Auf der Website von Lemonaid erklären die Limo-Macher die Entscheidung des Amtes mit "chronischer Unterzuckerung von Ernährungsministerin Julia Klöckner", die gerade erst ihre "Nationale Strategie zur Reduktion von Zucker und Fett in Lebensmitteln" vorlegte – und weniger Zucker in Drinks forderte. Das Unternehmen fordert eine Änderung der Richtlinie: "Seid so süß und ändert die Richtlinie. Natürliche Lebensmittel mit wenig Zucker sollten nicht bestraft werden – sondern der Normalfall sein." Vor allem, da die Leitsätze aus dem Jahr 2002 stammen, sollte über eine Überarbeitung nachgedacht werden.

Einigung oder Prozess

Mit diesen Argumenten versucht Lemonaid das Hamburger Amt zu überzeugen. Zuerst ohne Erfolg: "Nach II. C. Nr. 1 der Leitsätze für Erfrischungsgetränke weisen Limonaden einen Gesamtzuckergehalt von mindestens 7 Gewichtsprozent auf. Dieses Beurteilungsmerkmal ist für Limonaden derzeit gültig und anwendbar", heißt es von der Behörde.

Die Limo-Macher hoffen natürlich auf eine friedliche Einigung ohne Prozess: "Es ist schon ironisch, dass alle davon sprechen, Lebensmittel und Getränke mit weniger Zucker herzustellen, wir das schon tun, und nun unserem Produkt mehr Zucker zusetzen sollen, damit wir es weiterhin als Limonade verkaufen dürfen“, sagt Langguth gegenüber dem Stern.

Auf Instagram tauchen indes viele Ideen und Hilfeversuche von Unterstützern und Fans der Marke auf, auch eine Petition gibt es schon.

Das Amt lenkt ein

Inzwischen reagierte das zuständige Bezirksamt Hamburg-Mitte. Es werde die Limonade vorerst nicht beanstanden, teilte die Hamburger Gesundheitsbehörde mit. Zugleich kündigte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) an, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, "dass die Leitsätze für Lebensmittel hinsichtlich möglicher gesundheitsschädlicher Mindestgehalte überprüft werden". Lebensmittel mit wenig Zucker sollten nicht bestraft werden, "sondern der Normalfall sein".

"Der aktuelle Fall zeigt: Die Leitsätze für Erfrischungsgetränke sind in manchen Bereichen nicht nachvollziehbar und konterkarieren unsere Strategie zur Zuckervermeidung sowie zur gesundheitsbewussten Ernährung", sagte Prüfer-Storcks. Es sei "ein Stück aus dem Tollhaus, dass Leitsätze der Kommission für Lebensmittel zwar den Begriff Limonade schützen wollen, dadurch aber gleichzeitig der Reduzierung von Zucker entgegenwirken."

Der Zucker-Mindestgehalt von sieben Prozent ist in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches über Limonaden festgeschrieben. Das Lebensmittelbuch ist kein Gesetz, aber Akteure halten sich in der Regel daran. Die diversen Mindest- und Höchstmengen in diesem Dokument sollen die Verbraucher schützen und verhindern, dass Hersteller von Lebensmitteln unter falscher Flagge segeln. Für mehr als 2000 Lebensmittel ist die Zusammensetzung festgelegt, von Fruchtsäften über Gewürze und Teigwaren bis zu Obst- und Gemüseerzeugnissen. Damit sorgten die Leitsätze für "Klarheit und Wahrheit bei Lebensmitteln", heißt es auf der Internet-Seite der Kommission. Das funktioniert nur, wenn Verstöße auch Folgen haben.

Deshalb ärgern sich etablierte Limonadenhersteller über den Branchenaußenseiter. "Die Rechtslage für die Zulässigkeit der Bezeichnung 'Limonade' gilt seit Jahrzehnten gleichermaßen für alle Unternehmen", sagt Detlef Groß, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke. Es gebe Konzepte wie eine "leichte Limonade", die schon heute weniger Zucker oder Kalorien möglich machten. Der Verband habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Fortschreibung der Leitsätze zeitgemäß und notwendig sei.


Autor: Katrin Ried

Katrin Ried ist Autorin der W&V. Neben Marketingthemen beschäftigt sie sich vorwiegend mit Zukunftstechnologien in Mobilität, Energie und städtischen Infrastrukturen. Für Techniktrends interessiert sie sich ebenso wie für Nachhaltigkeit, sozialen und ökologischen Konsum.