
Hans Christian Biedermann:
Promi-Experte: "Nehmt Boris Becker das Smartphone ab"
Promi-Experte Hans Christian Biedermann von der Agentur Special Key sieht die Marke Boris Becker in einem Zwischentief. Er rät dem Ex-Tennisspieler sich mehr auf professionelle Hilfe zu stützen - und mal eine Sendepause einzulegen. Dann klappt's auch mit einem Comeback im Stile von Tiger Woods.
Boris Becker, Ex-Tennisstar und einst begehrter Werbebotschafter, hat in den vergangenen Wochen mit viel Pomp und PR seine Biographie promotet. Nebenher zoffte er sich öffentlichkeitswirksam via Twitter mit TV-Moderator Oliver Pocher. Doch die Auftritte des früheren Publikumslieblings kamen nicht überall gut an: Stern.de erfand die wenig schmeichelhafte Bezeichnung "Bobbele, der neue Loddar". Der aktuelle "Focus" (43/2013) schreibt in seiner Titelgeschichte Becker hätte wichtige Werbepartner wie Mercedes-Benz verprellt. Promi-Experte Hans Christian Biedermann, Geschäftsführer des Dienstleisters Special Key, sorgt dafür, dass Berühmtheiten, Agenturen sowie Marken harmonieren - und daraus eine runde Kampagne wird, wie damals Hape Kerkelings Auftritt als Horst Schlämmer für VW. Der Mann, der unter anderem einzelne Promis wie Dieter Bohlen betreut, traf in den vergangenen Jahren auch auf das einstige Vorzeigetestimonial Becker. Und hat eine pointierte Meinung zu seinen Schwächen und seinen derzeitigen Marktwert.
Man hat den Eindruck der Ruf von Boris Becker hat in letzter Zeit ziemlich gelitten, der "Focus" schreibt sogar alle seine Partner seien von ihm abgerückt. Ist Becker denn heute noch als Testimonial tragbar?
Aus meiner Sicht als Künstlervermittler hat er aktuell vor allem zwei Probleme: Zunächst einmal sieht er zurzeit einfach nicht mehr so "lecker" aus, wie sich das die werbetreibende Industrie von ihren Testmonials wünscht. Die Kamera lässt die Werbe-Ikonen ja bekanntermaßen sieben Kilo schwerer erscheinen, als diese in der Realität rüberkommen. Hier hat Becker mit seiner - ein wenig ungesund wirkenden Leibes- und vor allem Gesichtsfülle - ein akutes Problem. Das aber durch eine entsprechende Kreation teilweise relativiert werden kann. So wie wir es gemeinsam mit der Agentur Freunde des Hauses beim letzten Dreh für Praktiker gelöst haben. Wir haben ganz spontan am Set in Miami entschieden, Becker seine attraktive Frau Lilly an die Seite zu stellen. Und schon wurden die Augen des Betrachters ein wenig von Becker auf den Eyecatcher Lilly gelenkt.
Das zweite Problem: Produkte, die vorwiegend von Frauen gekauft werden, können aktuell nicht wirklich mit ihm beworben werden. Wer so gegen das weibliche Geschlecht anschreibt wie das Autoren-Team Becker und Christian Schommers, bekommt bis auf Weiteres von kaufentscheidenden Ladys an der Ladenkasse die Rote Karte gezeigt.
Gerade bei Becker kommt immer die Diskussion auf, ob er in Deutschland weniger anerkannt wird, als fernab der Heimat. Funktioniert also Becker vielleicht noch in anderen Ländern?
International hat er ja ein ganz anderes Positioning. Hier ist er - zum Beispiel für die BBC in Wimbledon - vorwiegend als Tennisexperte im Einsatz. Und meist nur als Stimme aus dem Off wahrnehmbar. Da kommt es natürlich weit weniger auf eine physische Attraktivität an als in Deutschland, wo Becker als Testmonial meist vor der Kamera sein Stelldichein gibt.
Was ist denn aus Ihrer Sicht zuletzt schiefgelaufen in Sachen Vermarktbarkeit von Boris Becker?
Im persönlichen Umgang ist Boris durchaus charmant, humorvoll, bringt die vereinbarten Leistungen und manchmal sogar mehr. Großzügig hat er in Florida das ganze Team zum Wrap-Dinner in einen mondänen Beach Club eingeladen. Das würde anderen A-Listern, mit denen wir produziert haben, wie Schwarzenegger oder Robbie Williams nicht im Traum einfallen. Doch zu Ihrer Frage: Wenn es ums Business und die Vermarktbarkeit geht, ist es insbesondere seine Beratungsresistenz, die zu Problemen führt. Er will einfach bei jedem Detail mitreden, anstatt auch mal die Profis machen zu lassen. So dass sich viele fähige und motivierte Berater irgendwann genervt von ihm abgewandt haben.
