
Neue Arbeitsformen:
Working Nomads: Arbeiten und Abenteuer - das geht
Udo Telaar ist ein Working Nomad und programmiert während seiner Blogger-Touren auf den Kanaren und anderswo. Sein Arbeitgeber ist begeistert von dem Modell.

Foto: Udo Telaar
Reisen und gleichzeitig arbeiten - das klingt nach dem Traumberuf jedes Digital Workers. Udo Telaar, Web-Developer bei der E-Commerce-Agentur Shopmacher, hat den Traum wahr gemacht und arbeitet als Digital Nomad. Zum einen betreibt er den eigenen Blog für Outdoor- und Aktivreisen Waldhelden.de. Zum anderen hat er seinen Laptop immer dabei und schreibt Codes auf seinen Downhill-Biking-Touren, nach dem Wandern und Klettern in Teneriffa, beim Kitesurfing-Abenteuer in Fuerteventura oder nach dem Canyoning in der Starzlachklamm.
"In der Regel versuche ich innerhalb der normalen Bürozeiten zu arbeiten. Wenn das zum Beispiel durch Reisen nicht möglich ist, kann ich meine Arbeitszeit aber auch problemlos in die Abendstunden oder auf den Folgetag verschieben", sagt Telaar. Zwar ist er vorwiegend in Europa unterwegs, aber auch mit Zeitverschiebung funktioniert das Modell immer noch ziemlich gut: "Es findet sich immer ein überlappendes Zeitfenster für Absprachen. Brauchbare Internetgeschwindigkeiten sind da schon eher ein Problem. Inzwischen gibt es in vielen Hotels und AirBnBs zwar einigermaßen schnelle Anbindungen, aber gerade in den südlichen Ländern ist das oft noch ein Problem. Dann heißt es MacBook einpacken und ein Cafe aufsuchen. Für den Notfall habe ich zusätzlich immer einen mobilen LTE Router dabei."
Anfang 2017, als sein Blog zeitaufwändiger wurde, setzte sich Udo Telaar, seit 2013 bei der Agentur beschäftigt, mit seinen Chefs zusammen um ein Modell zu finden, das seinen Nebenjob besser mit der Arbeit kombiniert. Schnell hatten Shopmacher-CEO André Roitzsch und Telaar einen Modus gefunden: Die Wochenarbeitszeit wurde auf 20 Stunden reduziert und Telaar konnte danach seinen Einsatzort frei wählen.
So klappt die Projektsteuerung im Outdoor-Paradies
Meetings werden per Video- oder Telefonkonferenz abgehalten. Für die Projektsteuerung gibt es eigene Tools. "Aufgaben werden von der Projektleitung als sogenannte 'Stories' in einer dezentralen, online verfügbaren Plattform schriftlich beschrieben", erzählt Telaar. "Im Rahmen regelmäßiger Team-Besprechungen werden anfallende Aufgaben bewertet, geschätzt und verteilt."
Telaar erhält nun vom Team Aufgaben, deren Arbeitsaufwand auf 20 Stunden die Woche taxiert sind. Jeder Kollege buche dann in die Online-Zeiterfassung zurück, wie lange er tatsächlich gebraucht hat. "Aber nicht, damit das Management sieht, ob er 'genug' gearbeitet hat", betont Telaar, "sondern damit das Team sieht, ob es die Aufgabe richtig eingeschätzt hat."
Damit alle nötigen Informationen online verfügbar sind, arbeitet Shopmacher nicht mit einem internen Fileserver, sondern mit den Google Tools, die per Browser verfügbar sind. Telaar. "Wir haben eine eigene interne Facebook-Instanz und ein eigenes Wiki, in dem wir unsere Projekte dokumentieren. Auch die geleistete Projektarbeit wird in ein Online-Tool gebucht".
Mehr Selbstständigkeit für alle Teams
Für Firmenchef André Roitzsch ist dezentrales Arbeiten eine Errungenschaft für seine gesamte Mitarbeiterriege. Jeder Angestellte könne nach einer Einarbeitungs- und Teambuildingphase von drei bis fünf Monaten einen mobilen Arbeitsplatz erhalten. Besondere Voraussetzungen müsse da niemand mitbringen, aber "ausreichend erfahren und selbstständig für eigenverantwortliches Arbeiten sollten die Kollegen sein. Denn es geht ja auch darum, sich selbst gut einzuschätzen und die Arbeit so einzuteilen, dass Termine gehalten werden." Auch Teilzeit-Modelle sind bei Shopmacher gang und gäbe: acht der aktuellen 68 Mitarbeiter sind nciht die regulären 40 Wochenstunden im Einsatz.
Roitzsch selbst kontrolliert die Arbeit nicht. "Das ist Sache der Teams. Alle Mitarbeiter sind in Teams von 8-10 Kollegen integriert. Die Teams entscheiden selbst, welches Aufgabenvolumen sie sich in einem festgelegten Zeitraum zutrauen (Team-Commitment). Dieses Commitment ist dann für alle verbindlich. Jedes Mitglied ist wiederum dem Team gegenüber verantwortlich, fristgerecht seinen Beitrag zur Teamaufgabe zu leisten."
Damit das Team auch ein Team bleibt, muss man auch Anwesenheiten bei der Agentur einplanen. Udo Telaar tauscht deshalb immer wieder für mehrere Wochen am Stück die Outdoor-Piste mit dem Bürostuhl in Gescher.
Ein Wettbewerbsvorteil beim Recruiting
Nomad Working hat sich für Shopmacher als ein deutlicher Vorteil im Arbeitgebermarkt erwiesen. "Im Münsterland haben wir ja einen strukturellen Nachteil, weil es hier einfach nicht so viele IT-Fachkräfte gibt", sagt Roitzsch. "Mit unserem Modell hebeln wir räumliche Beschränkungen kurzerhand auf." Auch mit dem Teilzeit-Modell könne man Top-Leute gewinnen, die einfach keinen passenden Job finden. "Wir finden es besser, wenn viele Menschen weniger arbeiten als wenn wenige Menschen viel arbeiten. Das spricht sich natürlich rum."
Das Echo sei auch intern durchweg positiv. "Die Leute kommen motiviert hier her, weil sie nur so viel arbeiten, wie sie wirklich möchten. Es gibt viele Vorteile für beide Seiten." Dennoch bleibt Roitzsch ehrlich: "Natürlich haben wir auch Reibereien. Aber die hängen – wenn überhaupt – nur am Rande mit Arbeitsort oder -zeit einzelner Kollegen zusammen."