
Uni-Studie:
Kunden nerven Preissprünge, auch wenn sie profitieren
Im Internet oder an Tankstellen fahren die Preise oft Achterbahn. In den Innenstädten halten sich die Läden dagegen mit dem Preis-Jo-Jo zurück. Aus gutem Grund: Damit verspielen Marken mehr, als sie gewinnen.

Foto: Bettina Theisinger
Viele bekannte Onlinehändler von Amazon bis Zalando drehen ständig an der Preisschraube: Eine Jeans oder ein Fernseher, die es am Morgen noch zum Schnäppchenpreis gab, können schon am Nachmittag deutlich teurer sein - und am Abend wieder billiger. Auch an den Tankstellen und bei Hotel- oder Flugbuchungen sind die Preise sehr volatil. Den meisten Verbrauchern geht das inzwischen auf die Nerven - selbst wenn sie zunächst davon profitieren.
"Preisänderungen sind eine scharfe Waffe, mit der sehr vorsichtig umgangen werden muss", betont die Handelsexpertin Eva Stüber vom Kölner Institut für Handelsforschung. Zu viele Preisänderungen wirkten sich negativ auf die Konsumentenzufriedenheit aus. Und es trete dabei auch kein Gewöhnungseffekt ein, berichtet die Expertin und beruft sich auf eine aktuelle Untersuchung. "Selbst in Bereichen, in denen ständige Preisschwankungen schon lange üblich sind, etwa bei Tankstellen, Flug- oder Hotelbuchungen ärgern sich die Kunden noch immer darüber."
Bemerkenswert: Nach einer Studie der Universität Köln und des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie macht es kaum einen Unterschied, ob der Konsument im konkreten Fall von der Preisveränderung profitiert oder benachteiligt wird. Auch wer gerade Vorteile habe, empfinde die häufige Änderung von Preisen grundsätzlich meist als unfair. Wohl weil die Betroffenen es eher als "zufälliges Glück empfinden, in der spezifischen Situation bevorteilt worden zu sein, sie bei ihrem nächsten Kauf jedoch vor höheren Preisen nicht geschützt sind", vermuten die Forscher.
Die Folge ist ein zwiegespaltenes Bild im Handel: Während im Internet die Preise häufig geändert werden, sind sie in den Einkaufsstraßen weiterhin vergleichsweise stabil. Eine Marktstudie der Universität Köln und des Instituts für Wettbewerbsökonomie, in deren Verlauf mehr als 300.000 Preise erhoben wurden, zeigte, dass innerhalb eines Monats 43 Prozent der Preise im Internet einmal oder mehrere Male geändert wurden, aber nur zwölf Prozent der Preise bei den stationären Händlern.
Der Hintergrund: Im Online-Handel gibt es für viele Händler offenbar kaum eine Alternative zu den ständigen Preisanpassungen - zu groß ist die Preistransparenz im Internet, zu wichtig der Preis als entscheidendes Kaufkriterium.
Ganz anders sieht die Situation bislang noch im stationären Handel aus. Hier agieren selbst Händler mit einem starken Online-Standbein wie die Elektronikketten Media Markt und Saturn bei Preisänderungen eher vorsichtig. Zwar hat der Elektronikhändler das erklärte Ziel, dass "der Online-Preis identisch mit dem Preis in den Märkten ist". Doch verfolgt wird das sozusagen mit angezogener Handbremse. Nur einmal am Tag - nach Ladenschluss - werden die Preise verändert. Der deutsche Kunde sei sehr sensibel, wenn es um Preisveränderungen gehe, heißt es zur Begründung. Etwas mutiger ist der Konzern bereits in seinen Niederlassungen in der Türkei. Dort werden die Preise mehrfach am Tag angepasst.
Das sind die Varianten beim Pricing
Je nach Art der Preisdifferenzierung reagieren die Kunden unterschiedlich. Empfinden Sie sie als fair, steigt das Vertrauen, ansonsten kann ein negatives Empfinden bei der aktuellen Transaktion zu Kaufverzicht, Retouren oder Beschwerden führen. Wichtig für die Käufer sind auch die vermuteten Motive hinter unterschiedlichen Angeboten. Allergisch reagieren sie auf "Profitgier", so die Forscher. Akzeptabel sind dagegen höhere (Rohstoff-)Kosten oder günstigere Preise für höhere Abnahmemengen.
Die Forscher setzten ein Untersuchungsdesign auf, in dem sie vier Formen der Preisdifferenzierung (zeitlich, online vs. offline, online-kanalbasiert, Loyalitätsprogramm) eingebaut haben. Mal kamen die Testpersonen günstiger weg, mal schlechter als die anderen. Trotzdem bleibt eines fix: "Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Kunden differenzierte Preise fast durchweg als unfair empfinden. Dies ist ein Kernergebnis unserer Studie. Das ist selbst dann der Fall, wenn sie einen niedrigeren Preis gezahlt hätten, durch die Differenzierung also bevorteilt worden wären."
Am besten schneiden in punkto Fairness Kundenbindungsprogramme ab. Wobei auch das relativ ist. Jeder zweite hat auch hier Vorbehalte gegen Preisdifferenzierung. "Die Mitgliedschaft in einem Loyalitätsprogramm wird über eine sog. Selbstselektion ("self selection") herbeigeführt, d.h. Kunden entscheiden eigenmächtig, ob sie am Programm teilnehmen möchten. Somit unterliegt diese Statusänderung einer hohen Kontrolle durch den Kunden."
Hat sich das Bild der mangelnden Fairness festgesetzt, sinkt die Wiederkaufswahrscheinlichkeit. Und nicht nur das: "Am deutlichsten leidet das grundsätzliche Image des Händlers als zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner. Überraschenderweise kann sich eine als unfair wahrgenommene Preispolitik jedoch sogar negativ auf ganz spezifische Aspekte wie die Produktqualität auswirken."
Fakt ist auch: Viele Läden in den Innenstädten haben gar nicht die Möglichkeit, ihre Preise allzu oft zu verändern. Denn elektronische Etiketten, die ständige Preisänderungen ohne viel Aufwand ermöglichen, haben nach wie vor eher Seltenheitswert im deutschen Einzelhandel.
Angesichts so vieler Widerstände steht für die Branchenkennerin Stüber fest: "Aktuell spricht nichts dafür, dass dynamische Preise im stationären Handel im großen Maße Einzug halten." Viele Verbraucher wird es freuen.
am/Erich Reimann, dpa