
Kommentar:
Unsere heile Welt vor Facebook
Desinformation und Manipulation gab es schon, als Mark Zuckerberg noch zur Schule ging und Donals Trump eine andere Haarfarbe hatte. Ein Einwurf von Frank Zimmer.

Foto: Lisa Haensch
Erinnern Sie sich noch an den Wahlabend des 22. September 2002? Damals galt Edmund Stoiber für kurze Zeit als neuer Bundeskanzler. Erst einige Hochrechnungen später stellte sich heraus, dass Gerhard Schröders rot-grüne Koalition doch noch knapp gewonnen hatte und Stoiber als eine Art Schalke 04 der Bundestagswahlen in die Geschichte eingehen würde.
Heute wissen wir, dass die Regierung ihren Wählern mindestens eine wichtige Information vorenthalten hatte: Dass die deutsche Staatsverschuldung jenseits der Maastricht-Kriterien liegen würde. Im Wahlkampf wäre das eine Steilvorlage für die Opposition gewesen, darum wurde die Information offenbar bewusst zurückgehalten - bis nach der Wahl.
Heute ist das nur noch eine historische Fußnote. Aber es lohnt sich, an die damals übliche analoge Desinformation mitten in Europa zu erinnern, wenn wir uns über digitalen Facebook-Wahlkampf in den USA ereifern.
Keine Lüge und keine Datenmissbrauch lässt sich rechtfertigen. Aber den Wahlsieg von Donald Trump auf "das Internet", "die Russen" oder einfach nur auf "Facebook" zu schieben, ist Digital-Bashing mit anderen Mitteln und Verklärung der analogen Vergangenheit. Wahlkampf war noch nie eine kontemplative Veranstaltung.
Die Digitalisierung ermöglicht zwar eine Menge, aber sie macht keine neuen Menschen. Manipulieren oder manipuliert werden, das funktioniert seit Jahrtausenden auch ohne Algorithmen. Im Fall von Donald Trump ist es einem zwar peinlich, aber der Mann ist von Menschen und nicht von Facebook-Maschinen gewählt worden.