
Hörtipp der Woche :
"Blind gehört": Rätsel um die klassische Musik
Das Musikmagazin "Concerti" macht mit Klassikradio-Moderator Holger Wemhoff gemeinsame Sache: Im Podcast "Blind gehört" hören Musiker Stücke, von denen sie nicht wissen, wer sie gespielt hat und müssen raten.

Foto: Blind gehört/Concerti/Spotify/Screenshot
Es gab Zeiten, da verband man Audio vor allem mit dem Hören von Musik. Was also bietet sich mehr an, als einen Podcast über Musik zu machen? Diverse Formate wagen sich an klassische Musik heran und versuchen, den Hörer:innen die großen Komponisten und klassischen Werke nahe zu bringen. Das ist ein generell mal ein positiv zu sehender Ansatz, um einer große Anzahl von Menschen den Genuss und das Verständnis von klassischer Musik nahe zu bringen.
Rätselraten als roter Faden
Das Musikmagazin "Concerti" hat einen Podcast mit dem renommierten Musikjournalisten und Chefmoderator des Klassik Radios Holger Wemhoff gemacht, das sich wohltuend von den vielen anderen Talkformaten abhebt. Unter dem Titel "Blind gehört" trifft Wemhoff in jeder Folge einen Musiker und spricht mit ihm über Musik. Aber die Macher des Podcasts, der leider nur aus fünf Folgen aus den Jahren 2019 und Anfang 2020 besteht, haben sich etwas Besonderes einfallen lassen: Wemhoff spielt jedem/r Musiker:in im Laufe des Gesprächs Stücke vor, von denen sie nicht wissen, um welches Stück es sich dabei handelt und vor allem, wer sie spielt. Mit diesem Rätsel startet das Gespräch und weitere musikalische Aufgaben dieser Art ziehen sich weiter durch den Talk wie einen roten Faden.
Diese Idee macht den Podcast einzigartig und hörenswert und setzt ihn erfrischend von allen anderen Angeboten ab. Denn Talkformate gibt es viele und der Klassikbetrieb wirkt in so manchem der bereits publizierten Gespräche angestaubt und teilweise auch eitel. "Blind gehört" setzt sich davon ab und vermittelt einen anderen Zugang.
Dazu kommt die angenehme Stimme Wemhoffs und sein großes Wissen und seine Leidenschaft für klassische Musik, mit der er nie hinter dem Berg hält, die er aber nie mit erhobenem Zeigefinger, sondern immer sympathisch und lehrreich vermittelt.
Es fehlt der Mut der Interviewpartner:innen
Leider sieht es so aus, als ob das Konzept bei den Interviewpartner:innen von Wemhoff nicht immer gut ankommt - zumindest deutet er selbst in einem Gespräch an, dass es durchaus Künstler:innen gibt, die sich dem Podcast verweigern mit der Angst, am Ende die falschen Antworten zu geben oder zu wenig zu wissen. Wohl auch aus diesem Grund führt Concerti die Reihe inzwischen als gedruckte Interviewreihe fort. Das ist schade, denn in den Texten geht viel von der Beziehung zwischen Wemhoff, seiner Gäste und der Musik verloren. Zudem eignet sich das Audioformat hervorragend, bestimmte Stellen in einem Stück anzuspielen. Vor allem dann, wenn es die Zeit und den Raum gibt, mehr als drei Takte anklingen zu lassen. Die Zeit nimmt Wemhoff sich und vermittelt dem Zuhörer damit einen guten Einblick in das Stück.
Sollte es wirklich so sein, das zu wenige Künstler:innen den Schritt in die Unsicherheit wagen und sich nicht testen lassen wollen, gehören die Menschen, die es sich in den fünf Folgen trauen, Wemhoff gegenüber zu sitzen, zu den Helden der Musik. Sie selbst profitieren den dem Rätselraten, denn es macht sie sympathisch und menschlich. Und mit diesen Wesenszügen schaffen sie es, einen neuen Zugang zu klassischer Musik zu vermitteln. Eine wachsende Zielgruppe wäre Concerti mit diesem Podcast gewiss. Das Magazin bräuchte nur den Mut, ihn weiterzuführen.