Wie sie das gemacht haben? Mit Neugeschäft und Wachstum auf Bestandskunden, sagt Peter Figge, Vorstand von Jung von Matt. Seine Agentur wachse stets am liebsten organisch. Und mit ein bisschen Chuzpe. "Wir waren im vergangenen Jahr bewusst sehr selektiv, was unsere Pitchteilnahme angeht", sagt er. Das sollte die Qualität sichern und die Agentur davor bewahren, sich zu verzetteln. Hat sich letztlich ausgezahlt. Verloren hat Jung von Matt zwar Etats wie Ricola, L'tur und Bitburger. Verzichtet hat man auf Obi und Bonprix. Neu dazugekommen sind indes Douglas, Ergo und Saturn; Edeka, Nikon, Vodafone und die Sparkasse haben ihr Budget zum Teil ausgebaut. Im Fokus stehen, so Figge, die "kreative Exzellenz" und die "Liebe zum Produkt" ganz unabhängig in welchen Kanälen und in der Tat bleibt Jung von Matt - neben Heimat (TBWA) - die Kreativadresse des Landes. Dafür haben die Hamburger auch ordentlich Personal eingekauft; 12,08 Prozent mehr Mitarbeiter waren es im Vergleich zu 2016. "Wir wollen uns das leisten", sagt Figge. Jüngst ist die schräge Jahreskampagne der Sparkasse angelaufen:

Anders als Jung von Matt und Serviceplan sind viele inhabergeführte Agenturen kaum mehr gewachsen als 2016. Das Gesamtwachstum der Top 50 liegt für 2017 bei 7,39 Prozent (Vorjahr: 6,58 Prozent). Bei den Mitarbeitern fällt der Unterschied deutlicher aus. 4,07 Prozent mehr Leute haben die 50 größten Werbeagenturen des Landes eingestellt, 2016 waren es noch 6,14 Prozent.

Betrachtet man das bereinigte Wachstum, das nur die Ergebnisse der Agenturen ausweist, die dieses und letztes Jahr gemeldet haben, schrumpft die Zahl der Mitarbeiter sogar auf -1,39 Prozent. Das bereinigte Wachstum im Gross Income der Top 50 liegt 2017 bei nur 3,56 Prozent (2016: 6,45). Die Hitliste der inhabergeführten Werbeagenturen bestätigt damit den Trend des GWA-Frühjahrmonitors, der für seine Mitgliedsagenturen ein Wachstum von lediglich einem Prozent ermittelt hatte.

Etablierte Agenturen büßen Umsatz ein

Klar gibt es auch 2017 zahlreiche Firmen, die überdurchschnittlich wachsen: Vertikom zum Beispiel, die Rang vier gegen Position drei tauschen. Die Umstrukturierung wirkt sich endlich aus. Seit 2016 bündelt Vertikom als Holding die vier Dachmarken Attraction, Influence, Activation und Sales sowie Vitamin E, Spezialanbieter für räumliche Kommunikation, und Pop Up My Brand für Full-Service-Pop-Up-Store-Lösungen. 2016 hat der Umbau Umsatz gekostet, 2017 dazu Mitarbeiter (-8,9 Prozent). Sie sind jetzt kleiner, aber schlagkräftiger und wollem am Profil arbeiten. Denn Vertikom ist im Markt nicht so recht bekannt. Aus dem Gemischtwarenladen von einst soll, so CMO Ilja Grendel, eine "Marketingagentur mit Sales-Ausprägung" werden, die die gesamte Customer Journey abbildet. Auf Zuwachsraten von über 20 Prozent kommen neben Vertikom auch Saint Elmo's (Serviceplan-Gruppe, dank Übernahme von Aimaq von Lobenstein und neuem Geschäftsbereich Tourismusmarketing), die Healthcare-Leute von Wefra, die Digitalagenturen Elbkind und Queo, die Allrounder Schipper, BDA Creative, Vistapark, Huth + Wenzel und der Klassiker Selinka/Schmitz.

Trotzdem schrumpfen etablierte Werbeagenturen wie Kolle Rebbe (-6,88 Prozent), Philipp und Keuntje (-5,36 Prozent), BSS (-5 Prozent), Panama (-8,75 Prozent) und Leagas Delaney (-9,83 Prozent). Was ist da los? Die Genannten mögen jeder für sich gute Gründe für ihre Negativbilanz aufführen können - sie sprechen von Einmaleffekten (Rekordjahr 2016 bei Kolle Rebbe), verschobenen Projekten (Philipp und Keuntje), auch Etatverlusten (Leagas Delaney (Comdirect), Panama), strengeren Standards beim Neugeschäft (Kolle Rebbe), Investitionen in neue Geschäftsfelder wie die eigene Bewegtbildproduktion (Panama, Kolle Rebbe) oder Fortbildungen (Philipp und Keuntje), der Konsolidierung des Bestandskundengeschäftes (Kolle Rebbe). Doch gilt: Das Geschäftsmodell Agentur steht unter Druck. Das ist nicht neu, wirkt sich in den Rankings aber zum Teil dramatisch aus. Der Sparzwang, das zunehmende Projektgeschäft auf Kundenseite und der Fachkräftemangel machen Agenturen zu schaffen. Gleichzeitig müssen sie in der Breite und Tiefe immer mehr (digitale) Disziplinen bedienen, sich kontinuierlich neu erfinden. Alles verändert sich radikal, wird komplex.

Wandel hin oder her - Agenturen sind frohen Mutes

Dennoch blicken viele Werber optimistisch in die Zukunft. Denn Deutschlands Wirtschaft wird - weltpolitische Unwägbarkeiten einmal außer acht gelassen - auch 2018 wieder wachsen und zwar je nach Prognose um 2,3 bis 2,6 Prozent. Laut GWA-Frühjahrsmonitor rechnen deshalb 85 Prozent der Verbandsmitglieder mit steigenden oder stabilen Umsätzen. Und auch die Agenturen, die beim W&V-Ranking mitgemacht haben, geben sich zuversichtlich. Für 2018 haben die meisten schon genügend Aufträge und fühlen sich gut aufgestellt. Allerdings: Dürften über kurz oder lang nur die Agenturen eine Chance im Markt haben, die sich entweder sehr breit und integriert aufstellen wie etwa die Serviceplan-Gruppe, sich ein klares Profil geben wie Jung von Matt als die Kreativagentur oder die sich zum Spezialisten mausern wie die Healthcare-Agentur Wefra, die 2017 um 27,25 Prozent gewachsen sind (Gross Income 2017: 13,01 Mio. Euro). Mittelgroße Agenturen ohne eigenen Schwerpunkt dürften es in Zukunft schwer haben.

Update: Aufgrund eines Übertragungsfehlers bei der Datenerfassung fehlten in der zunächst veröffentlichten Tabelle die Agenturen B+D (Platz 21) und Gingco.net (Platz 22). Deren Angaben wurden inzwischen ergänzt.  


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.