Posts, die eine solche ehrliche Haltung demonstrieren, kommen bei den Fans an und erhöhen das durchschnittliche Engagement der Marke. Marketing während der Pandemie ist zu einer der Krisenfragen geworden. Viele bewährte Marketingmaßnahmen finden beim Kunden keinen Anklang mehr. Stattdessen müssen Unternehmen ehrlich und direkt mit ihren Kunden kommunizieren. Insbesondere jetzt, da die Geschäfte in den meisten großen Volkswirtschaften geschlossen haben, wird es umso wichtiger, die neue virtuelle Verbindung aufzubauen und zu pflegen. 

Marken-Purpose statt Produktwerbung

Es ist nicht die richtige Zeit, um kommentarlos die eigenen Produkte zu pushen. Vielmehr ist es der Moment zu zeigen, wofür eine Marke wirklich steht. Denn Covid-19 und die Bedrohung unserer Gesundheit und unseres Wohlstandes ist das Thema, das das Leben der Menschen bestimmt. Marken müssen in der Krise anerkennen, dass sie und der Konsum in den Hintergrund rücken. Ansonsten wird man ihnen Unsensibilität nachsagen. Oder sie komplett ignorieren. Fröhliche Kampagnen, die Menschengruppen zeigen, Partys im Freien, Frauen beim Shoppen und all das, was gerade tabu ist, sind fehl am Platze.

Das bedeutet nicht, dass Marketing düster sein muss. Die Bekleidungsmarke La Ligne schlug kürzlich in einem Newsletter einen unbeschwerten Ton an und und thematisierte eine Social-Distancing-Hochzeit im Freien. Der Titel: "Here Comes the Self-Distancing Bride". Die Marke lieferte Outfit-Ideen, die unbeschwerte Ironie demonstrierten: Eine Nadelstreifen-Button-Down-Bluse für die „Standesbeamtin, die vom Fenster der Wohnung im 4. Stock aus das Paar traut“, und eine Kaschmir-Strickjacke für „die Flitterwochen in Quarantäne“.

Selbstfürsorge, Fitness und menschliche Verbindung sind Themen, mit denen Marken jetzt punkten können. Hieß es in einer früheren Nike-Anzeige mit dem Sportler Michael B. Jordan "Warum bist du ein Original?", fragt der Star seine Instagram-Follower jetzt: "Was macht dir Freude?"

Diese Inhalte stehen leider nicht mehr zur Verfügung.

Influencer zwischen Optimismus und Ironie

Marken, die aufgrund von Ausgangssperren nicht in der Lage sind, ihre eigenen Inhalte zu produzieren, können mit Influencern zusammenarbeiten. Deren Inhalte erfreuen sich gerade besonders großer Beliebtheit, denn Verbraucher, die zu Hause festsitzen, verbringen mehr Zeit als je zuvor online, besonders mit ihren Internetikonen.

Leonie Hanne, eine in London lebende deutsche Influencerin mit 2,1 Millionen Instagram-Followern, veröffentlicht ab und zu Beträge, die bereits vor der der Pandemie gedreht und produziert wurden – und das kommt bei ihren Fans sehr gut an. Genauso gut wie ihre Stories zum Frühstück, oder ihre eigene Werbung für Homewear Kollektion in den Zeiten der Isolation. Immer wieder sieht man den Slogan #StayHome. Die Fans scheinen die Mischung aus Selbstironie und Optimismus zu lieben, wenn man den zahlreichen Kommentaren unter ihren Posts Glauben schenkt. 

Virtuelle Events kommen gut an 

Coachella, die Fashion Weeks und viele andere Events sind abgesagt oder verschoben. Damit gehen den Fashionbrands wichtige Marketingmöglichkeiten verloren. Um dies zu kompensieren, versuchen Marken, mit Onlineveranstaltungen Event-Atmosphäre zu schaffen.

So hat Bottega Veneta kürzlich mit der “Bottega Residency” ein abwechslungsreiches Online-Unterhaltingsprogramm gestartet. Auf der Plattform präsentiert die Marke wöchentlich wechselnd musikalischen Darbietungen, Künstlerkollaborationen, Kochshows und Sonntagsfilmabende. Mit "Stay home with Kenzo" bietet die LVMH-Modemarke wöchentliche DJ-Sets und Auftritte von Künstlern in den sozialen Medien. Salvatore Ferragamo startete in seinen Instagram-Stories ein Quizspiel – eine bescheidenere Art, die Verbraucher zu unterhalten.

Die Fashion Weeks in Shanghai und Moskau waren die ersten, die komplett virtuell stattfanden – mit großem Erfolg. So registrierte die Mercedes-Benz Fashion Week Russia am ersten Tag über eine Million Zuschauer, die sich die Show von mehr als 50 Designern im Live-Streams ansahen. 

Virtuelles Modell wird Star der digitalen Fashion Week

Diese Art des Events bietet ganz neue Möglichkeiten: Aliona Pole, virtuelles Model und Bloggerin, war einer der Stars auf der Mercedes-Benz Fashion Week Russia. Sie trug mehrere digitale Outfits – was bei einer physischen Modenschau kaum so möglich gewesen wäre. Das KI-Model teilte außerdem seine Eindrücke und Lieblingssendungen in den sozialen Medien von MBFWRussia. Das Projekt von MBFW Russia und TikTok hatte bereits am zweiten Tag fast 19 Millionen Aufrufe, wenn man den offiziellen Presseangaben der Veranstalter glaubt. "Könnten so die Modewochen der Zukunft aussehen?", schreibt die FAZ.

Alison Bringè, Chief Marketing Officer der Brand Benchmarking Plattform Launchmetrics, sieht in virtuellen Events durchaus Möglichkeiten zum Netzwerken in der Branche und außerhalb. "Digital Showrooms ist ein Tool, mit dem Marken und Presse problemlos miteinander in Kontakt treten können. Die Industrie braucht mehr denn je Zusammenhalt und Nutzung der Technologien. Wir haben großartige Marken, die digitale Showrooms einsetzen."

Bringè rät Marken außerdem, sich auf die bereits vorhandenen Daten zu stützen, um ihre bestehenden Kunden am besten zu erreichen - sei es über E-Mail-Marketing, bezahlte Posts oder bezahlte soziale Kanäle.  

Die Corona-Pandemie zwingt Marken, ihre Marketingstrategien zu überdenken, anzupassen und sich den eigenen Kunden persönlicher und nahbarer zu zeigen. Wer das richtig macht, wird mit seinen Kunden näher zusammenrücken und sie viel enger an sich binden als jemals zuvor. 


Natasha Binar

Natasha Binar

Natasha Binar ist in Litauen geboren, in Großbritannien aufgewachsen und nun in Deutschland zu Hause. Sie arbeitet als Marketingmanagerin und Beraterin, unter anderem für Launchmetrics. Außerdem schreibt sie für verschiedene Fachmedien. Ihr erstes Buch "Berlin Catwalks" erschien 2011. 


Autor: W&V Gastautor:in

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