Adrian Rosenthal berichtet aus Austin:
SXSW Tag 1 und 2: Im Zeichen von Obama und VR
Amerikaner, die wegen Trump nach Deutschland auswandern wollen, eine inspirierende Rede von Obama und 360 Grad als Supertrend: Adrian Rosenthal und sein Kollege Heiko Geibig berichten von der weltgrößten Digitalkonferenz SXSW in Austin.
Uff. Tag 1 und Tag 2 in Austin auf der SXSW sind heute vorbei. Und die in der Vorschau gemachten Punkte sind bisher eigentlich alle so eingetroffen: Man trifft fast stündlich neue und alte Bekannte, der Information Overload scheint noch schlimmer als in den Jahren davor zu sein – was auch am Next Big Thing lag: denn mit Virtual Reality kam diesmal ja quasi eine neue Dimension dazu, die man interaktiv an jeder Ecke der SXSW selber ausprobieren konnte.
Um unser Mantra vom "Wissen teilen" mal direkt anzuwenden, haben mein Kollege Heiko Geibig und ich einmal einen kleinen Rückblick mit unseren Highlights der beiden ersten Tage zusammengestellt.
Networking von der ersten Stunde an
Der erste Tag der SXSW fing direkt um 7 Uhr morgens an – mit einer Teilnahme an einem Business Run von Brother. Der Jetlag hat eine eh noch im Griff, warum daher nicht morgens den Frühsport mit einem direkten Networking verbinden. Etwa 40 Leute sind direkt dabei, die Gespräche während des Laufens gehen nahtlos über vom Vergleich der Fitness-Tracker (Fitbit überwiegt) hin zu den besten Keynotes des kommenden Tages hin zur US-Politik. Fragen zu Möglichkeiten, nach Deutschland auszuwandern kommen sofort. Weil: Donald Trump.
Allerdings erkennen alle Mitlaufenden an, dass Trump perfekt die Klaviatur aus Earned und Owned Content spielt – und im Gegensatz zu den anderen Kandidaten wenig Geld für Wahlwerbung ausgeben muss. Die gerade laufenden Vorwahlen in den USA werden also auch durch die Marketing-Brille analysiert. Und es wird sich direkt für den nächsten Tag verabredet, diese Analyse weiter zu vertiefen. Die ersten Kontakte sind direkt geknüpft – und wurden auch gleich in einem 360°-Foto festgehalten:
test - Spherical Image - RICOH THETA
Die SXSW-Wohngemeinschaft
Auch wenn Airbnb immer wieder kritisch gesehen wird. Ich bin ein Fan und nutze den Service mehrmals im Jahr. Und ohne Airbnb würde die SXSW nicht funktionieren, da längst nicht alle Besucher unterkommen würden und die Hotelpreise während der Konferenz geradezu lächerlich hoch sind. Wir haben auch diesmal wieder ein ganzes Haus inklusive Fahrrädern angemietet.
Mit an Bord in der Wohngemeinschaft sind dieses Jahr noch mein Kollege Heiko Geibig, Felix Zeltner (Journalist und Gründer von Soundfriend) sowie Robert Jacobi, Geschäftsführer der Nunatak Group. Die Gruppe ist sozusagen die Keimzelle, um dem ultimativen Endgegner – ich spreche natürlich vom Information Overload – erfolgreich und mit vereinten Kräften gegenüber zu treten.
Whatsapp und WeChat: Die Organisation vor Ort
Die Organisation vor Ort mit den erwähnten neuen und alten Bekannten erfolgt hauptsächlich über verschiedene Apps: Whatsapp ist nicht nur in Deutschland die Nummer 1 der mobilen Messenger, sondern wird eigentlich über den gesamten Globus genutzt – und mittlerweile auch verstärkt in den USA. Mit den MSL-Kollegen aus der ganzen Welt, die hier auch vor Ort in Austin sind, nutzen wir hingegen eine gemeinsame WeChat-Gruppe.
