
Arbeitsplatz:
Kolle Rebbe trennt Fach- von Führungskarriere
Die Agentur bietet Kreativen künftig die Möglichkeit, aufzusteigen, ohne CD zu werden. Das Äquivalent heißt Creative Principal. Der Schritt könnte Signalwirkung für die ganze Branche haben.

Foto: Kolle Rebbe
Diskutiert wird das Thema seit Langem. Und immer wieder blicken Deutschlands Kreative nach Großbritannien, die mit Hierarchiestufen in Agenturen ganz anders umgehen als ihre Kolleg*innen hierzulande. Kolle Rebbe wagt das Experiment jetzt einfach und trennt künftig die Fach- von der Führungskarriere; aufsteigen können gute Kreative trotzdem.
Wie das geht? Wer nicht CD werden will mit all den Management-Aufgaben, die so dazu gehören, kann sich künftig vom Junior über den Senior zum Creative Principal entwickeln und kriegt auf dieser Position dasselbe Gehalt wie ein CD oder gar Bodenleiter. So heißen bei Kolle Rebbe - die Agentur sitzt in einem alten Speicher am Hafen - die Teamchefs. Den Titel haben sie von den Game-Entwicklern entlehnt, in Digitalagenturen findet er sich gelegentlich.
Praktisch auch: Wer sich einmal dafür entscheidet, den einen oder anderen Weg zu gehen, legt sich nicht für immer fest. Kreative können sich jederzeit auch wieder in die andere Richtung entwickeln.
Gute Kreative sind nicht immer gute Manager
Damit geht Kolle Rebbe einen Schritt, von dem Fabian Frese, Kreativchef der Agentur, hofft, eine Diskussion anzuregen. Vielleicht, meint er, zögen andere Agenturen ja nach. Denn oft genug ist es ja so: Der CD-Posten ist nicht unbedingt ein Job, für den alle Kreative gemacht sind. Als Belohnung dafür, dass mensch so kreativ ist, überspitzt Frese, füllt sich der Tag jetzt mit unkreativen Dingen, die es zu erledigen gilt.
"Plötzlich öffnet man Orgacharts häufiger als Photoshop und hängt über Telefonspinnen in der Kundentelko rum anstatt beim Ausdenken in Cafés. Richtig gute Kreative dürfen auf einmal Mafo-Ergebnisse wälzen, Personalgespräche führen und im Morgengrauen an Gate A17 Schlange stehen. Und müssen nicht mehr so viel Zeit damit verbringen, sich tolle Kampagnen auszudenken."
Das, findet Frese, ist ein Fehler. Aber bislang hatten gute Kreative eben auch keine andere Wahl. Wer sich im Lebenslauf und gehaltstechnisch bewegen will, muss CD werden - ob die oder der nun Menschen führen kann oder nicht. Das ist auch zentral fürs eigene Ego. "Je weiter du die Karriereleiter hochkletterst, desto weniger machst du das, weshalb du diesen Beruf eigentlich mal gewählt hast", konstatiert Frese.
Zieht die Konkurrenz nach?
Dabei sollten alle das Recht haben, den Job hinzuschmeißen und sich wieder aufs Kreativsein konzentrieren, meint der Kreativchef, der sich selbst oft genug danach sehnt, mal wieder mehr Kreativer denn Manager zu sein. "Und zwar ohne Gesichtsverlust und ohne Knick in der Karriere." Seine Leute rennen ihm jedenfalls schon die Bude ein. Wenn alle nur das machen, was sie am besten können, steigere das doch die Qualität insgesamt, glaubt Frese.
Klar, dass das nur funktionieren wird, wenn andere Agenturen mitziehen. Sonst heißt es schnell: Das ist ein Kreativer, der es nicht geschafft hat. Die Jobbeschreibung als "Creative Principal" muss sich etablieren. Aber Frese wirkt da zuversichtlich - auch weil Corona derzeit ohnehin die Regeln neu aufstellt. "Es ist höchste Zeit, das Hierarchiesystem in deutschen Agenturen zu überdenken. Und aufzuhören, kreatives Talent kaputt zu befördern."
Fabian Frese ist Geschäftsführer Kreation bei Kolle Rebbe/Accenture Interactive. Der gelernte Jurist hat unter anderem bei Jung von Matt vom Text-Praktikanten bis zum Geschäftsführer sämtliche Hierarchiestufen eines Kreativen durchlaufen, ist heute aber mehr Manager als Kreativer. Wobei: Der Kontakt mit den Kunden, das Führen von Teams bringt ihm echt jede Menge Spaß. Kreativ arbeiten würde er trotzdem gerne öfter.
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