Das ist ein enorm wichtiges Anliegen. Allerdings ist das eine perfide Doppelstrategie, die Patagonia da fährt. Auf den ersten Blick ist das so wie die meisten von uns: nett und ehrlich, aber dämlich. Mit Nettsein kommt man nicht an die Spitze, und mit Aufrichtigsein verkauft man nichts - ja, das kommt aufs Produkt an, aber mit einem aufrichtg gemeinten "kauf nichts", das der Kunde eins zu eins so hinnimmt, verkauft man wirklich nichts.

Auf den zweiten Blick ist die Aussendung von Patagonia schlau: Weil die Firma die Größe besitzt, sich von der hirnlosen, schnellen Konsumwelt abzuwenden, und endlich mal einer nachdenkt über die Folgen, die der Renditewahn hat. Und sogar bereit ist, dafür auf Umsatz am Cyber Monday zu verzichten.

Aber auf den dritten Blick ist die Mail von Patagonia verdammt perfide: Wer "kauf mich nicht" schreit und dabei "kauf mich" meint, wer sich als der Gute positioniert, um am Ende eben doch ein paar Jacken mehr loszuschlagen, ist hinterhältig. Denn dass Patagonia aus dem Jackengeschäft aussteigen will, ist hier nicht zu erkennen.

Und hier sind wir dann schnell wieder bei dem unglaublichen Balanceakt für Firmen, die Geld verdienen wollen, aber nicht um jeden Preis, natürlich aber Gutes tun und darüber reden - schon allein, weil die Verbraucher ja selbst entscheiden wollen, worauf es ihnen ankommt: Preis oder Qualität, Verantwortung oder Ausbeutung. Der Grat zwischen verantwortungsvollem Handeln und Greenwashing ist verdammt schmal.

Auf welche Seite Patagonia nach diesem Tag gekippt ist, wird sich zeigen. Ein Kommentar bringt das Dilemma auf den Punkt: "Wie raffiniert! Beinah hätte ich die Jacke nicht gekauft."

In Deutschland ist der Cyber Monday übrigens noch klein. So schickt etwa Amazon seit dem vorigen Jahr zum Cyber Monday ein paar Mails, die über "Blitzangebote" informieren. In den USA ist der Umsatz an diesem Novembertag von 600 Millionen auf über eine Milliarde US-Dollar geklettert. (Die jährlichen Online-Handelsumsätze entwickeln sich laut Comscore im selben Zeitraum von 100 Milliarden US-Dollar 2006 auf 142 Milliarden 2010 - ohne Reisen.)

Und für die, die zu viel am Cyber Monday kaufen, gibt es eine App: One Receipt hebt alle Online-Kaufbelege auf, damit die Rechnungen den Mail Eingang nicht verstopfen. Scannt auch Papierbelege und funktioniert übrigens noch nach dem E-Commerce-Feiertag.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.