Ansonsten wird Twitter viel eingesetzt, natürlich Facebook, aber auch Netzwerke wie Foursquare, da man hier direkt sieht, wer grade wo ist und es mittlerweile innerhalb der App ja auch ein entsprechendes Messaging-System gibt. Das Zusammenspiel des Netzwerks vor Ort unter Einsatz der verschiedenen Kanäle ermöglicht es dann auch, wichtige und gute Sessions und Events mitzukriegen; im Prinzip erfolgt eine Peer-to-Peer-Kuration der wichtigsten Inhalte. Nur so bekommt man dann auch von Veranstaltungen wie dem Virtual Reality Event der New York Times mit, das im offiziellen Programm nicht gelistet war. Danke, Netzwerk!
Obama: Flammender Appell an die Geeks
Der Eröffnungstag am Freitag stand jedoch ganz im Zeichen von Barack Obamas Keynote. Jeder wollte hin, denn zum ersten Mal in der dreißigjährigen Geschichte der Konferenz kam ein amtierender Präsident zur SXSW. Aber nur ein paar Besucher hatten Glück, bei der Lotterie ausgewählt zu werden. Wer dabei sein durfte, musste viel Zeit und Geduld mitbringen, die Schlangen waren lang und die Sicherheitskontrollen streng. Alle anderen – so wie leider auch wir – setzten sich in die großen Konferenzsäle, in denen es eine Live-Übertragung auf Riesen-Leinwänden gab. Obama hielt keine staatstragende Rede, sondern führte eine Diskussion mit Evan Smith, dem Chefredakteur und CEO der örtlichen Texas Tribune, einer sehr erfolgreichen Online-Zeitung.
Unser Mitbewohner Felix Zeltner war aber live vor Ort:
"Im Gepäck hatte Obama vor allem eine Botschaft: 'We need you'. Wir, die Regierung, brauchen euch, die Geeks. Um die Demokratie mit Hilfe digitaler Tools zu verbessern. Obama erwähnte, dass die Regierung Experten von Google, Facebook und Co zum Teil monatelange bei sich arbeiten lässt. Was er nicht erzählt hat - es geht auch andersherum. Neben mir saß eine Mitarbeiterin des Facebook-Teams in Washington DC, die zuvor für Obama gearbeitet hat und alle seine Aussagen direkt in ihre Facebook-Gruppe gepostet hat. Die Grenzen zwischen Silicon Valley und Regierung sind fließend."
Ein Zitat blieb uns aber besonders in Erinnerung, als Smith und Obama diskutierten, wie Technologie helfen kann, Bürgerengagement zu fördern. Denn dabei kam auch das komplizierte US-Wahlrecht zu Sprache. Obama: 'Es ist einfacher, eine Pizza zu bestellen als wählen zu gehen.' Das Wahlrecht zu vereinfachen, wird Obama in seinen verbleibenden Monaten wohl aber nicht mehr gelingen. Auch wenn es ihm mit Blick auf die Wahlbeteiligung zu wünschen wäre. Er setzt seine Hoffnungen jedoch ganz eindeutig auf digitale Hilfsmittel."
The Next Big Thing: Virtual Reality als Megatrend der SXSW
Wie schon im Vorbericht vermutet: Virtual Reality und die verwandten Technologien Augmented Reality und 360 Grad Videos zeichnen sich schon nach zwei Tagen als die Supertrends der SXSW ab. Zahlreiche Veranstaltungen loten aus, wie sich virtuelle Realität nutzen lässt, um durch Storytelling (natürlich immer noch ein allgegenwärtiges Buzzword) Empathie (eines der neuen Buzzwords) für Themen zu erzeugen und intensivere Beziehungen zu den Konsumenten aufzubauen.
Die US-amerikanische Schuhmarke Toms, die bei jedem Kauf ein Paar Schuhe an bedürftige Kinder in Peru spendet, hat mit ihrem VR-Film bereits für Aufsehen gesorgt. Wer den Film anschaut, befindet sich in einem peruanischen Bergdorf und erlebt den Alltag der Kinder, als wäre man selbst mit dabei. Ein bewegendes Erlebnis, dass durch die Virtual Reality Technologie intensiviert wird.
