
Marketing im Mittelstand:
Das sind die 13 Todsünden beim Thema Service
In einem Gastbeitrag erklärt Service-Experte Michael Thissen, welche Fallen sich auf dem Weg zu gutem Kundenservice für die Unternehmen auftun können.

Foto: Michael Thissen
Service ist dann notwendig oder richtig etabliert, wenn er für jemanden einen sinnvollen Mehrwert liefert. Alle Ideen und Ansätze bleiben wirkungslos, wenn die Einstellung nicht zu dem passt, was man tut. Der erste Schritt zu besserem Service setzt die richtige Grundhaltung voraus. Das bedeutet in erster Linie, Respekt vor dem Kunden haben und dessen Bedürfnisse richtig zu bedienen.
Damit Sie aber auf dem Weg zum überraschenden Servicedienstleister nicht typische Fehler machen und auf die "Service Touch Points" achten, will ich Ihnen nun folgend noch einige Todsünden des Service veranschaulichen:
1. Einbahnstraßenkommunikation
Typischer Servicefehler ist das Nicht-Reagieren oder das Nicht-Antworten. Ich persönlich bekomme sprichwörtlich einen dicken Hals, wenn ich Mails an Kundencenter sende und nie eine Antwort erhalte. Mit dem zusätzlichen Einsatz von Lösungen und etablierter künstlicher Intelligenz werden Antworten oder Reaktionen auf schnellstem Wege zurück zum Melder geschickt. So weiß er, dass jemand auf sein Anliegen reagiert hat und bald eine Lösung für sein aktuelles Bedürfnis vorliegen kann
2. Abstellgleis
Klassisch ist auch, den Kunden auf das Abstellgleis zu schieben und ihn dann am besten noch total zu vergessen. Die Rede ist von Reaktions- und Wartezeiten mancher Unternehmen. Wie in der Einbahnstraßenkommunikation schon deutlich gemacht, müssen Sie dem heutigen Kunden schnell antworten. Mit Eintreffen eine Anfrage sollte ein standardisierter Prozess aktiviert werden. Idealerweise werden bei festgelegten Zwischenschritten immer Meldungen an den Kunden versendet, damit er über den aktuellen Bearbeitungsstand informiert ist.
Was aber heutzutage gerne passiert, ist, dass nach der Eingangsbestätigung nichts mehr passiert und Kunden tage- oder wochenlang auf Reaktionen warten. Auf erneutes Anfragen kommt es daher nicht selten vor, dass man die Eingangsmeldung bzw. die Folgeaktivitäten nicht mehr finden kann und schon sinkt die Kundenzufriedenheit deutlich. Schaffen Sie sich hier Lösungen an, die alle Kundenaktivitäten prozessual steuern und somit schnell auf den aktuellen Status zugegriffen werden kann.
3. Systemunzuverlässigkeit
Sind Sie ein Dienstleister oder sogar ein Produkthersteller im technischen Umfeld? Dann ist die Verfügbarkeit, also die Systemzuverlässigkeit einer Ihrer wichtigsten Servicemesspunkte. Wir wollen nicht vermuten oder hören, dass Hersteller extra die eigenen Produkte so erstellen, dass nach einiger Zeit ein Ausfall aktiviert wird.
Mit den jahrelangen Erkenntnissen und Qualitätssteigerungen müssen dem Kunden Produkte heutzutage höchst zuverlässig zur Verfügung gestellt werden. Ein Ausfall darf nur noch in seltensten Fällen auftreten, der dann aber wirklich serviceorientiert behandelt wird. Also schnell und unterstützend für die Kundenbedürfnisse.
4. Know-How-Luftpumpen
In jeder Situation muss dem Servicemitarbeiter das richtige Maß an Wissen zur Verfügung gestellt werden, sodass Kundenanfragen schnellstmöglich bearbeitet und idealerweise gelöst werden. Es kommt leider viel zu oft vor, dass bei Kundenanfragen oder sogar mitten im Prozess Aussagen aufkommen, dass dies derzeit nicht beantwortet werden kann oder dass hier im Moment das eigene Wissen fehlt. Ich nenne das Know-How-Luftpumpen, weil mehr als Luft nich aus diesen Mitarbeitern herauskommt.
Etablieren Sie eine Wissensdatenbank, die mit einem Kunden-Ticket-System verbunden ist und stellen so Ihren Mitarbeitern schnell und einfach gezieltes Wissen zur Verfügung. Hier punkten Sie mit vorgefertigtem Wissen - dass Experten aus den eigenen Reihen definiert haben - und Wissensdatenbankeinträgen bei Ihren Kunden, wenn diese schnell und zuverlässig helfen würden.
5. Beschwerde-Ignoranz
Respektvoller Umgang mit Kunden bedeutet, stets aktiv zuzuhören. Doch Kundenbeschwerden sind ein wichtiger Indikator für die Leistungen im Unternehmen sind. Je besser und qualifizierter diese in Ihrem Unternehmen aufgenommen werden, umso effizienter können Sie daraus Optimierungsmaßnahmen ableiten. Gehen Sie auf den Kunden ein und lassen Sie sich alle Informationen rund um seine Beschwerde mitgeben. So können Sie schnell erkennen, wie Sie dem Kunden helfen können und idealerweise noch Verbesserungen an Produkten oder Dienstleistungen für sich identifizieren.
