Trolle im Netz:
Hasskommentare: Der Ton wird gemeiner
Die Kommentare unter Artikeln und journalistischen Beträgen werden zunehmend von Hass und Häme geprägt. Eine Studie erklärt, wie Trolle das Klima zu dominieren versuchen.
Trolle, Verächter, Krawallmacher - die Online-Kommentarspalten von Medien werden einer Studie zufolge zunehmend als Hass-Plattformen wahrgenommen. Verleumdung und Verrohung, Vorwürfe von "Staatsmedien" und "Lügenpresse" seien immer mehr in journalistischen Beiträgen im Netz zu finden, heißt es in einer Untersuchung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).
Dabei, so die Studie unter Leitung der Wissenschaftler Stephan Weichert (Hamburg Media School) und Leif Kramp (Universität Bremen), verfasse nur ein Prozent der Nutzer hassgeladene Kommentare. Eine "kleine laute Minderheit" beherrsche den digitalen Diskurs, die Mehrheit schweige. Die beiden Medienexperten untersuchten 24 Online-Diskussionen auf Facebook zu 16 journalistischen Beiträgen von Deutschlandfunk Kultur, Rheinische Post Online, RTL und "Tagesschau". Auch die Redaktion von Spiegel Online unterstützte die Studie "Hasskommentare im Netz" mit ihren Erkenntnissen.
Genauer betrachtet haben die Experten die Reaktionen auf Beiträge unter anderem zu Themen wie Flüchtlinge, Sexismus, AfD sowie regionale Berichte. Dabei sprechen die Wissenschaftler von "gekaperten Diskursen". Wenige Nutzer bekämen im Diskussions- und Kommentarverlauf die Oberhand, die Debatte eskaliere dann schnell.
Als Beispiel nannten Weichert und Kramp einen Bericht über die hygienischen Zustände in Flüchtlingsheimen. Ein bestimmter Nutzerkommentar habe in diesem Fall die Diskussion gedreht. Am Ende sei es in der Online-Debatte weniger um Flüchtlinge, als um die Frage gegangen, was der Staat eigentlich für Obdachlose unternehme.
Löschen oder diskutieren? Die beiden Experten raten in einem Zehn-Punkte-Katalog den Medien, auf die Nutzer zuzugehen. Online-Redakteure sollten ihre Rolle als Moderatoren im Netz beherzt anpacken, "Sprachterror" entfernen, aber böswillige Nutzer direkt mit "Klartext" anzusprechen.
Eine aktive Beteiligung der jeweiligen Redaktion wirke sich direkt auf die Stellung des Hauptkommentars im Facebook-Algorithmus aus. Redaktionskommentare würden automatisch höher gerankt. "Wohlfühl- und Flauschjournalismus" könne die Verrohung zwar nicht stoppen. Die Experten raten aber, Kommentarbeiträge zu veröffentlichen, die einen Bezug zum Lebensumfeld der Nutzer hätten, und Lösungen vorzuschlagen - "und nicht immer nur Krisen, Krieg und Katastrophen", wie Weichert sagte. Dafür müssten aber die Ressourcen in den Redaktionen deutlich erhöht werden.
LfM-Direktor Tobias Schmid sagte, Medienhäuser seien nicht machtlos. Die Bestärkung von Gegenrede sowie strafrechtliche Schritte hätten bei einem überschaubarem Aufwand einen erstaunlichen Effekt.
Ein besonderes Beispiel für überbordende Hasskommentare ist die Diskussion um die ZDF-Fußballreporterin Claudia Neumann. Regelmäßig brechen im Netz Häme und frauenfeindliche Kritik über die WM-Kommentatorin herein - wie am Montagabend zwischen Portugal und Iran war es ähnlich.
dpa/W&V Redaktion