Gastkommentar von Simon Staib:
Influencer Marketing ist nur ein Wort
Wer Influencer Marketing als Tummelwiese für Amateur-Testimonials und als kurzlebigen Trend abtut, hat den Mechanismus dahinter nicht verstanden. Simon Staib von Blogfoster erklärt das Prinzip des "influential individuals" – und fordert Professionalisierung auf allen Seiten.
"Was tragen Sie im Bett?" Der Legende nach antwortete Marylin Monroe diese Interviewfrage mit den Worten: "Zum Schlafen trage ich nur ein paar Tropfen Chanel Nº 5". Es war vielleicht die wirkungsvollste Werbung, die für den Duft jemals gemacht wurde. Ob damals Geld floss, können wir nicht wissen. Falls ja, haben wir hier einen historische Case, nebenbei einen Best Case, für Influencer Marketing – auch, wenn es damals noch nicht so genannt wurde.
Wenn die Geschichte um Marylin Monroe und Chanel inszeniert war, so war sie Monroe auf den Leib geschneidert. Seine Influencer zu kennen und den feinen Grad zwischen Freiheit des Influencers und Vorgaben (Rahmenbedingungen) zu wahren, das ist die hohe Kunst im Influencer Marketing. Im Moment beherrschen sie noch zu wenige, mehr noch: Zu wenige verstehen, was Influencer Marketing eigentlich ist. Die neue Branchendisziplin, in der sich Plattformen, Agenturen und andere Spezialisten tummeln, ist zwar noch jung, und erlebt derzeit nicht ganz zu Unrecht viel Kritik und Diskussionen.
Unbezahlbar: Vertrauen ist der größte Key Performance Indikator
Märkte sind Gespräche. Das ist eigentlich seit Menschengedenken so, erlebt aber durch die Digitalisierung eine ungeahnte Renaissance: Die Ausdrucksmöglichkeiten des Konsumenten beschränken sich heute längst nicht mehr darauf, dass er kauft oder nicht kauft. Es gibt einen neuen öffentlichen Raum, in dem gesprochen wird. Über die Produkte, die ein Unternehmen anbietet, über sein Verhalten gegenüber Kunden in verschiedenen Situationen. Vertrauen ist dabei der Schlüssel.
Wollte man früher ein Mountainbike kaufen, fragte man Freunde oder Freunden von Freunden, die als leidenschaftliche Biker bekannt waren. Freundschaft verpflichtet, und niemand verliert gerne seinen Ruf als Experte – heute erleben die so genannten "influential individuals" besonderen Aufwind - aufgrund von zwei gesellschaftlichen Tendenzen.
Da ist zum einen die Demokratisierung der massenmedialen Kommunikation, die sich ebenso wie im Politischen auch im Konsumbereich manifestiert: Man braucht keine Massenmedien, um ein Star zu sein. Es gibt Zielgruppen, bei denen einzelne Influencer mehr Reichweite erzielen als die reichweitenstärksten TV- und Printmedien.
Zum anderen verzeichnen wir heute eine digitale Erweiterung des eigenen Freundeskreises. Auf Facebook wird nicht nur nach Mietwohnungen und Mitfahrgelegenheiten gefragt, sondern auch ganz aktiv nach Empfehlungen für Hotels und technische Geräte. Influencer Marketing ist dabei immer auch Empfehlungsmarketing, geht aber weit darüber hinaus.
Auch 1.000 sehr gute Hotelbewertungen werden immer in Frage gestellt werden können, bei nur einem negativen Urteil eines einzigen Freundes. Die heute noch scherzhafte Frage an eingeschworene Markenfans, ob sie vom Anbieter Provision kassieren, wird schneller gelebter Alltag werden, als viele heute glauben möchten; die einwandfreie Kennzeichnung dessen ist einer der zentralen Schritte des Erwachsenwerdens.
Influencer Marketing: Potenziale werden aktuell nicht genutzt
In kaum einem Segment gibt es vergleichbare Möglichkeiten zur Erfolgsmessung. Aber es wird nicht gemacht. Stattdessen herrscht Blindflug und Goldgräberstimmung, die meisten Unternehmen sind sich nicht mal einig, ob Marketing oder Public Relations die richtige Abteilung für Influencer Marketing ist.
Klar ist: Influencer Marketing ist weder Product Placement noch Anzeigenhandel.
Werbetreibende Unternehmen müssen wissen: Sie zahlen nicht für einen Post. Sie bezuschussen eine Lebens- und Arbeitsweise, die die besondere Beziehung des Content Creators mit seiner Community erst möglich macht, und die sich bei einem allzu profitorientierten Verhältnis von Sponsored Posts zu ureigenen Beiträgen nie einstellen könnte.
Die oft fünfstelligen Budgets für Influencer-Kampagnen müssen professionell – wie jede andere Maßnahme im Online-Marketing – am Erfolg gemessen werden.
Mit großer Macht kommt große Verantwortung
Wenn sich Werbetreibende im Umgang mit Influencern professionalisieren müssen, dann gilt das aber auch erst recht für die neuen Markenbotschafter selbst. Hier ist die Authentizität das wertvollste "Asset" des Influencers: Wer gesüßte Limonaden aufs Selfie quetscht und gleichzeitig in Interviews oder Blogposts erklärt, nur Petersilienwasser zu trinken, weil Zucker "Gift" für die Haut sei, dem glaubt man nicht, so einfach ist das.
Influencern, die schnell zu solchen geworden sind, ist ihre Verantwortung als Vorbild gerade für Kinder und Jugendliche oftmals nicht ausreichend bewusst. Auch hier muss Influencer Marketing erwachsen werden und gerade im Bereich "Influencer Education" sehen wir auch die Influencer-Plattformen in der Pflicht. Auch wenn der Bereich noch klein ist, im Vergleich zum Gesamtwerbemarkt in Deutschland, so sind die Zuwachsraten von Etats im Influencer Marketing enorm (+56% bei den Budgets im Vergleich von 2016 auf 2017). Höchste Zeit also, die Professionalisierung endlich weiter voranzutreiben, Branchen- und Marktstandards, Regeln und Werte festzulegen und Vergleichbarkeit in der Erfolgsmessung herzustellen.
Die aktuelle Diskussion im Influencer Marketing, die in erster Linie von Glaubwürdigkeitsrisiken handelt (z.B. die "Influencer 2.0"- Studie oder Szene-Awards, die als Marketing-Maßnahme entlarvt werden etc.), aber auch "Dauerbrenner"-Themen, wie die Kennzeichnungspflicht oder Fake Influencer, zeigen deutlich den Professionalisierungsbedarf auch in der breiten Öffentlichkeit auf. Den in diesem Zusammenhang immer wieder geäußerten Vorwurf, Influencer Marketing sei in mancherlei Hinsicht Verbrauchertäuschung halten wir für ungerechtfertigt. Es ist paradox und gleichzeitig das, was Influencer Marketing im Kern ausmacht: Es funktioniert nur dann, wenn der Influencer das Produkt auch ohne Honorar empfehlen würde. Um es mit den Worten von Marylin zu sagen: "Because it’s the truth."
Der Autor: Simon Staib ist Gründer und Chief Product Officer von Blogfoster, einer Plattform für Influencer Marketing mit ca. 35.000 angemeldete Social-Media-Profilen. Am 15. Juni organisiert das Unternehmen gemeinsam mit der Deutschen Messe AG die Cebit Signals, die nach Angaben der Veranstalter größte Influencer-Marketing-Konferenz Europas.