Personal Branding:
Ist Linkedin das bessere Social Network?
Claudia Leischner, Geschäftsführerin von Gyro, sieht Linkedin nicht mehr als das kühle Business-Network, das es anfangs war. Mit Videos und Artikeln mausert es sich zur Alternative zu Xing und Facebook.
"Ein Text von mir über Martin Sorrell erhält auf Facebook 67 Likes, auf Linkedin hingegen nur 31. Indes erntet das von mir gepostete Bild eines Lamms auf Facebook 37 Likes, auf der "Business-Plattform" Linkedin aber verrückte 94 (& 7192 Views)." Was Mirko Kaminski, Chef der Agentur Achtung da vor kurzem auf Twitter postete, ist kein Einzelerlebnis. In meinem persönlichen Kontakt-Netzwerk auf Linkedin sieht es manchmal ganz ähnlich aus. Eher softere Inhalte erobern sich ihren Platz auf einer Plattform, die 2003 als klassisches Business-Netzwerk startete, mit dem Hauptziel, ihre User mit neuen und bekannten beruflichen Kontakten zu verbinden. Doch mittlerweile dominieren Bilder und Videos auch den Newsstream bei Linkedin.
Ist Linkedin, das seit 2016 zu Microsoft gehört, auf dem Weg zum Social Network? Wird es das bessere Facebook? Oder ein anderes? Lange Zeit schien es so, als wären die Grenzen zwischen Business-Networks und sozialen Netzwerken hart gezogen. Auf der einen Seite die perfekte Außendarstellung für alle Headhunter dieser Welt, auf der anderen Seite Katzenvideos, Smileys und der Witz der Woche. Doch ähnlich wie bei vielen Menschen die harte Trennung zwischen Beruflichem und Privatem verschwimmt, verschwimmen mittlerweile auch die Unterschiede zwischen den Plattformen.
Zwei aktuelle Beispiele: Bei Linkedin gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Videos hochzuladen und Virals, die man bisher eher auf Youtube vermutete, erzielen dort im Business-Umfeld siebenstellige Abrufzahlen. Facebook hingegen konterte seit Mai 2018 in den deutschsprachigen Ländern mit Facebook Jobs, einem Angebot zur Personalsuche insbesondere für Mittelständler, das sich ganz klar gegen die Business-Netzwerke richtet. Damit ist es für Arbeitsuchende auf Facebook ab sofort möglich, sich direkt über die Social Plattform auf Stellenausschreibungen von Unternehmen, die dort inserieren, zu bewerben. Eine klare Attacke gegen alle, die ihr Geschäft mit Stellenanzeigen verdienen.
Linkedin und Xing versuchen, den Platzhirschen unter den Social Networks dafür in seinem Kerngeschäft anzugreifen, der zielgerichteten, personalisierten Werbung. Beide Plattformen stellen mittlerweile Selbstbuchungstools zur Verfügung. Auch bei den aktuell verfügbaren Werbeformaten haben sich die Business-Plattformen von den Social Networks kräftig inspirieren lassen.
Noch sind, betrachtet man die Userzahlen weltweit und in Deutschland, die Gewichte klar verteilt: Facebook hat 2,1 Milliarden aktive Nutzer weltweit, 1,4 Milliarden davon nutzen die Plattform jeden Tag. Linkedin kommt global auf 560 Millionen Mitglieder, also etwa ein Viertel der Facebook-Nutzer. Auch in Deutschland sieht das Kräfteverhältnis ähnlich, aber etwas besser für die Business-Netzwerke aus: 31 Millionen aktiven Nutzern von Facebook, stehen 11 Millionen Linkedin-Mitglieder gegenüber. Der im deutschsprachigen Raum starke Konkurrent Xing, mit dem Mehrheitseigner Burda Digital, vermeldet im April mit 14 Millionen (darunter 1 Mio. zahlende User) einen neuen Mitgliederrekord.
Alternativ oder ergänzend?
