
Juristen zum EuGH-Beschluss:
Facebook-Urteil: Warum Sie Ihre Fanpage nicht gleich abschalten müssen
Unmittelbar nach dem EuGH-Urteil Anfang Juni war die Panik groß. Aus Angst vor Abmahnungen legten manche Marken ihre Facebook-Seiten still. Und jetzt? Die Juristen Kathrin Schürmann und Jan Baier fassen den Stand der Dinge zusammen.

Foto: Schürmann Rosenthal Dreyer
Am 5. Juni 2018 urteilte der EuGH über die datenschutzrechtliche Mitverantwortlichkeit von Facebook-Fanpage-Betreibern. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus und gipfelten vielfach in der Deaktivierung von Unternehmensseiten auf Facebook. Doch ist das wirklich notwendig? Wir zeigen Ihnen, welche aktuellen Entwicklungen es rund um die Facebook-Fanpages gibt.
Die Hintergründe des EuGH-Urteils
Im "Fanpage-Urteil" entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass nicht nur Facebook, sondern auch die Seitenbetreiber für die Datenverarbeitung der Besucher verantwortlich sind. Die Begründung: Facebook stelle den Betreibern bestimmte personenbezogene Daten der Nutzer zur Verfügung "die [sie] darüber informieren, wo spezielle Werbeaktionen durchzuführen oder Veranstaltungen zu organisieren sind, und ihm ganz allgemein ermöglichen, sein Informationsangebot so zielgerichtet wie möglich zu gestalten." Soweit die Pressemitteilung des Gerichts.
Diese Entscheidungsmöglichkeit der Betreiber über die Nutzerdaten macht sie laut EuGH zu gemeinsamen Verantwortlichen im Sinne des Datenschutzrechts.
Die sogenannten gemeinsamen Verantwortlichen (Art. 26 DSGVO) sind verpflichtet, die Vorschriften der DSGVO zu erfüllen. Das betrifft vor allem die Auskunfts-, Informations- und Dokumentationspflichten. Das Urteil erfolgte im Rahmen eines s.g. Vorabentscheidungsverfahrens auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts. Das bedeutet, die Entscheidung des EuGH muss erst noch durch das deutsche Gericht umgesetzt werden. Die deutschen Aufsichtsbehörden gaben wenige Tage nach dem Urteil eine eigene Stellungnahme zu dem streitigen Sachverhalt ab.
Was die Datenschutzbehörden jetzt verlangen
In ihrer Stellungnahme fordern die Behörden u.a.
- Die Integration einer eigenen Datenschutzerklärung für die Facebook-Seite, die über die dortige Datenverarbeitung aufklärt, und
- Den Abschluss eines Joint Controllership Agreements (= Vereinbarung über eine gemeinsame Verantwortung) im Sinne von Art. 26 DSGVO mit Facebook
Bei einem Joint Controllership Agreement handelt es sich um eine Vereinbarung, die die gemeinsam Verantwortlichen treffen. Darin wird in transparenter Form festgelegt, wer von ihnen welche in der DSGVO geregelten Verpflichtungen erfüllt, insbesondere die Betroffenenrechte und die Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO. Da nur Facebook tatsächlich die Informationen über die Datenverarbeitung bereitstellen kann, müsste die Iniative für das Joint Controllership Agreement nun von dem sozialen Netzwerk ausgehen.
Gibt es schon Maßnahmen von Facebook?
Vor kurzem hat Facebook angekündigt, Änderungen an den Datenschutzrichtlinien des Unternehmens umzusetzen, um "die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben für die Seitenbetreiber zu erleichtern". Dadurch soll klargestellt werden, wie sich die Verantwortlichkeiten der Seiten-Betreiber und Facebook verteilen. Es wird erwartet, dass Facebook dabei das geforderte Joint Controllership Agreement anbietet.
Die für alle Beteiligten einfachste Lösung wäre, die Parametrierung der Seiten so gestalten, dass der Seitenbetreiber sie abschalten kann, so dass eine Mitverantwortlichkeit entfällt. Bisher ist diese Alternative aber nicht erkennbar.
Können Seiten-Betreiber schon jetzt aktiv werden?
Solange Facebook die erforderlichen Maßnahmen noch nicht ergriffen hat, macht es für die Betreiber durchaus Sinn, innerhalb der Fanpage zunächst auf die eigene Datenschutzerklärung zu verlinken. Dort sollte ein vorläufiger Passus über die Verwendung von Facebook-Seiten ergänzt werden, um so weit wie möglich auf die kritisierten Punkte des EuGH einzugehen.
Klar ist aber auch, dass ein solcher Passus ein etwaiges Haftungsrisiko zum gegenwärtigen Risiko allenfalls mindern, aufgrund fehlender Informationen und passender Vereinbarung von Facebook aber nicht ausschließen kann.
Auf jeden Fall muss die weitere Entwicklung verfolgt werden, insbesondere die Reaktion von Facebook. Aufgrund des enormen Umsatzes, den die Fanpages einspielen, wird Facebook das EuGH-Urteil ernst nehmen und Lösungsmöglichkeiten prüfen.
Ist das Abschalten der Facebook-Seite wirklich notwendig?
Die Angst vor Abmahnungen durch Verbände und Wettbewerber sowie vor behördlichen Bußgeldern durch die Aufsichtsbehörden veranlasst manche Unternehmen, ihre Fanpages abzuschalten. Ganz auszuschließen sind Abmahnungen natürlich nicht, ein gewisses Risiko besteht. Allerdings sind Abmahnwellen und Strafen zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Bislang ist noch keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gefallen und die Aufsichtsbehörden sind heillos überlastet. Von dieser Seite wird wohl kaum eine Reaktion ohne die Interpretation des Gerichts zu erwarten sein.
Fazit
Momentan kann man nur abwarten. Wie bei gefühlt allen Themen rund um das neue Datenschutzrecht besteht auch hier wieder mehr Ungewissheit als Klarheit. Es bleibt zu hoffen, dass Facebook in naher Zukunft eine Reaktion zeigt. Der Konzern hat die Möglichkeit, die ganze Diskussion zu beenden – vorzugsweise bevor die ersten Abmahnungen rausgehen.
Die Autoren: Kathrin Schürmann und Jan Baier arbeiten bei Schürmann Rosenthal Dreyer. Schürmann ist Rechtsanwältin und Partnerin. Neben dem Urheber- und Medienrecht, Datenschutz und Wettbewerbsrecht ist sie auf den gesamten Marketing-Bereich spezialisiert, insbesondere auf die Konflikte zwischen Wettbewerbs- und Datenschutzrecht. Kathrin Schürmann ist außerdem Co-Founder von lawpilots, einem E-Learninganbieter für die rechtlichen Herausforderungen der Digitalisierung. Baier ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er berät und vertritt Mandanten im Urheber- und Medienrecht sowie im Wettbewerbs-, Marken-, Datenschutz-, und IT-Recht.