Für welche Werte steht denn die Marke Becker noch?
Den Begriff "Werte" sehe ich im Kontext mit Becker als zu hoch gegriffen. Er steht eher für das Motto seines Lieblingsvereins des FC Bayern München, für ein "Mir san mir". Nur dass der FCB gegenwärtig bekanntermaßen weit erfolgreicher performt als Becker. Konkret gesagt, ist er mit sich und seinen Auftritten im Reinen und sieht keinen akuten Repositonierungsbedarf. Da es aber im TV - wie zum Beispiels am kommenden Freitag in der Pocher Show "Alle auf die Kleinen" - oder und im Werbeblock (siehe Redcoon) immer mehr Plattformen auch für Trash-Akteure gibt, wird er auch weiterhin ausreichend Präsenz und Aufmerksamkeit generieren, auch für prospektive Werbepartner.
Die Werbeverträge von Herrn Becker scheinen immer weniger lukrativ und die Marken unbekannter zu werden. Wie kann man als Manager einer bekannten Persönlichkeit in einer solchen Situation reagieren?
Viele Prominente, die wir beraten, folgen dem Irrglauben, dass eine Künstlerkarriere sich nur linear nach oben bewegen kann. Richtig hingegen ist, dass Künstler einen tagesaktuellen Marktwert haben, und der von Becker ist zurzeit eben signifikant geringer als zu der Zeit seiner Triumphe auf dem heiligen Rasen von Wimbledon. In so einer Situation muss man als Berater seinem Klienten vermitteln, dass er lieber auch einmal ein sexy Projekt annimmt, dass ihn in der jungen, tendenziell eher werbekritischen Zielgruppe einen starken Aufschlag machen lässt. Auch wenn es hierfür vergleichsweise nur ein Taschengeld gibt. Genau ein solches Projekt haben wir Becker kürzlich offeriert - eine wirklich unterhaltsame Aktion zusammen mit Benjamin von Stuckrad-Barre. Doch hierfür fehlte Becker leider die Phantasie.
Viele Sportler nehmen während Ihrer Erstkarriere so viele Werbeverträge wie Sie nur können. Ist in solchen Fällen nicht eine Übersättigung irgendwann vorhersehbar?
Wir raten den Künstlern, die wir betreuen, nicht mehr als fünf Werbedeals gleichzeitig anzunehmen. Und diese auch medial etwas zu sortieren. Wenn ich mit dem Energydrink vorwiegend im Eventbereich punkte, kann ich das Auto im TV präsentieren, die Uhr in Printanzeigen featuren und für meinen Bluetooth Kopfhörer in den Social Media trommeln. So vermeide ich den - wie wir es nennen - "Ballack-Effekt", der bei der WM 2006 manchmal in einem Werbeblock in drei Spots zu sehen war. Spätestens beim dritten Auftritt geht dann auch noch der letzte Ballack-Fan während der Werbung in die Küche Bier holen.
Müsste Becker nicht vielleicht sogar mal ganz aus der Öffentlichkeit verschwinden, um sein Image wieder positiv aufzuladen?
Er verabschiedet sich ja schon hinreichend, macht oft und gern Urlaub. Doch leider lässt er - dank Twitter - uns alle auch an seinen Off-Zeiten teilhaben. Lilly sollte ihm beim nächsten längeren Aufenthalt in South Beach oder auf Formentera einfach das Smartphone ein paar Tage abnehmen und alles wäre gut.
Gab es ähnliche Fälle in der Vergangenheit in denen Testimonials total in Ungnade gefallen sind?
"Total in Ungnade" halte ich jetzt im Kontext mit Becker für überzogen formuliert. Allein die aktuelle Medien-Berichterstattung zeigt doch, dass er schon noch Interesse weckt beim deutschen Publikum. Aber zugegebenermaßen verzeichnet die Aktie Becker aktuell eher eine Baisse. Die sich allenfalls mit den Börsenwerten einer Aktie Tiger Woods vergleichen lässt, zu der Zeit seiner Sex-Affäre. Aber auch der Tiger notiert heute an der Testimonial-Börse wieder deutlich höher...