Auch Medien und Institutionen experimentieren bereits mit VR-Storytelling, Als lobendes Beispiel für eine gelungene Umsetzung wurde auf diversen Panels die Reportage aus einem jordanischen Flüchtlingscamp genannt, die das große Potential von VR für nicht-fiktionale Geschichten andeutet. Im gestern eröffneten German Haus auf der SXSW war VR ebenfalls direkt am ersten Tag das Schwerpunkt-Thema. Auf einem Panel diskutierten deutsche Start-Ups, Bewegtbild-Produzenten und Digitalstrategen über Virtual Reality & Storytelling.
Man war sich weitgehend einig: Die Technologie sei da, jetzt müssen Inhalte her, um VR massenfähig zu machen. Mit Icaros konnten alle Gäste ein Produkt direkt vor Ort ausprobieren: Ein VR-Fitnessgerät, das Sport und Videospiel miteinander verbindet und somit den inneren Schweinehund überlisten will. Wir machen morgen den Live-Test und werden berichten! Denn heute war die Schlange – ähnlich wie bei Grumpy Cat – einfach zu lang.
Meine Lieblingssession – wir fragen deutsche SXSW-Besucher
Auf der Digitalkonferenz gibt es mehrere Hundert Sessions, parallel laufen immer mehr als ein Dutzend Veranstaltungen gleichzeitig. Es ist also völlig unmöglich, sich auch nur einen Bruchteil anzuschauen. Aber dennoch, oder gerade deswegen, freut man sich über die Perlen im Programm, bei denen man dabei sein konnte. Wir haben von Virtual Reality hin zu der Frage, wie man Emojis im Marketing richtig einsetzt, eine Reihe von Sessions und Keynotes mitgenommen, wollen an dieser Stelle aber auch ein paar andere Konferenzteilnehmer aus Deutschland zu Wort kommen lassen. Also, was war euer Highlight?
"Die Session Creating the Modern Media Company mit Jim Bankoff, CEO und Chairman von Vox Media, war mein bisheriges Highlight. Er hat aufgezeigt, wie man es schaffen kann, in Kooperation mit Plattformen wie Google und Facebook eine profitable Medienplattform aufzubauen, die sich ständig neu erfindet. Entscheidende Erfolgskriterien sind die hohe Qualität der Beiträge und eine User Experience, die alle möglichen Medienformate integriert und für den Nutzer überzeugend abbildet."
Robert Jacobi, Managing Partner der Nunatak Group in München.
"Am spannendsten war es bisher, Regina Dugan von Google zuzuhören, welche Prozesse sie intern als Basis für wirklich bahnbrechende Innovationen nutzen. 'Making Epic Sh*t', wie sie es nennt, klang wie eine unvermeidbare Folge ihrer Arbeit als VP Advanced Technology – und animierte dazu, die von ihr aufgezeigten Ansätze auch mal bei uns auszuprobieren."
Patrick Brenner, Geschäftsführer von Artus Interactive in Frankfurt.
"Definitiv die Keynote von Frank Cooper von Buzzfeed. Stichwort: Empathie. Buzzfeed gelingt es erfolgreich, sich in die digitalen Lebenswelten ihrer Nutzer hineinzuversetzen und so Milliarden von Content Views zu erzeugen. Dabei werden die Plattformen, auf denen sich die Nutzer bewegen – Instagram, Snapchat, Pinterest, Vine, Youtbe und Facebook –, genauestens analysiert, um daraus Rückschlüsse für die Optimierung des eigenen Contents zu ziehen."
Oliver Nermerich, Digital-Chef von OSK.
Morgen geht es direkt weiter mit weiteren Eindrücken von der SXSW. Stay tuned!
Der Autor: Adrian Rosenthal ist Head of Digital & Social Media bei MSLGroup Germany. Er ist dieses Jahr zum 5. Mal auf der SXSW und wird über Twitter und anderen Kanäle seine Eindrücke von der weltweit größten Digitalkonferenz teilen: in Text, Bild, Gifs oder 360°-Videos.