Lesetipp:
Thomas Koch über KI: "Ohne Menschen kein Marketing!"
In einer wunderbar bissigen Kolumne wehrt sich Mediamann Thomas Koch gegen den KI-Hype, der in unseren Tagen noch allerlei Mist produziert. Seine These: Humankind rules, gerade im Marketing.
Um es gleich vorweg zu sagen: Thomas Koch hält überhaupt nichts von der These, dass künstliche Intelligenz bald den Menschen ersetzt. Im Marketing, schreibt der Gründer von TKD in einer Kolumne für die Wirtschaftswoche, werde es noch sehr lange auf Empathie ankommen. Haben wir Ihnen jetzt den Spaß am Lesen verdorben? Nicht doch! Die These mag vernunftbegabte Menschen beruhigen, alle anderen sind hoffnungslose Zukunfts-Nerds. Aber die brauchen wir in dieser Branche ja.
Was den Beitrag von Koch so lesenswert macht, ist sein Talent, Fakten ironisch aufzuspießen. Ein Beispiel. Koch schreibt: "Die Investmentbank UBS lag bei der WM in Russland auf peinliche Weise daneben. Sie hatten 18 Analysten 10.000 Computer-Simulationen durchführen lassen, um den Weltmeister zu ermitteln. Das Ergebnis: Deutschland. Es ist schon erstaunlich, dass sich ausgerechnet Banken eine solche Blöße geben. Denn diese Blamage spricht nicht unbedingt für besondere Expertise beim Einsatz von Daten und Software."
Oliver Samwer sei kein Marketingexperte
Oder: "KI könne das Kundenerlebnis verbessern, glaubt man bei Accenture. Noch ist das Gegenteil der Fall: Der Internet-User bekommt häufig Angebote für Produkte, die er gerade gekauft hat, längst besitzt oder gar nicht gebrauchen kann. Um hier zu optimieren, müssten mehr Daten gesammelt und schlauer ausgewertet werden. Solange aber, schrieb ein Twitterer, Amazon nach dem Kauf eines Kühlschranks weitere Kühlschränke anbietet, habe er keine übertriebenen Ängste vor KI." Das ist wirklich witzig geschrieben.
Koch hat für seinen Kommentar ordentlich Hintergründe, Zitate und Anekdoten recherchiert, was dem Hype um KI ein wenig die Magie nimmt. Was ihn antreibt ist die Mär, Marketing werde in Zukunft ohne Menschen auskommen. Anlass war die Ankündigung von Oliver Samwer, Chef von Rocket Internet, KI dürfte zu einem digitalen Kahlschlag im Marketing führen wie jetzt bei Zalando geschehen.
Koch entgegnet: "Wie zum Beispiel ausgerechnet Social Media ohne Menschen funktionieren soll, bleibt ein Rätsel. Es ist ein Widerspruch in sich. In fähige Menschen, die die immer zahlreicher werdenden Instrumente des Marketings beherrschen und steuern, werden die Unternehmen im Gegenteil in Zukunft wohl eher mehr investieren müssen."
Algorithmen haben kein Herz
Gastautor Koch glaubt nicht ans Fachwissen Samwers; er traut ihm gar nichts zu. So schließt Thomas Koch seinen Artikel mit dem Zitat des Agenturchefs von Saatchi & Saatchi, Christian Rätsch: Die Digitalisierung schaffe nur dann eine neue Nähe zum Kunden, wenn neben der technologischen Brücke auch eine emotionale Bindung bestehe.
"Rätsch hat recht. Richtig ist einzig, in beides zu investieren: in Technologie und in Menschen. Die emotionale Bindung zwischen Menschen und Marken können Algorithmen nicht erzeugen. Der künstlichen Intelligenz fehlt es an der Empathie, die noch auf lange Zeit nur Menschen erzeugen können." Zalando und Oliver Samwer würden es bald als Erste merken!