Es geht um viel Geld. Nach der aktuellen Prognose des HDE sollen die Umsätze im Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr um 2 Prozent auf 112 Milliarden Euro steigen. Schon vor 2G gingen die Experten davon aus, dass der Online-Handel dabei der große Gewinner sein und seine Umsätze um 17,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöhen werde, während der stationäre Handel 1,3 Prozent seiner Umsätze einbüßen könnte. Nun dürfte die Schere noch weiter auseinandergehen, ist der Handelsverband überzeugt. Hauptgeschäftsführer Stefan Genth warnte vor Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent für die betroffenen Läden.

Wie groß der Schub für den Online-Handel wirklich ausfallen wird, weiß natürlich noch niemand. Es hängt wohl auch davon ab, wie reibungslos der Einkauf für die Geimpften in den Innenstädten trotz der notwendigen Kontrollen gestaltet werden kann. Lange Schlagen an Kontrollstellen vor den Geschäften könnten gerade bei dem derzeitigen nasskalten Wetter weitere Kundinnen und Kunden abschrecken.

Der Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren (BTE) forderte deshalb bereits pragmatische Lösungen für die 2G-Kontrollen. "Denkbar sind zentrale, gemeinschaftliche Prüfungen mit zum Beispiel Zugangsbändchen, wie sie bereits auf Weihnachtsmärkten oder in Einkaufszentren praktiziert werden", schlug Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels vor. Damit entfielen für den Handel teure und für den Kunden lästige Mehrfachprüfungen. "Das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die Kommunen und das City-Marketing", sagte Pangels. 

Für Amazon, Zalando und Co. ist der zu erwartende Nachfrageschub angesichts der ohnehin hohen Verkaufszahlen vor Weihnachten auf jeden Fall eine Herausforderung. Doch zeigt sich die Branche selbstbewusst.

"Wir haben in den vergangenen, von der Pandemie geprägten Monaten bewiesen, auch mit stetig steigenden Bestellungen umgehen und Kundenbedürfnisse bedienen zu können. Das wollen wir so fortsetzen", sagte Otto-Sprecher Martin Frommhold.

Der Online-Moderiese Zalando ist ebenfalls überzeugt, auch in den kommenden Monaten die Nachfrage der Kunden befriedigen zu können. Die Logistik-Kapazitäten seien so ausgelegt, dass potenziell steigende Nachfrage bewältigt werden könne, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Der US-Internetgigant Amazon verwies bei einer Anfrage über mögliche Lieferengpässe darauf, dass er weltweit bis heute bereits rund 15 Milliarden Dollar (rund 13,3 Mrd Euro) ausgegeben habe, um den Herausforderungen der Pandemie gerecht zu werden.

Auch Deutschlands größter Logistikkonzern Deutsche Post DHL beobachtet die jüngste Entwicklung aufmerksam. "Man muss damit rechnen, dass die Paketmengen noch weiter ansteigen", sagte Sprecher Dirk Klasen. Doch lasse sich das Ausmaß noch nicht prognostizieren, weil unklar sei, wie viele Leute ihre Weihnachtseinkäufe schon erledigt hätten und wie die Geimpften auf die geänderte Situation reagierten. Dennoch zeigte sich auch Klasen zuversichtlich. "Wir haben es in den letzten zwei Jahren gut hingekriegt. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir das auch jetzt gut hinbekommen."

Und der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Spedition und Logistik (DSLV), Frank Huster, sagte: "Die Branche kann mit solchen Situationen umgehen, das hat zuletzt der Black Friday gezeigt, als sich das Sendungsvolumen verdreifachte."

Der Handelsexperte Gerrit Heinemann sieht das nicht anders. "Wenn eine Branche gewöhnt ist am Anschlag zu arbeiten und mit Engpässen klarzukommen, ist es der Online-Handel. Die Bewältigung von massiven Wachstumsschüben gehört geradezu zur DNA der Branche."

Erich Reimann, dpa