6. Fehlzündung
Verzögerungen oder Verspätungen akzeptiert der Kunde mittlerweile nicht mehr. Unter Fehlzündung verstehe ich aber auch, dass sehr oft zum falschen Zeitpunkt falsche Aktivitäten durchgeführt werden und somit wieder Kundenärgernisse vorprogrammiert sind. Ich kann möchte das gerne einmal beispielhaft erläutern, als ich ein neues Handy mit einem neuen Tarif bestellt hatte. Aus irgendwelchen Gründen wurde das Handy erst ein paar Tage später geliefert, als es eingangs angemeldet wurde. Dennoch erhielt ich an dem vorherigen Termin eine Info, dass man sich für mich freue, dass nun das Handy da sei und im vollen Umfang mit dem neuen Tarif genutzt werden könne.
Dass ich es letztendlich jedoch erst ein paar Tage später bekommen habe und dennoch für den neuen Tarif schon von Anfang an zahlen musste, war dem Dienstleister nicht bewusst. Der Fehler war im Zusammenspiel der beiden Partner nicht eindeutig geklärt und somit wurden falsche Aktivitäten durchgeführt. Was ich damit aufzeigen will: Im Service sind klare Prozessschritte und -schnittstellen zu beachten. Je strukturierter Sie also im Endeffekt aufgestellt sind, umso einfacher ist der Kundenservice.
7. Neandertalerverhalten
Seien sie freundlich zu ihren Kunden. Brüllen und Klopfen auf die eigene Brust bringt sie nicht weiter. Sicherlich gibt es Kunden, die einen zur Weißglut bringen können, dennoch ist im Umgang mit Kunden immer die Ruhe zu wahren.
8. Black Box
Fehlende Transparenz in der Leistungserbringung ist ebenfalls einer der häufigsten Servicefehler, die mir immer wieder auffallen. Als Kunde will man zur jeder Zeit genau wissen, welche Leistungen im Service erbracht werden. Je genauer Sie das machen, umso leichter ist nachher eine Rechtfertigung oder der Umgang mit Kundenbeschwerden. Alle enthaltenen Leistungen müssen so transparent dargestellt sein, dass jeder Kunde vollständig sicherstellen kann, ob dieser Service für ihn der geeignete ist. Und wenn Sie dieses Thema angehen, ist die Zusammenstellung der Preise auch noch ein wichtiges Indiz für den Kunden.
9. Ego-Trip
Sie sollten ein echtes Interesse daran haben, unseren Kunden kennenzulernen. Im Service ist Egomanen-Verhalten absolut fehl am Platz. Durch fehlende Kundenfokussierung – wenn man zum Beispiel nicht zuhört oder den Kunden nicht zu Wort kommen lässt – sind schon oft Kundenanliegen in extreme Situationen eskaliert. Die Devise ist: Erst den Kunden ausreden lassen, dann sich die Zeit nehmen und den Kunden ausführlich beraten oder bedienen. Hier ist immer der Kunde im Fokus und nicht die eigene Situation.
10. Komplexität
Minimieren Sie das Nutzerchinesisch auf ein Minimum. Für Kunden ist die richtige Usability unumgänglich. Und das sollte in allen Ebenen, die einen Kunden betreffen, umgesetzt werden. Ob es sich dabei um eine Installation einer Anwendung, die Inbetriebnahme eines technischen Geräts handelt, oder möglicherweise eine Vertragsverlängerung oder sogar Kündigung - für den Kunden sollten einfache Schritte fokussiert werden. Nehmen Sie die Komplexität raus und schaffen so Leichtigkeit. Je einfacher es ist, umso zufriedener ist der Kunde.
11. Verständnislücken
Wenn ein Unternehmen sagt, dass man Service anbietet, dann muss auch das Verständnis durchgängig sichergestellt sein. Und das an jedem "Service Touch Point" – also dort, wo Ihr Kunde mit Ihren Unternehmen in Berührung kommt. Sie sollten immer überlegen, wo der Kunde einen potenziellen Kontaktpunkt mit Ihrem Unternehmen haben könnte. Und an all diesen Punkten muss der richtige und professionelle Eindruck gewahrt werden.
12. Datenlöcher
Kundendaten und deren Datenqualität ist das A und O eines Unternehmens. In vielen Firmen fallen fehlende, fehlerhafte oder noch nicht aktualisierte Daten intern erst einmal gar nicht besonders auf, haben aber aus verschiedenen Perspektiven große Folgen. Achten Sie hier besonders auf Historien. Je besser Sie nachvollziehen können, was um den jeweiligen Kundendatensatz schon alles geschehen ist, umso gezielter können Sie den Kunden ansprechen und für sich gewinnen. Und ein persönlicher netter Gruß zum Geburtstag kommt immer noch gut an.
13. Floskeln
In der heutigen Servicewelt sind zu viele Floskeln gegenüber den Kunden spürbar. Diese nichtssagenden Redewendungen werden meist nur aus Höflichkeit gebraucht. Eine serviceorientierte Frage zielt auf eine Antwort ab, mit der man auch etwas anfangen kann.
Michael Thissen, Geschäftsführer von Greensocks Consulting, hat sich ganz dem Thema Kundenservice verschrieben und sieht sich selbst als Andersdenker, strategischer Berater und Service-Guide. Dabei kann er auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Service und Service Management zurückgreifen. Im August 2018 erscheint sein Fachbuch "Der Service Guide" beim Wiley Verlag, in dem Thissen beschreibt, wie man sich heutzutage intern und extern serviceorientiert aufstellen muss. Zudem hat Thissen auch noch das Tool Service Radar entwickelt, mit dem Unternehmen den Ist-Zustand in Sachen Service erkennen können.
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