
Wo es noch Jobs gibt
Die Digitalisierung verändert nicht nur Jobs, sondern schafft auch neue. Chancen eröffnen E-Commerce, Performance und Social Media. Ein Überblick.
Die Digitalisierung verändert nicht nur Jobs, sondern schafft auch neue. Vor allem Marketing- und Agentursegment profitieren von der technischen Evolution. Chancen eröffnen E-Commerce, Performance und Social Media.
Katharina Geldner sitzt im Moment auf Koffern. Die Spedition kommt am Wochenende, dann geht es in die Schweiz. Aus beruflichen Gründen. Als Account-Managerin bei Deutschlands größter Performance-Marketing-Agentur Quisma wechselt sie an den Standort Zürich. Die 28-Jährige ist ein gutes Beispiel für die Karrierechancen, die die Digitalisierung in Zeiten der allgemein grassierenden Stellenerosion eröffnet. Nach dem Bachelor-Lehrgang „Medien und Kommunikation“ an der Universität Passau folgte ein längeres Praktikum im Marketing-Einkauf von BMW. Daraufhin bewarb sich Katharina Geldner vor zwei Jahren bei mehreren Münchner Agenturen.
Von Quisma kam die Einladung zu einem Assessment-Center, das sieben von zwölf Bewerbern erfolgreich absolvierten. Als Lohn gab es ein Angebot als Trainee. So auch für Katharina Geldner. Sie durchlief ein Jahr lang alle relevanten Abteilungen des Performance-Geschäfts: von Suchmaschinenmarketing und -optimierung über Affiliate-Marketing bis zur knallharten Cpx-Optimierung. Seit Oktober 2009 steht Account-Manager auf ihrer Visitenkarte. Das Digital-Business ist derzeit eine heiße Adresse für Karrieren und sichere Jobs in der Agenturbranche. So zählt das weite Feld des Performance-Marketings zu den wenigen Segmenten mit wachsendem Personalbedarf. Das Geschäft boomt, und die Agenturen suchen händeringend Mitarbeiter. „Da die Branche noch sehr jung ist, sind auf dem freien Markt gute Mitarbeiter kaum zu finden“, erklärt Ronald Paul, CEO Quisma. „Die Arrivierten sitzen längst in den Führungsetagen.“
Das Problem: Außer dem Online-Fachwirt gibt es bislang fast keine allgemein anerkannte fachspezifische Ausbildung. Aber selbst die Absolventen dieses Ausbildungsgangs müssen „on the job“ noch qualifiziert werden. Schließlich zergliedert sich das Geschäft in viele Spezialdisziplinen, von denen jede eine Wissenschaft für sich ist.
Man kennt dieses Dilemma aus dem klassischen Mediageschäft. Vor rund zehn Jahren gab es auch dort mehr Stellen als qualifiziertes Personal und kaum fundierte Ausbildungsangebote. Die Performance-Agenturen greifen über Trainee-Programme zur Selbsthilfe oder bilden auch selbst aus. Personal, auf das der Markt schon wartet. Denn auch bei den klassischen Media- und Kreativagenturen hat die Digitalisierung die Strukturen und die Jobs verändert.
Das bestätigt auch Nicole Karepin, Director Communication and PR der Düsseldorfer Agenturgruppe Vivaki. „Wir suchen immer wieder Mitarbeiter für Positionen, die es vorher in der Form noch nicht gegeben hat“, so die Unternehmenssprecherin. Aktuell stünden Context-Manager für Social Media hoch im Rekrutierungskurs. Am höchsten sei der Personalbedarf derzeit in den Bereichen Online-Mediaberatung und Performance-Marketing.
Auch Pilot-Geschäftsführerin Petra Kruse weiß ein Lied davon zu singen. „Die Trennung zwischen klassischem und digitalem Mediageschäft hebt sich auf.“ Mediaexperten müssten heute in beiden Bereichen geschult sein, am besten noch mit Grundkenntnissen aus dem Performance-Geschäft. Der Stellenbedarf der Agenturen folgt zwangsläufig dem Budgetverhalten der Werbekunden. Diese verlagern immer stärker ins Online-Marketing um, gleichzeitig wird Social Media immer stärker nachgefragt. Diesen Trend bestätigen auch die Personalberater. Aber ob Social Media, Affiliate-Manager oder Suchmaschinenspezialist – „diese müssen immer größere Branchenkenntnisse und Marketingerfahrung mitbringen“, sagt Lutz Altmann, Geschäftsführer der Personalberatung Human Caps. Ein Informatikstudium allein ist für die Anforderungen des hochdynamischen Digitalmarkts inzwischen zu wenig. „Heute steht eher ein gesunder Mix aus Internet-Affinität und vor allem Marketingorientierung im Mittelpunkt“, so der Bonner Consulter.
Was aber sind die besten Voraussetzungen zum Karrieresprung in die neue Branche der guten Hoffnung? „Um sich in schnell verändernden Umfeldern zu behaupten, bedarf es eines sehr soliden Fundaments an Wissen und Erfahrung, gepaart mit der Fähigkeit, neue Trends und Veränderungen schnell zu begreifen und in das bestehende Gefüge einzuordnen“, erklärt Dwight Cribb, Inhaber der gleichnamigen Hamburger Personalberatung.
Für Lutz Altmann ist eine Marketing- und Vertriebsorientierung unabdingbar. Und: „Performance ist auch hier gefordert.“ Passende Bewerber fänden sich unter Hochschulabsolventen. „Entscheidend für die Zukunft ist es, bereits in der Schulzeit Medienkompetenz aufzubauen“, so sein Rat. Wo schlummert das größte Job-Potenzial? Da gehen die Einschätzungen der Experten auseinander, denn die Segmente mit hohem Personalbedarf ändern sich laufend. Dwight Cribb sieht im Moment große Nachfrage im E-Commerce-Bereich, „da Großunternehmen aus Handel und Konsumgüterbranche nun das Thema in breiter Masse mit voller Kraft angehen“. Dagegen seien Social-Media-Experten vor drei Jahren absolute Mangelware gewesen, „inzwischen bildet sich ein Equilibrium an Angebot und Nachfrage“, so der Hamburger Berater.
Sollten die Großunternehmen aber in drei bis fünf Jahren professionelle Social-Media-Marketingabteilungen aufbauen, werde der Personalbedarf an Experten „explodieren“.
Fast täglich eröffnen sich neue Horizonte. Treiber ist die Technik. „Chancen ergeben sich beispielsweise durch neue Geschäftsfelder in der Online- und Mobile-Vermarktung“, glaubt Lutz Altmann. So brächten Mobile Devices wie iPhone und iPad speziell für das Medien-Business neue Optionen. Darüber hinaus erhalte das Marketing in den Unternehmen durch Social Networks und Bewertungsportale ein wesentlich vielfältigeres Betätigungsfeld und biete so weitere Jobchancen.
Text: Elke Häberle