
US-Präsidentschaftswahl:
Facebooks PR-Chef Clegg nimmt Politik in die Pflicht.
Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel und Facebooks PR-Chef Nick Clegg reden über die bevorstehende US-Wahl. Ihre These: Social Media sollte nicht überbewertet werden. Am Populismus sei nicht Silicon Valley schuld.

Foto: privat
Sir Nicholas "Nick" Clegg war von 2010 bis 2015 stellvertretender Premierminister in Großbritannien. Seit nunmehr zwei Jahren ist er Leiter der Unternehmenskommunikation von Facebook. In einem Talk-Format namens "Facebook Open House" betonte Clegg die milliardenschweren Investitionen des Unternehmens in die Lauterkeit der Informationsvermittlung. Facebook habe sich seit der letzten US-Präsidentschaftswahl vor vier Jahren "komplett verändert".
Damals war eine vermutete russische Einmischung in den Wahlkampf und die Rolle der sozialen Medien dabei heftig kritisiert worden. Das von Donald Trumps Wahlkampfteam beauftragte Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica wurde zum Symbol für datengetriebene Wahlmanipulation. Die genauen Hintergründe konnten nie aufgeklärt werden.
Nun ist wieder Wahlkampf in den USA. Die Entscheidung, ob Donald Trump im Amt bleibt, oder Joe Biden das Rennen macht, wird am 3. November entschieden. Anlass für Facebook, zu einem virtuellen Talk zwischen Nick Clegg und Sigmar Gabriel einzuladen.
Gabriel war von November 2009 bis März 2017 Bundesvorsitzender der SPD und von Dezember 2013 bis März 2018 Vizekanzler unter Angela Merkel. Mittlerweile ist Gabriel Berater und Publizist.
Der Talk am späten Nachmittag des 5. Oktober hatte offenbar vor allem ein Ziel: Verständnis zu schaffen und Facebook aus der Schusslinie der öffentlichen Kritik zu nehmen.
Die Verantwortung der Politik
Sigmar Gabriel sagte, man sollte Social Media zwar nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. "Wir dürfen die Verantwortung nicht von den Politikern auf Social-Media-Unternehmen übertragen", sagte Gabriel.
Nach der US-Wahl von 2016 sei in der öffentlichen Wahrnehmung ein vermeintlicher Einfluss des russischen Präsidenten Wladimir Putin diskutiert worden. Dabei sei nur eine Person für den Ausgang der Wahl verantwortlich gewesen, so Gabriel, nämlich Hillary Clinton. Die Kandidatin der US-Demokraten habe die Wähler schließlich als "deplorable", also bedauernswert bezeichnet.
"Werden wir einen Präsidenten haben, der an Allianzen interessiert ist?" Das sei die Kernfrage für die Zukunft des transatlantischen Bündnisses, so Sigmar Gabriel. Schließlich seien allein die USA in der Lage, Allianzen zu schmieden. Damit bezieht der Ex-Vizekanzler eindeutig Stellung gegen den Amtsinhaber Donald Trump.
Die Quelle des Populismus
Nick Clegg sagte, Social Media biete zwar die "Möglichkeit für Hochgeschwindigkeits-Viralität" und verweist damit auf die Effizienz auch von Facebook im Verbreiten von politischen Botschaften. Aber, so Clegg, "Der Populismus wurde nicht im Silicon Valley erfunden." Clegg betonte stattdessen die Notwendigkeit von "sorgfältiger Forschung".
Sigmar Gabriel sagte: "Wir schauen auf Social Media wie das Kaninchen auf die Schlange, während im Hintergrund bereits der Wolf lauert." Die Verantwortung sieht Gabriel in erster Linie nicht bei den Meinungsplattformen, sondern bei der Politik. Social Media sei für Politiker "eine Entschuldigung für ihre eigenen Fehler".
Nick Clegg verwies auf die schiere Informationsflut, die über Facebook geteilt wird. Bis zu 120 Milliarden Botschaften pro Tag liefen über die Plattformen des Unternehmens. Und: "Der Inhalt stammt nicht von Mark Zuckerberg", so Clegg.
Facebook setze bereits selbstlernende Systeme ein, um gefälschte Accounts zu identifizieren. Allein im vergangenen Jahr seien sechseinhalb Milliarden Fake-Accounts aufgespürt worden.
Kritik am deutschen Datenschutz
Nick Clegg kritisierte zudem das Privacy-Shield-Abkommen, mit dem die Europäische Union einen Datenfluss in die USA verhindern wollte. "Ich hoffe, dass Europa und Amerika zusammenarbeiten werden und nicht gegeneinander", sagte Clegg zum Thema Datenschutz.
"Wir folgen nur den Regeln", sagte Clegg. Wenn die Politik politische Werbung in Social Media verbieten würde, hätte er kein Problem damit. Im Gegenteil. "Wir wären erfreut." Denn, so Clegg, für Facebook sei "das politische Kopfweh weitaus größer als der ökonomische Nutzen".