Manfred Tautscher, CEO des Sinus-Instituts

Manfred Tautscher, CEO des Sinus-Instituts

Langsam!  Erst mal zurück zu Manfred Tautscher. Junge, finanziell potente Menschen wollen das Unerwartete, sagt der Werteforscher. Sie brauchen keinen Protz nach dem Motto: Andere können sich das nicht leisten. Schließlich sind sie mit viel Geld groß geworden. Sondern sie wollen ein Gefühl von: Ich habe diese Marke gefunden. Ein Gefühl der besonderen Beziehung. Deshalb sagt Tautscher auch: "Eine der größten Herausforderungen für Luxusmarken ist, dass sie omnipräsent sind". Schon wieder so ein Hammer-Satz…  Auch touchpoints sollten unexpected sein, schiebt Tautscher nach.

Instagram verkauft nicht

Später am Tag betritt Serge Hoffmann die Bühne. Er ist Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Er umreißt den Luxusmarkt mit Zahlen, skizziert Trends und zeigt, dass insbesondere 18- bis 24-jährige Menschen in Deutschland Luxusuhren im Internet nicht nur suchen und beobachten, sondern sie auch kaufen. Und dann stellt er unvermittelt die Frage: "Was ist mit Social Media?" Instagram, antwortet Hoffmann, führe nicht dazu, dass eine Uhr gekauft wird. Der wichtigste Touchpoint sei der Mehrmarkenstore. Bäm! … Aber…

Klingt auch irgendwie oldschool. Was würden die Generationen Y und Z dazu sagen? Fragen wir sie doch! Michael Sandvoss versammelt eine Reihe von Luxus-affinen Unter-30-Jährigen auf der Bühne, darunter einige Influencerinnen und Influencer. Eine der jungen Frauen – Namen seien hier bewusst nicht genannt, um sie vor Spam zu schützen – sagt, sie bewundere zwar die Leistung von Influencern. Aber, "wir bewegen uns in einer absoluten Scheinwelt, deshalb ist es für Marken so schwierig, hier authentisch zu sein". Eine Instagrammerin antwortet darauf. Aber nicht etwa mit einem Widerspruch. Sondern mit einer Bestätigung, die zeigt, wohin die Entwicklung gehen könnte. "Instagram ist ein push-Medium geworden", sagt sie. "Ich kann mir vorstellen, dass sich das auf eine andere Plattform verlagern wird."

Der USP des Analogen

Logisch. Auch und gerade in der digitalen Welt fließt Content zum Ort der größtmöglichen Aufmerksamkeit. Ein Kanal ist nicht per se interessant. Aufmerksamkeit muss erarbeitet werden. Die versammelten Chefredakteure finden dafür unterschiedliche Worte. Aber es scheint, sie meinen das Gleiche. Bilanz-Chefredakteur Arno Balzer spricht vom "Wow!-Effekt". Blau-Chefredakteur Cornelius Tittel von einem "magischen Produkt", Die Dame-Herausgeber Christian Boros sagt, ein Magazin funktioniere nur "mit Dingen, die völlig PDF-inkompatibel sind", zum Beispiel besonderen Papieren.

Florian Kaps, Philipp Cassier, Christian Boros, Michael Sandvoss, Arno Balzer, Cornelius Tittel (v.l.)

Florian Kaps, Philipp Cassier, Christian Boros, Michael Sandvoss, Arno Balzer, Cornelius Tittel (v.l.)

"Doc" Florian Kaps, der Mann, der das analoge Polaroid reanimiert hat, betont, er liebe das Digitale. Aber man müsse eine wertige Kombination schaffen. Schließlich "wollen wir keine Fossilien am Leben erhalten". Gleichzeitig warnt Kaps vor "gravierenden Nebenwirkungen" des Digitalen. "Man kann es nicht schmecken, nicht riechen, nicht fühlen", so Kaps. Er plädiert: "Vertraut Euren eigenen fünf Sinnen!"

Da sind wir wieder bei den Emotionen, dem Fühlen, der Stärke des Analogen. Dem Materiellen, das man erleben kann, das Gefühle speichert, das Patina ansetzen kann. Michael Sandvoss hat dafür ein wunderbares Zitat parat:

"Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten". Das hat der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel gesagt. Vor 200 Jahren.

Lebendig sein – ist das nicht das ganze Geheimnis?


Autor: Rolf Schröter

Rolf Schröter ist Chefredakteur der W&V und interessiert sich nicht nur deshalb prinzipiell für alles Mögliche. Ganz besonders für alles, was mit Design und Auto zu tun hat. Auch, wenn er selbst gar kein Auto besitzt.