegengewicht gerade heute gegen die Welt der Schreihälse auf Social Media, fasst es Moderator Andreas Horchler, CEO Podcon.de zusammen.