
Blattkritik:
Schlecht abgeschmeckt: Der "Feinschmecker"-Relaunch in der Kritik
Das Gourmetheft "Der Feinschmecker" hat seine Optik überarbeitet. Das neu komponierte Menü schmeckt leider schal, findet W&V-Redakteur Thomas Nötting.
Dem "Feinschmecker" geht es nicht gut. Das Gourmetmagazin aus dem Jahreszeitenverlag gleicht einem einst glanzvollen Spitzenrestaurant, dem zunehmend die Gäste weglaufen. Im Fall einer Zeitschrift sind das Leser und Anzeigenkunden. Die jüngsten IVW-Auflagenzahlen von dieser Woche dürften den Verantwortlichen noch einmal kräftig auf den Magen geschlagen haben. Nur noch 75.000 Exemplare verkauft die Besseresser-Bibel im Monat. Die einst wichtige Messlatte von 100.000 Heften wurde zuletzt vor drei Jahren erreicht. Seitdem sinkt die Auflage kontinuierlich. Eher ungenießbar präsentiert sich auch die Anzeigenbilanz. Die Umsätze liegen in diesem Jahr bislang um 20 Prozent unter dem Vorjahr – und das lief für die Feinschmecker-Anzeigenverkäufer schon nicht gut.
Was macht also ein in die Jahre gekommenes Top-Lokal, das sich an jeder Straßenecke jüngerer Konkurrenz erwehren muss? Es renoviert und erhöht die Preise auf der Speisekarte. Genau dies tut nun auch der "Feinschmecker". Das Heft präsentiert sich ab sofort mit überarbeiteter Optik und einigen Neuerungen. Der Copypreis wurde kräftig angehoben: von sechs auf 9,95 Euro. Doch auch dieser Relaunch, der branchentypisch natürlich nicht so genannt wird, wird den Abwärtstrend kaum stoppen.
Die jüngere Konkurrenz – das sind in diesem Fall Hefte wie das Männer-Kochblatt "Beef" (Gruner + Jahr) oder der landlustige Neuling "Meine Landküche" (Burda). Sie verkaufen sich gegen den Trend am Kiosk gut bis glänzend. Beide Zeitschriften sprechen zwar eine etwas andere Leserschaft an – doch knabbern auch sie am Kuchen, den der Feinschmecker jahrelang weitgehend für sich hatte. Die neuen Koch-Blätter schwimmen gekonnt auf der seit Jahren anschwellenden Kulinarik-Welle. Ein wachsendes Publikum hungert gleichsam nach Informationen zu Themen rund um den gedeckten Tisch. Dem 1975 gegründeten Flaggschiff des deutschen Gastrojournalismus gelingt es trotzdem nicht, davon zu profitieren. Man muss sich fragen, woran das liegt.
Frontal angegriffen wird der "Feinschmecker" zudem vom Österreich-Import "Falstaff". Das Magazin umwirbt seit zwei Jahren auch deutsche Gourmets. Wie viel der Konkurrent aus Wien mit dem Auflagen-Niedergang des "Feinschmecker" zu tun hat, ist unklar – IVW-geprüfte Auflagenzahlen gibt es bislang nicht. Mit seiner modernen aufgeräumten Optik lässt "Falstaff" den "Feinschmecker" allerdings häufig ziemlich als aussehen.
Wie so mancher Sterne-Koch, an dem die Zeit vorbeizieht, agiert leider auch der "Feinschmecker". Das Lokal bekommt einen neuen Anstrich und frische Tischdecken. Im Wesentlichen besteht die Renovierung aus neuen Schriften, veränderten Spaltenbreiten und einem großzügigeren Layout. Info-Elemente wie Adressen und Bezugsquellen wurden in den hinteren Teil des Heftes verbannt, um den Geschichten mehr optische Opulenz zu verleihen. Das hat allerdings den Nachteil, dass interessierte Leser permanent vor und zurückblättern müssen. In der Küche und auf dem Teller bleibt dagegen fast alles beim Alten. Und das ist das Problem.
Ein gutes Spitzenrestaurant muss seinen Stil jederzeit weiterentwickeln und modernisieren. Genau dies hat der "Feinschmecker" aber jahrelang verpasst – wohl im Gefühl seiner jahrelangen Alleinstellung. So darf auch im aktuellen Heft Wolfram Siebeck seine Seitenhiebe verteilen. Der Gourmet-Pionier hat seine Verdienst und eine treue Fangemeinde. Neue Leser wird er aber nicht anlocken. Ansonsten gibt es bewährte Formate wie Reisereportagen (Neuseeland) und ein Winzerporträt (über den badischen Produzenten Graf Adelmann). Beiträge in einer Form, wie man sie seit vielen Jahren aus dem "Feinschmecker" kennt. Die kulinarisch bewegte Klientel aber ist eine komplizierte Zielgruppe. Der verwöhnte Sinnenapparat will stets aufs Neue gereizt und überrascht werden. Das gilt sowohl für Speise- wie Lesekost.
Der "Feinschmecker", so legt der Relaunch nahe, geht nicht den Weg der Innovation. Er setzt auf Defensive. Es sollen wohl traditionelle Kernleser nicht verschreckt und gehalten werden. Mit dem saftigen Copypreis und Geschichten wie der aktuellen Titelstory positioniert sich das Blatt am obersten Ende des Esszeitschriften-Segments. Letztere ist eine Rangliste der 50 besten Restaurants in Europa. Das ist gewagt, denn hier wird die Zielgruppe spitz. Ein Menü bei Spitzenkoch Alain Ducasse in Paris kann oder will sich nur eine elitäre Minderheit leisten.
Schade, denn die Köche in Redaktion verstehen nach wie vor viel von ihrem Stoff. Autoren wie Jens Priewe, Ulrich Sautter, Ingo Swoboda oder Jürgen Dollase zählen hierzulande nach wie vor zu den besten Federn in Sachen Küche und Keller. Man müsste ihre Kreationen eigentlich nur besser anrichten.