
Werbesperre:
Facebook und das moralische Masken-Dilemma
Andri Stocker und Dirk Meycke vom Modelabel Phyne wollten Community-Masken über Facebook verkaufen. Doch Maskenwerbung ist auf Facebook tabu. Ihr Werbekonto wurde kurzerhand gesperrt. Ihr Kommentar:

Foto: visuals/Unsplash
Stellen Sie sich folgenden Teufelskreis vor: Sie werden eingesperrt, wissen aber nicht warum. Auf Nachfrage erfahren Sie, es handle sich um einen Fehler. Welcher genau? Keine Angaben! Man lässt Sie frei, nur um Sie direkt wieder einzusperren, sobald Sie einen Fuß vor die Tür setzen. Das Prozedere wiederholt sich zwei weitere Male. Doch dann erhalten Sie auf Nachfrage keine Antwort mehr. Eingesperrt, für immer, und keiner weiß warum.
Oh du böse Maske
So oder so ähnlich fühlen sich gerade viele Produzenten und Verkäufer von wiederverwendbaren Stoffmasken, den Community-Masken, wenn sie diese über Plattformen wie Facebook oder Instagram anbieten wollen. Denn anstatt diese Firmen dabei zu unterstützen, die immense Nachfrage an Masken zu decken, sperrt Facebook ganze Werbekonten. Und schon wird der beschrieben Teufelskreis Realität: Man beantragt eine Freischaltung, erhält das Konto zurück, wird erneut gesperrt, usw. bis am Ende das komplette Geschäftskonto gesperrt wird. Reaktion: Keine. Begründung: Fehlanzeige!
Was nun? Als kleiner Anbieter hat man bei Facebook keine direkten Ansprechpartner. Telefonnummern gibt es nicht und über die offiziellen Wege erhält man, wie gerade beschrieben, keine Antworten mehr.
Facebook verweist bei Sperrungen auf die eigenen Werberichtlinien und gibt Hinweise, worauf bei der Erstellung von Anzeigen geachtet werden sollte. Ist also doch alles ein Fehler der Werbetreibenden? Oder sogar eine moralische Verfehlung in Zeiten der Krise?
Nichts spricht gegen Maskenwerbung
Eine genaue Betrachtung der Werberichtlinien und Hinweise lohnt sich. Denn bei Anzeigen für Stoffmasken erscheinen vor allem drei Argumente besonders wichtig:
1) Keine medizinischen Produkte
Dass auf Facebook keine medizinischen Produkte beworben werden dürfen, klingt verständlich. Dies ist offensichtlich für medizinische Masken (z.B. FFP2/3) besonders relevant, trifft auf ausdrücklich nicht medizinische Community Masken aber nicht zu. Daran darf es also nicht liegen.
2) Keine irreführende Versprechen
Zum Schutz aller Nutzer verbietet Facebook die Kommunikation von irreführenden Versprechen, zum Beispiel "Mit dieser Maske erhältst du einen 100-protentigen Schutz". Auch diese wichtige Regel ist absolut nachvollziehbar. Sie trifft auf viele der betroffenen Firmen jedoch nicht zu, da von ihnen ausdrücklich auf den fehlenden Schutz beim Tragen von Community Masken hingewiesen wird.
3) Nicht von der Angst anderer profitieren
Ist also alles eine rein moralische Frage? Wohl kaum. Denn einige der betroffenen Firmen verkaufen die akut benötigten Masken zum Selbstkostenpreis oder spenden die erzielten Gewinne für einen guten Zweck. Von Profiteuren keine Spur.
Wo also ist das Problem? Gibt es vielleicht doch eine andere Erklärung, für die Anbieter von Community Masken gar nicht selbst verantwortlich sind? Haben wir es hier mit einem moralischen Dilemma zu tun, das gar keines ist?
Facebook äußert sich dazu nur sehr generell auf einer für die Coronakrise eingerichteten News Seite. Am 16. März wird dort beispielsweise darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Krise bei Prüfungen vermehrt zu Fehlern und längeren Antwortzeiten kommen kann.
Dann ist doch alles geklärt? Mitnichten!
Viele der betroffenen Firmen sind aufgrund der Monopolstellung von Facebook sehr stark von Werbung auf Facebook und Instagram abhängig, um eigene Produkte anzubieten und sich mit Kunden auszutauschen. Dies gilt vor allem für Firmen der Textil- und Modebranche, die dank vorhandener Produktionskapazitäten und funktionierender Lieferketten in Sachen Stoffmasken gerade besonders in der Verantwortung sind.
Wenn diesen Firmen nun der Kundenkontakt dauerhaft entzogen wird, nur, weil sie versuchen, der enormen Nachfrage an Stoffmasken Herr zu werden, dann ist das alles andere als moralisch. sollten wir das Kind beim Namen nennen. Soviel von unserer Seite: Moral heißt es nicht.
Andri Stocker und Dirk Meycke sind Gründer und Geschäftsführer der nachhaltigen Streetwear-Marke Phyne aus Mannheim. Neben Bekleidung produziert das Modelabel seit Mitte März wiederverwendbare Gesichtsmasken aus 100 Prozent Biobaumwolle.