Xing oder Linkedin? Oder Xing UND Linkedin? Diese Fragen stellt sich wohl jeder Berufstätige, der sich in einem Business-Netzwerk listen will. Bei der Antwort spielen zwei Aspekte eine zentrale Rolle:
1. Die Kosten: Ein kostenloser Eintrag (mit eingeschränkten Funktionen) ist in beiden Plattformen möglich. Wer aber die Vorteile einer Premium-Mitgliedschaft (was ich empfehlen würde) nutzen will, zahlt bei Xing etwas über 70 Euro jährlich, bei Linkedin (je nach Typ der Mitgliedschaft) deutlich mehr – ein Business-Account kommt da auf über 500 Euro im Jahr. Allerdings gibt es auch Einstiegsangebote für 99 Euro pro Jahr.
2. Die aktuelle Position bzw. die Berufserfahrung: Wer am Anfang seiner Tätigkeit steht und in einem Unternehmen mit Schwerpunkt in DACH arbeitet, wird sich wohl eher bei Xing registrieren. Je länger man im Job ist und je internationaler man sich vernetzen will, umso eher kommt Linkedin ins Spiel.
Da Gyro ein globales Netzwerk ist (und zusätzlich auch zum globalen Dentsu-Aegis-Network zählt), habe ich mich zwar in beiden Netzwerken angemeldet, aber Linkedin steht für mich eindeutig im Vordergrund. Diese persönliche Entscheidung hat sich ich im Lauf der Zeit bestätigt: Meinen 12.800 Kontakten bei Linkedin stehen heute knapp 1.500 Kontakte bei Xing gegenüber. Der Großteil meiner Kommunikation in Netzwerken läuft mittlerweile über Linkedin (an insgesamt über 12.600 Follower) und für privatere Aspekte eher über Instagram (ca. 2600 Abonnenten).
Und wie sieht es mit der Frage "Linkedin oder Facebook aus"? Die Antwort muss jeder individuell geben. Gerade Führungskräfte aber haben wenig Zeit und sind eher gezwungen, sich in Zukunft auf weniger Social-Media-Kanäle zu konzentrieren. Das spricht aus meiner Sicht mittelfristig eher für Linkedin. Es sei denn, der Mensch hinter der Führungskraft will seine wirklich private Kommunikation weiter über Facebook laufen lassen. Das Vertrauen darauf, dass Facebook die Privatsphäre seiner Nutzer wirklich schützt, hat in den letzten Jahren aber erheblich gelitten.
So wertvoll wie eine Fachzeitschrift
Und es gibt ein weiteres Argument für die bisherigen Business-Netzwerke: Sowohl Linkedin als auch Xing sind auf dem Weg, zumindest eine ernsthafte Ergänzung, wenn nicht sogar in Teilen ein Ersatz, für Fach- und Businessmedien zu werden. Beide Plattformen investieren massiv in Content und Publishing. Während Linkedin-User selbst publizieren können, müssen sich Xing-User erst den Experte-Status erkämpfen, um längere Texte publizieren zu können und dafür Reichweite zu bekommen. Clevere Kommunikatoren nutzen mittlerweile die Reichweite beider Plattformen, um Agenda Setting oder CEO-Positionierung zu betreiben. Linkedin fährt dabei, meines Erachtens, die bessere Strategie. Neben kurzen Beiträgen kann jedes Mitglied auch längere Artikel verfassen. Bekommt der Linkedin-Artikel genügend Interaktionen, wird er zusätzlich im Linkedin-Newsletter gepostet und erhält so einen Reichweiten-Boost.
Lustige Virals oder interessante inhaltliche Beiträge? Jeder muss selbst entscheiden, womit er seine Kontakte bei Linkedin versorgen will. Vielleicht aber, schließt sich beides gar nicht aus. Weil der Mensch auch im Job immer Mensch bleibt und Emotionen im Business eine viel größere Rolle spielen als gemeinhin vermutet. Ideen und Inhalte, die Emotionen auslösen, lösen auch Business-Entscheidungen aus. Wenn Linkedin jetzt den Emotionen mehr Platz einräumt, ist das auf jeden Fall gut fürs Business. Für das eigene und für unseres.
Claudia Leischner ist Geschäftsführerin von Gyro Deutschland (Dentsu Aegis Network) in München.