
Birkenstock-CEO im Interview :
Warum Birkenstock auf Betten und Naturkosmetik setzt
Der CEO von Birkenstock verrät im W&V-Interview, warum die Marke nun Betten und eine Kosmetiklinie auf den Markt bringt - und welche weitere Produktidee er in petto hat.

Foto: Birkenstock
Birkenstocks sind die Gesundheitssandalen schlechthin und damit gleichzeitig Marke und Produktkategorie. Jetzt nutzt der Hersteller sein Image, um unter demselben Markennamen Betten und eine Kosmetiklinie auf den Markt zu bringen. Und er hat noch mehr neue Produktideen in petto. CEO Oliver Reichert im Interview:
Herr Reichert, welche Gründe haben dazu geführt, die Marke Birkenstock auf eher unerwartete Art und Weise, nämlich um Kosmetik und Betten, zu verlängern?
So unerwartet ist dieser Schritt gar nicht. Im Gegenteil, Naturkosmetik und Schlafsysteme sind ganz nahe beim Kern der Marke. Qualität und Funktionalität bilden die Klammer für alles, was wir tun. Außerdem liegt all unseren Produkten eine einheitliche Material- und Designsprache zugrunde. Kork bildet beispielsweise so etwas wie den gemeinsamen Nenner unserer Produkte. Charakteristisch ist auch unsere schnörkellose Designsprache. Chichi finden Sie bei unseren Sandalen so wenig wie bei unseren Schlafsystemen. Das Design folgt bei unseren Produkten stets der Funktion.
Welche Strategie steckt dahinter?
Birkenstock entwickelt sich immer mehr zu einer Lifestyle-Marke. Das liegt auch daran, dass unsere Marke den Zeitgeist trifft. Lebensqualität, Wohlbefinden und eine nachhaltige und gesunde Lebensweise liegen ganz im Trend unserer Zeit. So sind es letztlich auch unsere Kunden, die uns darin bestärken, neue Produkte mit hohem funktionalem Anspruch zu entwickeln. Unsere Marke kann viel mehr als "nur" Sandalen. Aber keine Sorge, wir werden uns nicht verzetteln.
"Wir werden nicht unsere Seele verkaufen, um die Bilanz aufzumotzen"
Das Gute ist: Wir haben keinerlei wirtschaftlichen Druck. Anders als bei den meisten Unternehmen, bei denen die Line-Extension eine Antwort auf die Verlangsamung des Wachstums im Kerngeschäft ist, vollziehen wir diesen Schritt in einer Phase historisch hohen Wachstums. Wir werden nicht unsere Seele verkaufen, nur um unsere Bilanz aufzumotzen.
Wer ist die Zielgruppe für die Kosmetiklinie?
Wir wissen aus unserer Marktforschung, dass unsere bestehenden Kunden auf die neuen Produkte warten. Das liegt daran, dass viele unserer Kunden sehr nahe bei der Marke sind und ein enges, inniges Verhältnis zu ihr haben. Aber natürlich sprechen wir mit den neuen Produkten auch Verbraucher an, die wir bislang mit unserem bestehenden Angebot nicht erreicht haben, auch solche, die unsere Schuhe regelrecht hässlich finden, aber deren Funktion nicht in Frage stellen. Ich bin sicher, dass wir über die Dehnung der Marke eine ganze Menge neuer Kunden gewinnen.
Braucht denn der Markt noch eine neue Kosmetiklinie?
Der Naturkosmetikmarkt boomt seit Jahren. Er wächst deutlich stärker als der Handel mit konventioneller Kosmetik. Gleichzeitig ist der Markt aber sehr zersplittert. Es gibt einige größere Anbieter, die meisten davon aus Deutschland, aber keine einzige globale Marke. Es gibt also durchaus Platz für einen Newcomer mit globalen Ambitionen. Natürlich haben wir unser Konzept und unsere Produkte im Vorfeld intensiv getestet. Wir überlassen nichts dem Zufall. Unsere Naturkosmetiksparte hat das Potenzial, in den nächsten Jahren auf die Größe unseres heutigen Kerngeschäfts anzuwachsen.
Haben Sie noch weitere Brand-Extensions in der Pipeline?
Es ist nicht so, dass uns langweilig wäre. Aber ein Thema liegt uns doch sehr am Herzen – Arbeitsmöbel, also Schreibtische und -stühle, die nicht nur sehr gut aussehen, sondern auch richtig was können. Die sucht man heute nämlich vergebens. Da gibt es designgetriebene Möbel ohne großen funktionalen Anspruch oder gesunde Büromöbel, die aber optisch meist nicht sehr ansprechend sind.
Was uns umtreibt, sind ergonomisch durchdachte Arbeitsmöbel, industriell hergestellt und deshalb erschwinglich, aber in Manufakturqualität aus besten Rohstoffen in bester Verarbeitung gefertigt. Die Pläne dafür liegen bei uns in der Schublade, es gibt auch schon Prototypen. Im Grunde suchen wir nur noch den passenden Partner, um unsere Ideen zur Serienreife zu bringen.
Mehr Beispiele zu Markenerweiterungen sowie Erfolgsstrategien und Flop-Gründe lesen Sie in der aktuellen W&V (Nr. 26 2017).