"Für unsere Gesellschaft in Europa und die Demokratie ist das insofern problematisch, als die Relevanz und Sichtbarkeit der Inhalte über Algorithmen gesteuert werden und wir in Europa die Kontrolle über diese steuernden Algorithmen verloren, ja komplett an private US-Firmen abgegeben haben", so der ARD-Vorsitzende.

Das könne gesellschaftlich destabilisierend wirken. "Denn als freie Gesellschaften brauchen wir einen diskriminierungsfreien, ungeteilten öffentlichen Raum", erklärte Wilhelm. "Rede und Gegenrede, Argumente pro und contra, Teilhabe aller am Diskurs - das sind essenzielle Voraussetzungen für das Funktionieren von Gesellschaften und Demokratie." Deshalb sei eine gemeinsame Plattform von Qualitätsangeboten im Netz so wichtig.

"Der Mehrwert bestünde zum einen in gemeinsamer Reichweite und der Freiheit, vielfältige Erlösmodelle zu realisieren - das wäre für die werbetreibenden privaten Anbieter zentral", erläuterte Wilhelm seinen Vorschlag. "Zum anderen wären die Nutzer sicher, dass sie dort Qualitäts-Inhalte bekommen. Außerdem behielten wir die Souveränität über die Daten."

Wer mitmachen soll

Beim Plattform-Projekt müssten Verleger und Öffentlich-Rechtliche an einem Strang ziehen. Beide streiten sich seit Jahren - auch auf gerichtlicher Ebene - darum, was den Sendern an Textberichterstattung im Internet erlaubt ist. Wilhelm plädiert seit Beginn seiner Amtszeit dafür, dass das "gemeinsame Interesse" mehr ins Gewicht fallen müsse die Gegensätze. In dieser Woche wird über dieses Streitthema bei der Konferenz der Ministerpräsidenten gesprochen.

WDR-Intendant Tom Buhrow hatte im Interview mit dem Medienmagazin ”journalist“ (Juni 2018) erst kürzlich ebenfalls vehement für eine gemeinsame Plattform geworben: "Meine Vision ist, dass wir alles, was wir im aktuellen Bereich audiovisuell haben, ohne Bezahlung auf die gemeinsame Plattform einstellen." 

Der Mediensoziologe Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung, kann der Idee viel abgewinnen: "Eine gemeinsame länderübergreifende Plattform wäre in jedem Fall ein Fortschritt", sagte er. "Diejenigen, die sich für eine spanische Dokumentation oder eine britische Serie interessieren, können das im Moment vielleicht auch so irgendwo im Netz finden, aber wenn das alles auf einer Plattform gebündelt und navigierbar wäre, würde es die Hürden senken und den Personenkreis erweitern, die das nutzen."

W&V Online/dpa


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