Was meinen Sie, wie hätte diese Entwicklung aussehen können, wenn es keine Pandemie gegeben hätte?

Grundsätzlich sehen wir in unseren Daten, dass durch die Corona-Pandemie viele Entwicklungen und Trends aus der Vor-Corona-Zeit verstärkt und beschleunigt wurden. Dies gilt insbesondere für die Verlagerung der Mediennutzung in Richtung digitaler Formate, entweder in Form von à-la -carte- also Einzelkäufen oder der Abo-basierten Nutzung von Flatrate-Angeboten. 3,79 Mrd. Euro haben Konsumenten in Deutschland im Jahr 2020 für digitale Formate im Bereich Film, Musik und Buch ausgegeben, das entspricht einem Zuwachs von knapp 800 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr, eine Entwicklung, die durch Corona sicherlich verstärkt wurde. Der Anteil von Flatrate Modellen gegenüber Einzelkäufen ist in diesem Zeitraum von 54 Prozent auf 75 Prozent gestiegen. Nehmen wir als Beispiel die Streaming-Dienste aus dem Serien- und Filmbereich. Diese hatten auch in der Vor-Corona-Zeit bereits deutlich zugelegt. Dieses Wachstum wurde durch Corona und der verstärkten "In Home-Zeit" der Konsumenten noch einmal verstärkt. Allerdings sollte auch nicht vergessen werden, dass in dieser Zeit mit Disney+ ein neuer wichtiger Player auf den deutschen Markt kam und die privaten TV-Sender einen verstärkten Fokus auf ihre Streaming-Ableger TVNOW und Joyn gelegt haben.

Am meisten wird unter den Bewegtbildmedien nach wie vor das lineare TV genutzt, und dieses konnte auch am meisten zugewinnen. Was hat TV hier, das andere Bewegtbildmedien nicht haben?  

In Zeiten von Corona hat das klassische Fernsehen unter Anderem damit gepunktet, dass es das Bedürfnis nach aktueller Information und gleichzeitig seriöser und vertrauenswürdiger Berichterstattung sehr gut befriedigen konnte. Abseits von Nachrichten und News schafft es das klassische Fernsehen trotz zunehmender Bewegtbild-Konkurrenz nach wie vor große Reichweiten zu erzielen, sei es bei aufwändigen Live-Formaten, innerhalb des Sportbereichs oder im klassischen TV-Film. Innerhalb des Bewegtbild-Budgets stellt das lineare Fernsehen daher das weiterhin mit Abstand am häufigsten genutzte Medium dar. Befragt man die Konsumenten nach ihrer Einschätzung, so werden rund 60 Prozent der Bewegtbild-Zeit nach wie vor mit dem klassischen TV verbracht, der im Vergleich zu anderen Formaten mit Abstand höchste Wert. Gleichzeitig sehen wir hier auch Veränderungen im Zeitverlauf. Lag der Anteil des klassischen Fernsehens am gesamten Bewegtbild-Budget vor zwei Jahren noch bei rund 70 Prozent, so ist dieser Wert auf hohem Niveau aufgrund des Wettbewerbs von Netflix, YouTube und Co um zehn Prozentpunkte zurückgegangen. Je nach Zielgruppe unterscheidet sich dies nochmals deutlich. Wir sehen hier insbesondere in den jüngeren Zielgruppen und den Haushalten mit Kindern eine zunehmende Zeitbudget-Konkurrenz durch Film- und Serien-Streaming-Angebote.

Wie haben sich die Nutzungsintensitäten innerhalb der einzelnen Bewegtbildmedien verschoben und warum?

Auch wenn wir die Intensität der Nutzung nicht für alle Medien im Detail benennen können, hat die Nutzungsintensität in Summe aufgrund des "Zuhause-Seins" nochmal zugelegt. Exemplarisch zeigt dies die Kalenderwoche 53 des letzten Jahres, als ganz Deutschland aufgrund von Weihnachtszeit und striktem Lockdown viel Zeit zu Hause verbracht hat. In dieser Woche wurde im Rahmen des GfK SVoD Trackers, der kontinuierlich die SVoD Nutzung in Deutschland misst, mit 218 Mio. Abrufen der höchste Wochenwert seit Bestehen der Messung erzielt.

Was erwarten Sie, wenn die Pandemie – hoffentlich bald – vorbei ist: Wird sich Bewegtbild weiterhin so stark nach oben entwickeln, oder werden wir merken, dass alle Menschen auch wieder das Bedürfnis haben, mehr rauszugehen und weniger Medien zu nutzen? Wird sich das in den Zahlen widerspiegeln?

Wie bereits erwähnt, sehen wir durch Corona weniger neue als vielmehr sich verstärkende Trends. Hierzu gehört bspw. die Verlagerung von Sehzeit in Richtung von SVoD-Angeboten, wobei wir nicht vergessen sollten, dass sich die Gesamt-Bewegtbildzeit erhöht hat. Diese Entwicklung wird sicherlich auch in der Nach-Corona-Zeit anhalten. Gleichzeitig wird vieles, was durch die Pandemie überdurchschnittlich stattgefunden hat, auf Normalmaß zurückgehen. Menschen werden verstärkt Zeit draußen verbringen, Freunde treffen oder ins Kino gehen, hier herrscht ein enormer Nachholbedarf. Dies wird sicherlich zu sich normalisierenden Marktentwicklungen mit saisonalen Schwankungen führen, die grundsätzlichen Trends bleiben uns aber erhalten.

Christoph Freier, GfK

Christoph Freier, GfK


Autor: Julia Gundelach

Julia Gundelach ist freie Autorin mit Schwerpunkt Specials. Daher schreibt sie Woche für Woche über neue spannende Marketing- und Medien-Themen. Dem Verlag W&V ist sie schon lange treu – nämlich seit ihrem Praktikum bei media & marketing in 2002, später als Redakteurin der W&V.