
Gesetzentwurf:
Soziale Netzwerke sollen Hass-Postings melden
Erst der Fall Lübcke, dann der Anschlag von Halle: Für die deutschen Behörden beginnen viele Hassverbrechen im Internet. Ein Gesetz soll jetzt auch Facebook & Co. in die Pflicht nehmen.

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Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sollen verpflichtet werden, Drohungen, Straftaten und Hetze im Netz an die Behörden zu melden. Wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen, drohen den Plattformen nach einem neuen Gesetzentwurf des Justizministeriums Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro. "Wer im Netz hetzt und droht, wird in Zukunft härter und effektiver verfolgt", kündigte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Freitag an. Zu häufig habe man zuletzt beobachten müssen, dass aus Worten Taten wurden, dass nach Hass im Netz sogar ein Mord geschehe.
"Wir müssen schnell, zügig und konsequent handeln", betonte die Ministerin. Rechtsextremismus sei eine der größten Bedrohungen für eine offene und tolerante Gesellschaft. Jeden Tag passierten zwei rechte Gewalttaten, zuletzt habe es 20 000 rechtsextremistisch motivierte Straftaten im Jahr gegeben. Auch 77 Prozent aller politische motivierten kriminellen Hasskommentare im Internet seien rechtsextremistisch.
Folgendes ist im Gesetzentwurf vorgesehen:
1. Meldepflicht für Hass im Netz
Die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter sollen bestimmte Posts künftig sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen. Das umfasst etwa Neonazi-Propaganda, die Vorbereitung einer Terrortat, die Bildung und Unterstützung krimineller Vereinigungen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen, aber auch die Billigung von Straftaten, Morddrohungen und die Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen.
Derzeit müssen die Anbieter solche Inhalte nur löschen. Eine neue Stelle beim BKA soll die Inhalte und die IP-Adressen künftig sammeln. Plattformen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro rechnen. Nicht von der Meldepflicht erfasst sind Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung - hier soll der Betroffene weiter selbst entscheiden können, ob er handeln will.
Der deutsche Richterbund begrüßte die Initiative, forderte aber zugleich deutlich mehr spezialisierte Ermittler und schlagkräftige Zentralstellen der Staatsanwaltschaften. "Die Strafjustiz arbeitet schon heute an der Belastungsgrenze", betonte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. "Der Schlüssel zum Erfolg gegen Hass und Hetze im Netz liegt in ausreichenden Ressourcen der Strafjustiz."
2. Härtere Strafen für Bedrohungen
Wer anderen Körperverletzung androht, begeht nach dem Gesetzentwurf künftig eine Straftat - wie bisher nur bei Morddrohungen. Werden diese Drohungen im Internet ausgesprochen, sollen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren drohen, bei Morddrohungen von bis zu drei Jahren.
3. Billigung von Straftaten
Bisher ist es nur strafbar, bereits begangene Taten öffentlich zu befürworten - künftig soll das auch für angekündigte Straftaten gelten. Als Beispiel nannte Lambrecht die Ankündigung im Internet, jemand gehöre "an die Wand gestellt". Solche Äußerungen hätten zu einem Klima der Angst geführt, sagte Lambrecht. Viele Menschen zögen sich deshalb zurück und engagierten sich etwa weniger ehrenamtlich. Ein einfaches Like unter einem Post soll aber nicht ausreichen, um als Straftat gewertet zu werden.
4. Beleidigungen
Die Strafen für Beleidigung werden verschärft. Es sei eben etwas anders, ob man in der Kneipe persönlich beleidigt oder im Netz angegangen werde, wo ein solcher Angriff eine viel größere Reichweite habe, hieß es im Justizministerium. "Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv, für Betroffene können sie wie psychische Gewalt wirken." Wer andere öffentlich im Netz beleidigt, soll künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden können.
5. Mehr Schutz für Kommunalpolitiker
Kommunalpolitiker werden unter den besonderen Schutz des Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches gestellt. Der schützt bisher eine "im politischen Leben des Volkes stehende Person" vor übler Nachrede und Verleumdung. Angewendet wird er bislang vor allem bei Bundes- und Landespolitikern - das soll ausgeweitet werden. "Wenn Menschen mundtot gemacht werden sollen, die jeden Tag den Kopf für unsere Gesellschaft hinhalten, ist unsere Demokratie in Gefahr", erklärte das Ministerium.
6. Antisemitische Motive
Wenn es für eine Tat antisemitische Motive gibt, soll das künftig strafverschärfend wirken. So sollen auch die Ermittlungsbehörden besonders sensibilisiert werden. Die Änderung ist laut Ministerium eine Reaktion auf einen enormen Anstieg antisemitischer Straftaten. Seit 2013 hätten diese um 40 Prozent zugenommen.
7. Mehr Schutz für Nothelfer
Angriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen, auf Ärzte und Pfleger, sollen so hart bestrafen werden wie Angriffe auf Polizisten und Soldaten. Vor zweieinhalb Jahren hatte der Bundestag bereits höhere Strafen für Fälle beschlossen, in denen Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienste angegriffen werden. Für solche Attacken drohen seitdem bis zu fünf Jahre Haft. (dpa)